VwGH 84/05/0029

VwGH84/05/002928.11.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Honsig-Erlenburg, über die Beschwerde der RG in G, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1983, Zl. II/2-V-8375, betreffend Feststellung der Öffentlichkeit eines Weges (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
LStG NÖ 1979 §1 Abs2;
LStG NÖ 1979 §2;
LStG NÖ 1979 §3 Abs1 Z3;
LStG NÖ 1979 §32 Abs7 Z2;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;
AVG §8;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
LStG NÖ 1979 §1 Abs2;
LStG NÖ 1979 §2;
LStG NÖ 1979 §3 Abs1 Z3;
LStG NÖ 1979 §32 Abs7 Z2;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der in der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz gelegenen Grundstücke Nr. n1 und n2 der KG X, über welche der im übrigen sonst auf dem Gebiet der Marktgemeinde Gaming verlaufende sogenannte Tormäuerweg führt. Dieser in den Jahren nach 1934 von einem Fußgängerweg zu einer befahrbaren Straße ausgebaute Weg schließt im Westen beim Haus S an die Landesstraße 6171 an. Diese Landesstraße führt in Richtung Nordwesten über Urmannsau nach Kienberg. In Urmannsau mündet die Landesstraße 6172 ein, die ihrerseits in Richtung Westen über Filzmoos nach Gaming, dem Sitz der gleichnamigen Marktgemeinde, führt. Der sogenannte Tormäuerweg beginnt, wie bereits erwähnt, beim Hause S und führt in Richtung Osten im Gebiet der Marktgemeinde Gaming am linken Ufer der Erlauf etwa zum Gasthaus G. Danach quert die Straße auf der Falkensteinerbrücke die Erlauf und führt am rechten Ufer der Erlauf im Gebiet der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz über die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden angeführten Grundstücke. Danach quert die Verkehrsverbindung wieder auf der Samerbrücke - zum Teil in den Akten als Sommerstegbrücke bezeichnet - die Erlauf. Südlich der Erlauf führt die sogenannte Nestelbergstraße im Gebiet der Marktgemeinde Gaming weiter durch den Nestelberggraben (Pfanngraben) entlang des Nestelbergbaches (Pfannbaches) Richtung Süden. Dort führt die Straße über den Sieglgrund weiter nach Nestelbergsäge. Von dort bestand zum Zeitpunkt der Erlassung des noch darzustellenden erstinstanzlichen Feststellungsbescheides die einzige Straßenverbindung über Gsoll zur Rotte Nestelberg, welche zur Marktgemeinde Gaming gehört. (In der Zwischenzeit wurde eine neue Straße vom Sieglgrund nach Nestelberg errichtet.) Von der Nestelbergsäge führt die Straße weiter bis zum Raneck, wo sie an eine Gemeindestraße nach Lackenhof anschließt. Von diesem ebenfalls zur Marktgemeinde gehörenden Ort führt die Landeshauptstraße 108 zur Bundesstraße 71, welche in die Bundesstraße 25 mündet. Auf letzterer ist sodann der Ort Gaming zu erreichen.

Die Länge der Straßenverbindung von Gaming über den über die Grundstücke der Beschwerdeführerin verlaufenden Tormäuerweg, die daran anschließende Nestelbergstraße über Gsoll beträgt nach den Karten 1:25000 und 1:50000 des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen rund 18 km (nunmehr nach Errichtung der Straße über den Sieglgrund rund 16,5 km), während die Straßenverbindung von Nestelberg über Gsoll und Lackenhof nach Gaming eine Länge von rund 27,5 km (nunmehr über die neue Straße rund 28 km) aufweist.

Mit Kundmachung vom 11. Jänner 1983 beraumte der Bürgermeister der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz eine mündliche Verhandlung für den 27. Jänner 1983 zur Feststellung an, ob dem Teilstück des Tormäuerweges ab der Falkensteinerbrücke bis zum Samersteg (Sommerstegbrücke) und diesen Brückenbauwerken die Merkmale der Öffentlichkeit im Sinne des § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes zukommen.

Die unter Hinweis auf die Rechtsfolgen gemäß § 42 AVG 1950 zur Verhandlung geladene Beschwerdeführerin sprach sich bei dieser Verhandlung gegen die Feststellung der Öffentlichkeit des genannten, über ihre Grundstücke verlaufenden Straßenstückes des Tormäuerweges aus.

