VwGH 84/05/0145

VwGH84/05/014516.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde des MW und der GW, beide in W, beide vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Juni 1984, Zl. MDR‑B IX‑6/84, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: HS in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §63 Abs1 litc
BauRallg
EO §367 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1984050145.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 1.380,‑ ‑, zusammen S 2.760,‑ ‑, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Juni 1983, Zl. 46 C 651/81, wurden die Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer auf Grund des Klagebegehrens der mitbeteiligten Partei als Mieterin verpflichtet, „die Einreichpläne zur Herstellung des konsensmäßigen Zustandes zur Errichtung eines Abstellraumes und eines Badezimmers anstelle der Küche der Wohnung top Nr. 8 im Hause Wien, S‑straße 6, gem. Blg. A des Abk. hg. 46 C 749/81 welche hiemit Bestandteil des Urteiles wird, zu unterfertigen“. Der von den Beschwerdeführern gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Urteil vom 30. November 1983 keine Folge.

Die mitbeteiligte Partei suchte in der Folge beim Magistrat der Stadt Wien um die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für den Einbau eines Bades in der genannten Wohnung an. Mit Bescheid vom 14. Februar 1984 erteilte der Magistrat der Stadt Wien die Baubewilligung zur Aufstellung einer Scheidewand und zum Einbau eines Bades. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen. Begründend führte die Behörde im wesentlichen nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Berufungsvorbringens aus, die gemäß § 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien erforderliche Zustimmungserklärung der Grundeigentümer zum Ansuchen um eine Baubewilligung könne auch in Form eines in Rechtskraft erwachsenen gerichtlichen Beschlusses oder Urteiles vorgelegt werden. Gemäß § 367 Abs. 1 EO gelte eine Erklärung, zu der der Verpflichtete nach Inhalt des Exekutionstitels verpflichtet sei, als gegeben, sobald das Urteil bzw. ein gleichzuhaltender Beschluß die Rechtskraft erlangt habe. Dabei mache es, wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1982, Zl. 81/06/0190, ausgesprochen habe, keinen Unterschied aus, ob der Verpflichtete im Titel zu einer Zustimmung oder zu einer Unterfertigung einer Urkunde verpflichtet werde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis weiters ausgeführt habe, ergebe sich trotz der vorliegenden, „nicht ganz glücklichen Fassung des Spruches“ aus diesem eindeutig, daß damit die Eigentümer des Hauses als Antragsgegner verpflichtet worden seien, einer konkreten Bauführung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen bestimmten Plan zuzustimmen. Auch im vorliegenden Fall sei nach der zitierten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, daß das Urteil nicht mehr vollstreckt werden müsse, sondern die Zustimmung der Hauseigentümer bereits als abgegeben anzusehen sei, insbesondere, nachdem klargestellt worden sei, daß bezüglich des konkreten Bauvorhabens die Einreichpläne und die mehrmals zitierte „Beilage A“ des Urteiles des Bezirksgerichtes Innere Stadt bzw. des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien völlig ident seien. Daß dieser Aktenbestandteil allenfalls den Hauseigentümern während des Zivilverfahrens nicht zugestellt worden sei oder sie zu einer Erklärung über diese Urkunde im Sinne des § 298 Abs. 13 BO (richtig wohl: § 298 Abs. 3 ZPO) allenfalls nicht aufgefordert worden seien, sei belanglos, da, wie bereits im Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien ausgeführt worden sei, dieser Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften von den Hauseigentümern gemäß § 196 ZPO gerügt hätte werden müssen, was jedoch unterblieben sei, und weiters, weil nach der zitierten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine Vollstreckung des Urteiles gar nicht mehr erforderlich sei. Der von den Beschwerdeführern ergänzend vorgebrachten Unterstellung, die Mitbeteiligte habe allenfalls an der Beilage A nach Rücklangen des Planes vom Gericht irgendwelche Änderungen vorgenommen, könne sich die belangte Behörde nicht anschließen, da die „Beilage A“ keine Zeichen von Manipulationen aufweise und auch sonst keine Anzeichen dafür vorlägen, daß eine Abänderung erfolgt sei. Der Einwand, der Einreichplan stimme nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein, gehe ins Leere, da Gegenstand der Baubewilligung nur das eingereichte Projekt sei und nicht die tatsächliche Ausführung. Daß das gegenständliche Bestandsobjekt Nr. 8 im ersten Zwischengeschoß des Hauses als Wohnung gewidmet sei, jedoch zur gewerblichen Nutzung verwendet werde, sei im gegenständlichen Verfahren ohne jeglichen Belang, Gegenstand des Ansuchens und somit der Baubewilligung sei die Errichtung eines Bades, nicht die Umwidmung einer Wohnung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien hat der Bauwerber dem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist, anzuschließen.

