VwGH 84/10/0191

VwGH84/10/01918.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde der X, vertreten durch B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 5. Juli 1984, Zl. Ia 909‑56/83, betreffend Bestrafung wegen verbotener Prostitution, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2
AVG §46
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1
StGG Art8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984100191.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Sittenpolizeigesetz - SPG, Vbg LGBl. 1976/6, begangen zu haben, daß sie am 23. Juli 1983 gegen 1.30 Uhr unter einer näher bezeichneten Adresse in Feldkirch gegen ein Entgelt von S 500,-- mit einem namentlich genannten Freier einen Geschlechtsverkehr und solcherart die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Über sie wurde deshalb gemäßige Unzucht ausgeübt habe. Über als wurde deshalb gemäß § 13 Abs. 3 SPG eine Arreststrafe von 6 Tagen verhängt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht, auf Grund von „Beweismitteln, welche ausschließlich durch verfassungswidriges Handeln“ der Behörden gewonnen worden sei, nicht schuldig erkannt zu werden, und in ihrem Recht verletzt, „mangels vorliegender Tatbestandsvoraussetzungen nicht einer strafbaren Handlung schuldig erkannt“ zu werden (Beschwerdepunkt). Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Als inhaltlich rechtswidrig betrachtet die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid deshalb, weil ihre Identifizierung durch den Gendarmeriebeamten A sowie durch den Freier auf dem Gendarmerieposten erfolgt sei, ihre Anwesenheit dort jedoch durch die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1984, B 552-555/83-15, festgestellte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin herbeigeführt worden sei. Eine Verwertung der auf solche verfassungswidrige Weise vorgenommenen Identitätsprüfung hätte durch die belangte Behörde nicht erfolgen dürfen.

Ein derartiges Verbot der Verwertung von Beweisergebnissen besteht jedoch nicht. Lediglich die unter Zwangsandrohung erfolgte Veranlassung der Beschwerdeführerin, sich auf den Gendarmerieposten zu begeben und ihre Anhaltung dort waren gemäß dem Inhalt des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichts-hofes verfassungswidrig, nicht jedoch die Feststellung der Identität der Beschwerdeführerin.

Abgesehen davon ist die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (vgl. etwa den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1979, Slg. N. F. Nr. 9975/A, behandelten Fall). Zweck des Schutzes der persönlichen Freiheit ist es aber nicht, die Identifizierung von Rechtsbrechern unmöglich zu machen. Das Gesetz ordnet ein Beweisverwertungsverbot für Fälle wie den gegenständlichen nicht an.

Die belangte Behörde hat daher durch die Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin auf dem Gendarmerieposten als jene Person identifiziert worden war, welche in dem Bordellbetrieb gemeinsam mit dem erwähnten Freier .in einem Zimmer angetroffen worden war und die von diesem Freier als jene Person bezeichnet worden war, mit welcher er kurz vorher gegen Entgelt einen Geschlechtsverkehr durchgeführt hatte, das Gesetz nicht verletzt.

2. Die belangte Behörde durfte, ohne dadurch rechtswidrig zu handeln, aus dem Umstand wiederholter Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Verbindung mit der Forderung von S 500,-¬für den Geschlechtsverkehr annehmen, daß die Beschwerdeführerin die Unzucht gewerbsmäßig ausgeübt hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin reicht die Feststellung, daß sie bereits einmal der verbotenen Prostitution schuldig erkannt worden war und sie keiner geregelten Arbeit nachging sowie, daß sie unter den bereits-geschilderten Umständen gegen Entgelt einen Geschlechtsverkehr vollzog, aus, um ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Lebenserfahrung anzunehmen, daß von der Beschwerdeführerin in der Absicht gehandelt worden war, sich durch die wiederkehrende Ausübung entgeltlicher Unzucht, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es bedurfte daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keiner Ergänzung des Sachverhaltes.

3. Schließlich erblickt die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darin, daß die belangte Behörde durch Verweisung auf das Straferkenntnis davon ausgegangen sei, „daß generell die Prostitution in Vorarlberg bereits zu nachteiligen Folgen im Bereich der öffentlichen Sicherheit geführt habe“, ohne konkrete Ereignisse anzuführen. Es sei auch nicht ersichtlich, warum durch die Ausübung der Prostitution das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit schwer verletzt werde.

Diese von der Beschwerdeführerin gerügten Ausführungen der belangten Behörde betreffen ausschließlich die Begründung der Strafbemessung (Generalprävention). Die Strafbemessung wird jedoch durch den von der Beschwerdeführerin bezeichneten Beschwerdepunkt nicht berührt, weshalb es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, in diesem Belang den angefochtenen Bescheid einer Prüfung zu unterziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im gegebenen Zusammenhang jedoch zu dem Hinweis veranlaßt, daß die in Begleitung der Prostitution regelmäßig auftretende Kriminalität in Vorarlberg die öffentliche Sicherheit bereits gefährdet hat, was die belangte Behörde als allgemein bekannt voraussetzen durfte, weshalb es diesbezüglich einer weiteren Begründung der Erfordernisse der Generalprävention nicht bedurft hätte.

4.1. In ihrer Rüge der Beweiswürdigung zeigt die Beschwerde einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht auf. Eine ausreichende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den „Einwendungen“ der Beschwerdeführerin, der Gendarmeriebeamte A. habe entweder ein sehr schlechtes Gedächtnis oder er habe wissentlich eine falsche Zeugenaussage abgelegt, ist durch die belangte Behörde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erfolgt, weil die belangte Behörde darauf hingewiesen hat, daß der erwähnte Zeuge neuerlich vernommen wurde und in dieser Aussage eine Klarstellung des von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Widerspruchs in seiner ersten Aussage zu erblicken ist. Weder der Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren zu dieser „weiteren Einvernahme des Zeugen A“ noch den Darlegungen in der Beschwerde ist zu entnehmen, aus welchem Grund nach Ansicht der Beschwerdeführerin diese Ausführungen im angefochtenen Bescheid keine ausreichende Auseinandersetzung mit den erwähnten „Einwendungen“ darstellen sollte.

4.2. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist es belanglos, daß die Beschwerdeführerin nicht gerade (in dem Zeitpunkt) einen Geschlechtsverkehr mit dem genannten Freier durchführte, als die beiden als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten das Zimmer betraten, in dem sich die Beschwerdeführerin nach Feststellung der belangten Behörde mit dem Freier aufhielt, welcher als Zeuge den schließlich inkriminierten Sachverhalt bestätigt hat. Strafbar gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG ist nämlich, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt. Gemäß § 4 Abs. 1 SPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten. Das Vorliegen einer Bordellbewilligung ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden.

4.3. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, welche für ihre Verteidigung vorteilhaften Ermittlungsergebnisse durch die Vernehmung weiterer Gendarmeriebeamter, die an der Nachschau teilgenommen hatten, zu erwarten gewesen wären. Eine Unterlassung solcher Vernehmungen läßt sich somit nicht als wesentlicher Verfahrensmangel erkennen.

4.4. Da nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin beim Öffnen der Tür des Zimmers, in dem sie sich mit dem namentlich erwähnten, als Zeugen vernommenen Freier befunden hatte, von dem Gendarmeriebeamten A., der die Beschwerdeführerin von früheren Amtshandlungen bereits kannte, erkannt worden war, ist in der Unterlassung einer Gegenüberstellung mit dem Freier und der Unterlassung der Einholung des von der Beschwerdeführerin beantragten Sachverständigenbeweises „zur Abklärung der psychologischen Wahrnehmungsfähigkeit“ des Freiers ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht gelegen. Der Identifizierung der Beschwerdeführerin durch den Freier bedurfte es nämlich im Hinblick auf die Wahrnehmungen des Gendarmeriebeamten A. nicht mehr. Eine Rechtswidrigkeit in der Würdigung der Aussage dieses Gendarmeriebeamten. wird von der Beschwerdeführerin, wie bereits oben dargelegt, nicht zur Darstellung gebracht.

Daß sich der Freier zur Frage eines vor dem Eintreffen der Gendarmerie gegen Entgelt durchgeführten Geschlechtsverkehrs geirrt haben könnte, wurde von der Beschwerdeführerin nach Darstellung des Sachverhaltes in der Beschwerde nie behauptet.

Da die Beschwerdeführerin vom Zeugen A. identifiziert wurde, kam auch der nach ihrer Ansicht für die Verläßlichkeit der Identifizierung durch den Freier maßgeblichen Unterschiedlichkeit der Lichtverhältnisse im Zimmer einerseits und auf dem Gendarmerieposten andererseits sowie dem Umstand, daß von den Gendarmeriebeamten dem Freier ein Lichtbild der Beschwerdeführerin vorgehalten worden sei, entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zu.

4.5. Da dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kein ernstzunehmender Anhaltspunkt für den von ihr behaupteten Verdacht einer falschen Beweisaussage durch den Zeugen A. zu entnehmen ist, ist ihre Behauptung unrichtig, aus der Unterlassung einer Strafanzeige gegen den genannten Zeugen wegen des Verdachtes falscher Beweisaussage gehe „eindeutig die Befangenheit der erkennenden Behörde hervor“.

5. Bereits der Inhalt der Beschwerde ließ daher erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt. Die Beschwerde mußte deshalb gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abgewiesen werden.

Es erübrigte sich deshalb eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 8. Oktober 1984

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