Mit Bescheid vom 4. Februar 1983 stellte der Bürgermeister der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz gemäß § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, fest, daß die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Parzellen Nr. n1 und n2, KG X, über welche der sogenannte "Tormäuerweg" führt, im Bereich dieser Verkehrsfläche die Merkmale einer "öffentlichen Straße" besitzen, welche seit über 30 Jahren allen Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahrzeug-, Reit-, Radfahr- und Fußgängerverkehr) diene, und erkannte gleichzeitig einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung ab. Zur Begründung führte die Straßenbehörde erster Instanz im wesentlichen an, der sogenannte Tormäuerweg stelle seiner Rechtsnatur nach eine "Konkurrenzstraße" dar, welche beim Haus S (Kleinschlag) an die Landesstraße 6172 anschließe und bis zu der im Eigentum der Österreichischen Bundesforste stehenden "Nestelbergstraße" führe. Aus den in der mündlichen Verhandlung am 27. Jänner 1983 vorgelegten Unterlagen über das Entstehen und die Benützung dieser Straße gehe hervor, daß die Planung für den Straßenausbau bereits aus dem Jahre 1935 stamme und der Ausbau damals vom sogenannten "Freiwilligen Arbeitsdienst" ausgeführt werden sollte. Einer mit 31. Juli 1935 datierten Niederschrift sei zu entnehmen, daß dem Bauausschuß dieses Güterwegbaues, der über die Festsetzung der Interessentenleistungen zu bestimmen hatte, auch ein JE angehört habe, der damals Eigentümer des Gutes F, dessen Rechtsnachfolger die Beschwerdeführerin ist, gewesen sei. Der Genannte habe diese Niederschrift eigenhändig unterfertigt. Aus der Abschrift eines Schreibens des Amtes der NÖ Landesregierung vom 8. Juli 1935 gehe hervor, daß die damaligen Interessenten die "kostenlose und lastenfreie" Abtretung des für den Güterweg Urmannsau-Nestelberg erforderlichen Grundes beschlossen hätten. Der Ausbau dieses Güterweges, des heutigen Tormäuerweges, sei im Bereich der gegenständlichen Grundstücke vom Reichsarbeitsdienst in den Kriegsjahren vorgenommen worden. Von sämtlichen bei der Verhandlung am 27. Jänner 1983 anwesenden Personen, insbesondere den Vertretern der Gemeinde Gaming, der Österreichischen Bundesforste und der Landesstraßenverwaltung (Straßenmeisterei Gaming), sei übereinstimmend und unbestritten erklärt worden, daß diese Konkurrenzstraße vor allem als Zufahrtsstraße zur Ortschaft Nestelberg seit ihrer Errichtung durch den Reichsarbeitsdienst mit allen Arten von Fahrzeugen befahren worden sei, ohne daß von den Grundeigentümern jemals die Benützung der Straße für bestimmte Arten des Verkehrs oder bestimmten Personen gegenüber untersagt worden wäre. Derzeit bestehe auf Grund der Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 11. Juni 1970 bzw. vom 12. Mai 1982 für die gegenständliche Konkurrenzstraße ein "Fahrverbot für Autobusse". Da von der Behörde derartige Verordnungen nur auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, d.h. solchen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, erlassen werden dürfen (§ 2 Abs. 1 StVO 1960), ergebe sich schon daraus, daß die Verkehrsfläche als "öffentlich" im Sinne der Straßenverkehrsordnung zu qualifizieren sei. Aus einem im Akt erliegenden Bescheid der NÖ Landesregierung vom 20. Oktober 1952 gehe hervor, daß die Gemeinde Gaming an die NÖ Landesregierung den Antrag auf Änderung der im Jahre 1916 zur Erhaltung des von Trübenbach längs der Großen Erlauf zur Bezirksstraße führenden öffentlichen Fußweges (Tormäuer) festgesetzten Konkurrenz gestellt habe. Im Bescheid sei auf der Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 1 lit. c des Landesstraßengesetzes für Niederösterreich in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 63/1911 die vom seinerzeitigen Ausschuß des Erzherzogtums Österreich unter der Enns festgesetzte Erhaltungskonkurrenz für diese Verkehrsfläche aufgehoben und gleichzeitig eine Konkurrenz