Die nach dieser Gesetzesstelle als Beleg notwendigerweise dem Bauansuchen anzuschließende liquide Zustimmung der Grundeigentümer kann auch durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil (oder einen gleichzuhaltenden rechtskräftigen Gerichtsbeschluß) ersetzt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem (zur vergleichbaren Rechtslage nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ergangenen) Erkenntnis vom 1. Juli 1982, Zl. 81/06/0190, ausgesprochen hat, gilt gemäß § 367 Abs. 1 EO die Zustimmungserklärung, zu der die Eigentümer nach dem Exekutionstitel verpflichtet sind, als abgegeben, sobald das Urteil (bzw. ein gleichzuhaltender Gerichtsbeschluß) Rechtskraft erlangt hat. Dabei macht es auch keinen Unterschied aus, ob der Verpflichtete im Titel zu einer Zustimmung oder zu einer Unterfertigung einer Urkunde verpflichtet wird. In der Regel wird daher die Unterfertigung im Sinne des § 367 Abs. 1 EO als geschehen zu erachten sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Erklärung an den aus dem Exekutionstitel Berechtigten oder an einen Dritten, etwa an eine Behörde, zu richten ist. Im Sinne dieses Erkenntnisses, von dem abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung sieht, liegt mit der Rechtskraft des die Zustimmung der Grundeigentümer ersetzenden Urteiles (bzw. eines gleichzuhaltenden Gerichtsbeschlusses) die erforderliche Zustimmungserklärung vor, sodaß es keiner weiteren Ausstellung einer Zustimmungsurkunde oder einer Unterfertigung der Baupläne durch die verpflichteten Grundeigentümer mehr bedarf. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer erfordert ein solches Urteil (bzw. ein gleichzuhaltender Gerichtsbeschluß) somit keine weitere Vollstreckung mehr.

Wird die fehlende Zustimmung der Eigentümer durch ein Gerichtsurteil (oder einen gleichzuhaltenden Gerichtsbeschluß) ersetzt, so kann die Baubewilligung nur für die Baupläne erteilt werden, auf die sich das Urteil (bzw. der Beschluß) des Gerichtes bezieht (siehe dazu das obzitierte Erkenntnis sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1954, Slg. N. F. Nr. 3.513/A).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden die Beschwerdeführer als Grundeigentümer verpflichtet, „die Einreichpläne zur Errichtung eines Abstellraumes und eines Badezimmers anstelle der Küche“ einer näher bezeichneten Wohnung „gem. Blg. A des Abk. hg. 46 C 749/81 welche hiemit Bestandteil des Urteiles wird, zu unterfertigen“. Diesen Spruch erhielt das Berufungsgericht durch die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer aufrecht. Mit dieser Formulierung des Urteilspruches ist auf dem Boden der oben dargestellten Rechtslage hinreichend klargestellt, daß mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteiles des Berufungsgerichtes die Zustimmung der Beschwerdeführer ‑ ohne daß es noch irgendeiner Vollstreckungshandlung bedurft hätte ‑ zu dem im konkret angeführten Bauplan dargestellten Bauvorhaben liquid vorgelegen ist.

