VwGH 84/13/0012

VwGH84/13/001226.9.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des JP in W, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien III, Hegergasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 11. November 1983, Zl. GA 10-425/83, BS II/14/83, betreffend Finanzstrafsache, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §29 Abs5 idF 1975/335;
FinStrG §29 Abs5 idF 1975/335;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. b FinStrG schuldig erkannt und gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 90.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe) belegt, weil er in den Jahren 1978 und 1979 in Wien als angestellter Geschäftsführer der Firma F & Co KG (in der Folge kurz: KG) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten, nämlich durch Nichtaufnahme eines Teiles seiner Gehaltsbezüge, eine Verkürzung an Lohnsteuer in der Höhe von S 250.188,-- und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in der Höhe von S 23.167,-- bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern sogar für gewiss gehalten habe. Diese Vorgänge seien der Finanzbehörde durch eine Selbstanzeige der KG vom 17. Februar 1981 bekannt geworden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dazu ausgeführt, das durchgeführte Beweisverfahren lasse keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, die KG habe sich bei Erstattung der Selbstanzeige auch von anderen als ihren eigenen Interessen leiten lassen. Der Beschwerdeführer selbst habe erst viel später von dieser Selbstanzeige erfahren. Bei dieser Sachlage verbiete sich die Ausdehnung der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige auf den Beschwerdeführer schon wegen der Bestimmung des § 29 Abs. 5 FinStrG. Der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht, es erstrecke sich die strafbefreiende Wirkung einer vom Dienstgeber erstatteten Selbstanzeige ipso iure auch auf dessen an der Straftat beteiligte Dienstnehmer, könne nicht beigepflichtet werden; eine solche Interpretation verbiete sich nicht zuletzt unter Bedachtnahme auf die Sonderregelungen des § 9 Abs. 2 und 5 des Steueramnestiegesetzes, BGBl. Nr. 569/1982.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch rechtswidrige Anwendung des § 29 FinStrG in seinem Recht, nur insoweit und in solchem Umfang bestraft werden zu können, als dies das Finanzstrafgesetz vorsehe, und in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Finanzstrafverfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Einziger Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer die strafbefreiende Wirkung der von der KG am 17. Februar 1981 erstatteten Selbstanzeige zugute kommt oder nicht. Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre dies "bei exakter Auslegung des § 29 Abs. 5 FinStrG" zu bejahen, weil es für die Erstattung einer Selbstanzeige zu Gunsten einer anderen Person keiner Vollmacht bedürfe. Auch bei objektivteleologischer Interpretation dieser Gesetzesstelle komme man zu diesem Ergebnis, weil der Zweck der Selbstanzeige, nämlich die Abgabenbehörden in Kenntnis der wirklichen Tatbestände für die Steuerbemessung zu setzen, nicht erreicht werden könne, wenn der Anzeiger befürchten müsse, dass dadurch mithaftende Geschäftsfreunde zwangsläufig straffällig würden. Auch die Sanktionen des Finanzstrafgesetzes hätten nur den Zweck, bei einer Gesamtschuld die Steuerzahlung von einem der beiden Steuerschuldner, nicht aber von beiden gleichzeitig zu erzwingen. Die Bezahlung durch einen Gesamtschuldner habe daher nicht nur zivilrechtliche Wirkung, sondern habe auch zur Folge, dass finanzstrafrechtliche Sanktionen nun für die anderen Gesamtschuldner nicht mehr zur Anwendung kämen. Es sei dabei völlig unerheblich, ob die Bezahlung der Steuerschuld von einem Gesamtschuldner "mit stillschweigendem Einverständnis oder im Interesse" des anderen geleistet worden sei.

Nach § 29 Abs. 5 FinStrG in der Fassung der Novelle 1975, BGBl. Nr. 335, wirkt die Selbstanzeige nur für die Personen, für die sie erstattet wird.

Im Beschwerdefall ist die Selbstanzeige vom 17. Februar 1981 ausschließlich von der KG erstattet worden. Sie enthält keinen Hinweis darauf, dass mit ihr auch Selbstanzeige namens des Beschwerdeführers oder auch nur mit dessen stillschweigendem Einverständnis erstattet hätte werden sollen. Der Frage, ob die KG dafür einer Vollmacht des Beschwerdeführers bedurft oder ob dafür schon dessen stillschweigendes Einverständnis genügt hätte, kommt daher im Beschwerdefall keine entscheidende Bedeutung zu. Eine Selbstanzeige des Beschwerdeführers liegt überhaupt nicht vor. Die Versuche des Beschwerdeführers, im Wege der Interpretation zu einer gewissermaßen automatischen Fernwirkung einer Selbstanzeige auf mithaftende Steuerschuldner zu gelangen, scheitern schon an dem völlig unmissverständlichen Text des § 29 Abs. 5 FinStrG; sie finden aber auch in den in der Beschwerde angeführten Gesetzesmaterialien keine Stütze. Mit seinen Ausführungen zur strafbefreienden Wirkung der Zahlung der Steuerschuld durch einen Gesamtschuldner entfernt sich der Beschwerdeführer völlig vom Gesetz, das zwar dem Selbstanzeiger unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit zubilligt, sich im übrigen als Strafgesetz jedoch keineswegs im Zwecke der Einbringung ausstehender Abgabenverbindlichkeiten erschöpft. Es wäre auch durchaus nicht undenkbar, sondern dem Gesetz gemäß, wenn - finanzstrafrechtliches Verschulden anderer Personen vorausgesetzt -

im Falle einer nur vom Beschwerdeführer erstatteten Selbstanzeige und einer damit verbundenen Steuerzahlung eine Bestrafung von nicht durch die Selbstanzeige erfassten Mittätern erfolgt wäre.

Mit Rücksicht auf die obigen Erwägungen geht auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ins Leere. Weitere Ermittlungen zur Frage eines allfälligen "stillschweigenden Einverständnisses" des Beschwerdeführers mit der Erstattung der Selbstanzeige durch die KG erübrigten sich - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren diesbezügliche Beweisanträge nicht gestellt hat - schon deshalb, weil aus der Selbstanzeige der KG vom 17. Februar 1981 gar nicht hervorgeht, dass sie auch für den Beschwerdeführer erstattet worden wäre.

Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.

Dabei konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ (§ 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 26. September 1984

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