für die Erhaltung des Teilstückes des Tormäuerweges, beginnend von Trübenbach bis zum Försterhaus S, festgesetzt worden. Die Festsetzung der prozentuellen Anteile dieser Konkurrenz sei unter der Voraussetzung erfolgt, daß die Österreichischen Bundesforste das von ihnen als Straße ausgebaute Teilstück des Weges vom Försterhaus S bis zur Einmündung des Nestelbergbaches (Pfannbaches) in die Erlauf, einschließlich der im Zuge dieser Straße befindlichen Brücken, auf ihre Kosten erhalten und das Begehen und Befahren für jedermann ohne Entschädigung gestatten. Aus der Begründung dieses Bescheides ergebe sich, daß der Tormäuerweg vom Försterhaus S bis zur Einmündung des Nestelbergbaches (Pfannbaches) in die Erlauf seinerzeit vom Freiwilligen Arbeitsdienst und dann von den Österreichischen Bundesforsten ausgebaut worden sei. Die in diesem Bescheid enthaltenen Ausführungen über die Rechtsnatur und die Entstehung der Wegeanlage stimmten vollinhaltlich mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 22. (richtig wohl: 27. Jänner 1983) bzw. den von den Verhandlungsteilnehmern gemachten Aussagen überein. Vor allem der Vertreter der Österreichischen Bundesforste habe in dieser Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die im Zuge des Tormäuerweges befindlichen, im Eigentum der Österreichischen Bundesforste stehenden Grundflächen von jedermann ohne besondere Bewilligung der Österreichischen Bundesforste mit allen Arten von Fahrzeugen befahren werden konnten. Vorübergehende Sperren seien lediglich zum Zwecke der Holzbringung im Einvernehmen mit der Gemeinde Gaming erfolgt. Aus dieser Erklärung ergebe sich im Zusammenhang mit dem Spruch des Bescheides vom 20. Oktober 1952, in welchem die Festsetzung der Beiträge zu dieser Konkurrenz unter der Voraussetzung, daß die Österreichischen Bundesforste das Begehen und Befahren dieses Wegstückes für jedermann ohne Entschädigung gestatten, erfolgt sei, daß diese Konkurrenzstraße jedenfalls seit dem Jahre 1952 das Merkmal der Öffentlichkeit aufweise. Auf Grund des Ergebnisses der örtlichen Verhandlung vom 27. Jänner 1983 und der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens aufgenommenen Beweise seien daher über die Frage der Merkmale der "Öffentlichkeit der Tormäuerstraße" hinsichtlich der im Zuge dieser Straße gelegenen, im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke wie auch hinsichtlich der Arten des öffentlichen Verkehrs die im Spruche dieses Bescheides enthaltenen Feststellungen zu treffen gewesen. Da der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz gegenüber am 31. Jänner 1983 vorgebracht habe, daß die Absicht bestehe, diese Straße für den öffentlichen Verkehr zu sperren bzw. ein Befahren nur den Anrainern zu erlauben, sei mit Rücksicht darauf, daß diese Verkehrsfläche den derzeit wichtigsten Zufahrtsweg zur Ortschaft Nestelberg und zum Parkplatz Eibenboden des Naturparkes Ötscher-Tormäuer darstelle, die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles dringend geboten, weswegen die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung auszuschließen gewesen sei.

Der Gemeinderat der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz gab mit dem auf Grund des Sitzungsbeschlusses vom 8. April 1983 ausgefertigten Bescheid vom 11. April 1983 der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der sogenannte "Tormäuerweg", der beim Haus S (Kleinschlag) an die Landesstraße 6172 anschließe und bis zu der im Eigentum der Österreichischen Bundesforste stehenden "Nestelbergstraße" führe, und somit auch die im Zuge dieser Verkehrsfläche liegenden, im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Parzellen n1 und n2 der KG X die Merkmale einer öffentlichen Straße im Sinne des § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes besitze, welche seit über 30 Jahren allen Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahrzeug-, Reit-, Radfahr- und Fußgeherverkehr) diene.

In der Begründung führte die Berufungsbehörde nach einer Zusammenfassung des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, als älteste Unterlage einer behördlichen Behandlung dieser Straße liege ein Kommissionsprotokoll vom 13. Dezember 1911 über die Erhaltung des "Tormäuerweges", aufgenommen von den Bezirksstraßenausschüssen Gaming und Scheibbs vor. Darin werde festgestellt, daß der "jahrhundertelang bestehende Weg bisher ohne Anstand seitens der Gemeindeeigentümer und allgemein benützt wurde". Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Kommissionsprotokolles sei das Gesetz vom 19. März 1911, L.G. u. V.Bl. Nr. 20, betreffend die Herstellung und Erhaltung der öffentlichen nicht ärarischen Straßen und Wege, in der Fassung der Novelle vom 19. März 1911, L.G. u. V.Bl. Nr. 63, in Geltung gestanden. Aus § 3 letzter Absatz, § 10 und § 15 lit. c dieses Gesetzes gehe hervor, daß die Bildung einer "Wegekonkurrenz" rechtlich nur dort zulässig gewesen sei, wo es sich um einen im Sinne des Landesstraßengesetzes "öffentlichen" Weg gehandelt habe. Aus einer Verfügung der Landeshauptmannschaft für Niederösterreich vom 13. Juli 1934, die an die damalige Gemeindeverwaltung Gaming ergangen sei, gehe hervor, daß die auf der Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 6 des zitierten Landesstraßengesetzes getroffene "Konkurrenz" noch zu Recht bestehe und daher auch die Erhaltung des Tormäuerweges nach dem von der Landeshauptmannschaft festgelegten Schlüssel bis zur Aufhebung noch weiter bestehe. Die Landeshauptmannschaft Niederösterreich habe mit einem Schreiben aus dem Jahre 1935 dem Gemeinderat Gaming mitgeteilt, daß anläßlich der am 4. Juli 1935 stattgefundenen Interessentenverhandlung unter der Leitung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft und des Landesamtes II/3 für den Güterwegbau Urmannsau-Nestelberg u.a. folgende Interessentenleistungen festgelegt worden seien:

"Die kostenlose und lastenfreie Abtretung des Grundes." In einem Schreiben dieses Landesamtes an den Gemeinderat Gaming vom 5. August 1935 werde darauf hingewiesen, daß die Baueinteilung für den Güterweg Urmannsau-Nestelberg Mitte August 1935 erfolgen werde. Die Straße sei bereits an Ort und Stelle ausgesteckt und durch Pflöcke gekennzeichnet worden. Der tatsächliche und endgültige Ausbau des Güterweges, des heutigen Tormäuerweges, sei jedoch erst durch den Reichsarbeitsdienst in den Kriegsjahren erfolgt. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1952 habe das Amt der NÖ Landesregierung gemäß § 15 Abs. 1 lit. c des Landesstraßengesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 63/1911 auf Antrag der Gemeinde Gaming die vom seinerzeitigen Landesausschuß des Erzherzogtums Österreich unter der Enns vom 10. Oktober 1916 erlaßmäßig festgesetzte "Konkurrenz" des Tormäuerweges aufgehoben und gleichzeitig eine Konkurrenz für die Erhaltung des Teilstückes des Tormäuerweges, beginnend von Trübenbach (Ortsgemeinde Gaming) bis zum Försterhaus S, festgesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Bescheides sei die Bedingung gewesen, daß die Österreichischen Bundesforste das von ihnen als Straße ausgebaute Teilstück des Weges vom Försterhaus S bis zur Einmündung des Nestelbergbaches (Pfannbaches) in die Erlauf einschließlich der im Zuge dieser Straße befindlichen zwei Brücken auf ihre Kosten erhalten und das Begehen und Befahren dieses Wegstückes für "jedermann ohne Entschädigung" zu gestatten haben. Auf Grund dieser Darlegung stehe eindeutig fest, daß für die Erhaltung des sogenannten "Tormäuerweges" jedenfalls nachweisbar seit dem Jahre 1916 eine auf der Rechtsgrundlage der §§ 10 und 15 des Landesstraßengesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 63/1911 vom Landesausschuß festgestellte "Konkurrenz" bestanden habe. Eine solche Feststellung habe nach der zwingenden Rechtslage dieses Gesetzes nur bei "öffentlichen (Gemeinde) Wegen, Stegen und Brücken jeder Art" getroffen