Die Beschwerdeführer versuchen nun in zweifacher Hinsicht die Rechtswirksamkeit dieses Exekutionstitels in Zweifel zu ziehen. Zunächst vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, auf Grund der Formulierung des erstinstanzlichen Urteiles, daß der als Beilage A bezeichnete Plan einen „Bestandteil des Urteiles“ bildet und im Hinblick auf den Umstand, daß ihnen dieser Plan nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil zugestellt worden sei, sei ihnen das Urteil nicht rechtswirksam zugestellt worden. Zweitens meinen die Beschwerdeführer, es sei nicht erwiesen, daß der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Plan identisch sei mit dem Plan, auf den sich das Gerichtsurteil beziehe.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß sich die Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörden ‑ und auch für den Verwaltungsgerichtshof ‑ nicht unmittelbar aus dem erstinstanzlichen Gerichtsurteil, sondern vielmehr aus dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Berufungsgerichtes ergibt, welches durch die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer den Spruch der ersten Instanz aufrechterhalten hat. Die Beschwerdeführer haben selbst weder die ordnungsgemäße Zustellung des Gerichtsurteiles zweiter Instanz noch die Rechtskraft dieses Urteiles bestritten. Im Hinblick auf die eingetretene Rechtskraft des zweitinstanzlichen Gerichtsurteiles, in dem das Berufungsgericht von einer ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Urteiles ausgegangen ist und in der Sache entschieden hat, ist es den Verwaltungsbehörden ‑ und nunmehr auch dem Verwaltungsgerichtshof ‑ verwehrt gewesen, die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Urteiles selbständig neu zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auch entscheidend, daß der als Beilage A bezeichnete Plan betreffend das Bauvorhaben der nunmehr mitbeteiligten Partei nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes den Beschwerdeführern bekannt sein mußte. In den in dieser Hinsicht von den Beschwerdeführern unbestrittenen Entscheidungsgründen des Berufungsurteiles wird nämlich zur Rüge der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe die Beilage A des Aktes hg. 46 C 749/81 nicht geprüft, entgegengehalten, „daß diese Urkunde sowohl in der in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. 4. 1982 vorgetragenen Klage erwähnt als auch von der beklagten Partei“ ‑ als solche wurde im Urteil die nunmehrige Mitbeteiligte bezeichnet ‑ „dem Gericht vorgelegt wurde“. Im Hinblick auf die im rechtskräftigen Urteil des Berufungsgerichtes festgestellte Kenntnis der Beschwerdeführer von dem dem Erstgericht vorgelegten Plan muß davon ausgegangen werden, daß den Beschwerdeführern der Inhalt dieses Planes bekannt war. Aus diesem Grund kann keine Rede davon sein, den Beschwerdeführern sei der Inhalt des Urteilsspruches unklar geblieben.

Die Identität des den Zivilgerichten vorgelegten und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemachten Planes bestritten die Beschwerdeführer lediglich damit, daß dieser ausgetauscht oder verändert worden sein könnte, ohne konkret auszuführen, worin die mögliche Verschiedenheit liegen sollte. Aus diesem Grunde vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie von der Identität des im verwaltungsbehördlichen Verfahren von der Mitbeteiligten vorgelegten Planes mit dem Plan ausgegangen ist, auf den sich die Entscheidung der Zivilgerichte bezogen hat.

Da es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektsbewilligungsverfahren handelt und Gegenstand des Verfahrens lediglich die Errichtung eines Vorraumes und eines Bades anstelle einer Küche, nicht aber die Änderung der Widmung der Wohnung in einen Beherbergungsbetrieb gewesen ist, ist es den Baubehörden verwehrt gewesen, in diesem Verfahren über die Frage der widmungsgemäßen Verwendung der Wohnung zu entscheiden. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer geht daher ins Leere.

Da die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dartun konnten, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 16. Juni 1987

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte