VwGH 84/07/0265

VwGH84/07/026530.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der X-Kraftwerke AG in Y, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 21, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, betreffend Verletzung der Entscheidungsflicht, zu Recht erkannt:

Normen

BMG 1973 §5 Abs1 Z2;
BMG 1973 §5 Abs1 Z5;
WRG 1959 §100 Abs2;
WRG 1959 §98 Abs6;
BMG 1973 §5 Abs1 Z2;
BMG 1973 §5 Abs1 Z5;
WRG 1959 §100 Abs2;
WRG 1959 §98 Abs6;

 

Spruch:

Für die Entscheidung über den Antrag, das Wasserbauvorhaben Innkraftwerk Oberaudorf-Ebbs als bevorzugten Wasserbau gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 zu erklären, ist allein der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zuständig.

Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 5 VwGG aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht binnen acht Wochen zu erlassen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 8. April 1982, eingelangt bei der belangten Behörde am 27. April 1982, unter Vorlage von Projektsunterlagen den Antrag gestellt, das von ihr bei Fluß-km 211, 345 geplante Inn-Kraftwerk Oberaudorf-Ebbs gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 als bevorzugten Wasserbau zu erklären und weiters das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren einzuleiten und die wasserrechtliche Bewilligung für den Kraftwerksbau zu erteilen. Die belangte Behörde hat in einem Ermittlungsverfahren zu diesem Antrag die Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie sowie für Gesundheit und Umweltschutz, das Amt der Tiroler Landesregierung, die Bezirkshauptmannschaft Kufstein, die berührten Gemeinden, die Kammern für Land- und Forstwirtschaft, der gewerblichen Wirtschaft sowie für Arbeiter und Angestellte für Tirol, den forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenbau sowie die Tiroler Wasserkraftwerke AG angehört. U.a. hat der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie den Antrag auf Bevorzugungserklärung uneingeschränkt befürwortet.

Nachdem die belangte Behörde einen Bescheidentwurf verfaßt hatte, demzufolge das Vorhaben der Beschwerdeführerin als bevorzugter Wasserbau erklärt werden soll, legte sie jenen Entwurf zur Herstellung des Einvernehmens dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie am 8. August 1983 vor. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie blieb in der Folge untätig.

Die Beschwerdeführerin erhob mit Schriftsatz vom 8. August 1984 gemäß Art. 132 B-VG Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, weil die belangte Behörde bisher über ihren Antrag auf Erklärung des Vorhabens als bevorzugter Wasserbau nicht entschieden habe. In dieser Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie habe in seiner Stellungnahme vom 2. August 1982 die energiewirtschaftliche Bedeutung und das volkswirtschaftliche Interesse an der beschleunigten Ausführung des Kraftwerkes Oberaudorf-Ebbs bestätigt und umfassend begründet; das Ermittlungsverfahren sei in Ansehung der beantragten Erklärung zum bevorzugten Wasserbau im August 1983 bis zur Spruchreife gediehen. Die Beschwerdeführerin stellte schließlich den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erklärung des Inn-Kraftwerkes Oberaudorf-Ebbs zum bevorzugten Wasserbau die Sachentscheidung treffen und dieses zum bevorzugten Wasserbau gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 erklären und die belangte Behörde zum Ersatz der Verfahrenskosten verhalten.

Diese Säumnisbeschwerde wurde der belangten Behörde nachweislich am 7. September 1984 mit dem Auftrag zugestellt, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 30. November 1984, beim Verwaltungsgerichtshof am 4. Dezember 1984 eingelangt, hat die belangte Behörde mitgeteilt, daß sie unverzüglich nach Einlangen des Antrages der Beschwerdeführerin vom 4. August 1982 das entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. Dieses sei überwiegend positiv verlaufen, auch das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie habe eine schriftliche positive Stellungnahme abgegeben. Der Bescheidentwurf sei ausgearbeitet, und "vor Genehmigung" dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie übermittelt worden. Dieser Bescheidentwurf sei samt Vorakten am 5. August 1983 abgefertigt worden. Da die Akten nicht zurückgekommen seien, sei nach mehreren fernmündlichen Ersuchen das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie mit Schreiben vom 13. Februar 1984 um ehestmögliche Stellungnahme ersucht worden, welche Gründe einer Unterfertigung des Bescheidentwurfes entgegenstünden. Gleichzeitig sei auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht worden, zusätzlich sogenannte "Richtlinien für die Projektierung" in den Bescheid aufzunehmen, falls dies in irgendeiner Richtung gewünscht werde. Auf den bereits fortgeschrittenen Stand des bayrischen Wasserrechtsverfahrens ist hingewiesen worden. Auch dieses Schreiben sei unbeantwortet geblieben. Am 16. August 1984 sei neuerlich schriftlich dringendst ersucht worden, den Akt über die Bevorzugungserklärung unverzüglich zu unterfertigen oder wenigstens die Verfahrensakten rückzumitteln. Auch auf dieses Schreiben sei keine Reaktion erfolgt. Es wurde in diesem Schreiben, abgesehen von zahlreichen mündlichen und fernmündlichen Urgenzen auf eine Meldung in der Tiroler Presse hingewiesen, daß der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie dem Bürgermeister von Kufstein erklärt habe, keine Stellungnahme im Bevorzugungsverfahren abzugeben. Es sei beabsichtigt, im Hinblick auf die Dringlichkeit - die bayrische Wasserrechtsentscheidung solle noch in diesem Winter ergehen - Ende Jänner/Anfang Februar 1985 die wasserrechtliche Bewilligungsverhandlung gemäß § 100 Abs. 1 lit. d WRG 1959 durchzuführen. Möglicherweise sei dann das Bevorzugungserklärungsverfahren gegenstandslos. Es werde daher der Antrag gestellt, der belangten Behörde eine weitere Frist bis Ende April 1985 zu gewähren. Die Vorlage von einschlägigen Akten sei leider nicht möglich, da sich alle - wie schon erwähnt - beim Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie befänden.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 kann das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Wasserbauten aller Art, deren beschleunigte Ausführungen in besonderem Interesse der österreichischen Volkswirtschaft gelegen ist, als bevorzugte Wasserbauten erklären. Für diese ist mit Ausnahme des Entschädigungsverfahrens (§ 114 Abs. 1) das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft in erster Instanz zuständig.

Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, daß die belangte Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr Wasserbauvorhaben als bevorzugten Wasserbau zu erklären, nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Säumnisbeschwerde ist daher zulässig.

Weiters steht fest, daß die belangte Behörde nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten, die ihr mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1984 gemäß § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG zur Nachholung des versäumten Bescheides gewährt worden ist, entschieden hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat sodann die Vorlage der Akten beim Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie urgiert; dieser hat Akten des Verwaltungsverfahrens am 25. Jänner 1985 vorgelegt.

Die belangte Behörde hat in ihrem Schriftsatz vom 30. November 1984 auch den Antrag gestellt, die dreimonatige Frist bis Ende April 1985 zu verlängern. Diesem Antrag konnte schon deshalb nicht entsprochen werden, da die belangte Behörde nicht das Vorliegen von in der Sache selbst gelegenen Gründen, nämlich in der Prüfung der Voraussetzungen für die Bevorzugungserklärung, nachzuweisen vermochte, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machten. Vielmehr geht aus diesem Schriftsatz hervor, daß die Voraussetzungen für die Erklärung des Vorhabens der Beschwerdeführerin als bevorzugter Wasserbau gegeben seien und die Säumigkeit nur auf die Untätigkeit einer anderen Behörde zurückzuführen ist.

Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 5 VwGG angezeigt, sich zunächst auf die Frage zu beschränken, ob ein Einvernehmen mit dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie bei Erlassung des Bescheides über den Antrag, das Wasserbauvorhaben der Beschwerdeführerin als bevorzugten Wasserbau zu erklären, überhaupt herzustellen ist.

Gemäß § 3 Z. 1 des Bundesministeriengesetzes 1973 haben die Bundesministerien im Rahmen ihres Wirkungsbereiches (§ 2) an der Besorgung der Geschäfte anderer Organe des Bundes und der Länder mitzuwirken, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. haben die Bundesministerien Geschäfte, die den Wirkungsbereich mehrerer Bundesministerien betreffen, soweit bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen zu besorgen:

1. Bei Besorgung eines Geschäftes, das Angelegenheiten mehrerer in den Wirkungsbereich verschiedener Bundesministerien fallender Sachgebiete zum Gegenstand hat, haben die in Betracht kommenden Bundesministerien nach den Grundsätzen des Abs. 2 gemeinsam vorzugehen.

2. Bei Besorgung eines Geschäftes, das Angelegenheiten eines Sachgebietes zum Gegenstand hat, das in den Wirkungsbereich eines Bundesministeriums (zuständiges Bundesministerium) fällt, jedoch Sachgebiete berührt, die in den Wirkungsbereich eines oder mehrerer anderer Bundesministerien (beteiligte Bundesministerien) fallen, hat das zuständige Bundesministerium nach den Grundsätzen des Abs. 3 im Zusammenwirken mit dem oder den beteiligten Bundesministerien vorzugehen. Nach § 5 Abs. 3 leg. cit. hat in den Fällen des Abs. 1 Z. 2 das zuständige Bundesministerium dem oder den beteiligten Bundesministerien Gelegenheit zu einer Äußerung innerhalb einer angemessenen festzusetzenden Frist zu geben. Macht das Geschäft des zuständigen Bundesministeriums jedoch Maßnahmen auf Sachgebieten notwendig, die in den Wirkungsbereich eines beteiligten Bundesministeriums fallen, so hat das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit dem beteiligten Bundesministerium vorzugehen. Kommt dieses Einvernehmen binnen einer angemessenen Frist nicht zustande oder wird es ausdrücklich verweigert, so kann sowohl das zuständige als auch ein beteiligtes Bundesministerium, mit dem das Einvernehmen herzustellen ist, die Angelegenheit der Bundesregierung zur Beratung vorlegen.

Die belangte Behörde hat gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 erster Satz des Bundesministeriengesetzes das beteiligte Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie angehört, das auch zu dem Antrag eine positive Stellungnahme abgegeben hat. Damit hat die belangte Behörde den einschlägigen Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes 1973 entsprochen. Eine abweichende Bestimmung davon enthält das Wasserrechtsgesetz nicht; § 98 Abs. 6 WRG 1959 bezieht sich nicht auf Bescheide gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes "macht das Geschäft", nämlich die Entscheidung über den Antrag, ein Wasserbauvorhaben als bevorzugten Wasserbau gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 zu erklären, keine Maßnahme auf Sachgebieten notwendig, die in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie fallen. Die belangte Behörde ist daher ohne gesetzliche Grundlage davon ausgegangen, daß ein Einvernehmen mit dem zuvor genannten beteiligten Bundesministerium für die von ihr entworfene Entscheidung erforderlich ist. Die belangte Behörde wird daher im fortzusetzenden Verfahren in alleiniger Verantwortung darüber zu entscheiden haben, ob dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben ist oder nicht.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren für Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) war abzuweisen, da eine gesonderte Vergütung hiefür im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Wien, am 30. April 1985

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