werden können. Diese Konkurrenz sei mit dem vorstehend zitierten Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung vom 20. Oktober 1952 abgeändert worden. Die Beschwerdeführerin wolle nunmehr vor allem aus dem Umstand, daß hinsichtlich der Erhaltung der Tormäuerstraße vom Haus S bis zum Raneck zwischen den "Interessenten und Benützern" 1967 ein Erhaltungsübereinkommen abgeschlossen worden sei, ableiten, daß es sich hiebei um einen "privatrechtlichen Vertrag" gehandelt habe, der ohne Rücksicht auf den Bestand des vorzitierten rechtskräftigen Bescheides des Amtes der NÖ Landesregierung zustande gekommen sei und daher dem Gesetz nach zu Unrecht bestehe. Dies werde damit begründet, daß ein Verfahren zur Feststellung der Merkmale der Öffentlichkeit niemals durchgeführt worden sei, weswegen es sich bei diesem Straßenzug nach Auffassung der Beschwerdeführerin zweifellos um eine Privatstraße handle. Dies habe ihrer Auffassung nach zur Folge, daß § 23 des NÖ Landesstraßengesetzes auf diesen Straßenzug nicht anwendbar sei. Die Beschwerdeführerin unterliege diesbezüglich einem Rechtsirrtum. Die Festsetzung von Beitragsgemeinschaften (Konkurrenzen, die der Herstellung und Erhaltung von öffentlichen Straßen und Privatstraßen, die als öffentliche Straßen gelten, dienen) obliege auf Grund der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962 ab dem 31. Dezember 1965 hinsichtlich aller Straßen, die als Gemeindestraßen gelten (vgl. § 3 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes), den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich. Das Übereinkommen aus dem Jahre 1967 sei als ein im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gesetzter behördlicher Akt (gütliches Übereinkommen) im Rahmen der den Gemeinden übertragenen Kompetenz nach § 32 Abs. 2 Z. 4 der NÖ Gemeindeordnung, LGBl. 1000-0, zu werten, und finde seine Rechtsgrundlage im § 23 des NÖ Landesstraßengesetzes. Derartige Rechtsakte könnten jedenfalls nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur im Falle von "öffentlichen Straßen" oder von Privatstraßen, die als öffentliche Straßen gelten, gesetzt werden. Aus der Darlegung der historischen Rechtsentwicklung des "Tormäuerweges" ergebe sich daher, daß alle Rechtsakte der damit befaßten Behörden (Landesausschuß, Landesregierung, Gemeinde) öffentlich-rechtlicher Natur gewesen und auf der Grundlage von Bestimmungen erlassen worden seien, die die "Öffentlichkeit der Straße" vorausgesetzt hätten. Die Beschwerdeführerin gehe aber auch in der Annahme fehl, daß einer Privatstraße die Merkmale der Öffentlichkeit nur dann zukommen könnten, wenn dafür eine behördliche Entscheidung vorliege. § 2 Abs. 1 des NÖ Landesstraßengesetzes normiere, daß "eine Privatstraße" als öffentliche Straße gelte, wenn sie mindestens 30 Jahre lang ununterbrochen von jedermann ohne ausdrückliche Bewilligung zur Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses benützt werde. Das Gesetz gehe hiebei von einer zugegebenermaßen widerlegbaren Rechtsvermutung, nämlich der mindestens 30-jährigen ununterbrochenen Benutzung durch jedermann, aus. Lägen die Voraussetzungen dieser Rechtsvermutung vor, so gelte eben eine Privatstraße als öffentlich, ohne daß es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfte. Nur für den Fall, daß die Voraussetzungen der Öffentlichkeit bestritten würden, habe nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Behördenentscheidung darüber zu erfolgen. Daß der Tormäuerweg seit eh und je ohne ausdrückliche Bewilligung von jedermann habe benutzt werden können, sei unbestritten. Sowohl der Vertreter der Österreichischen Bundesforste als auch der Vertreter der Beschwerdeführerin hätten in der mündlichen Verhandlung vom 27. Jänner 1983 auf Befragen durch den Verhandlungsleiter erklärt, daß für die Straßenbenützung (auch für das Befahren) niemand eine besondere Bewilligung benötigt habe und auch niemandem das Befahren verweigert worden sei. Daß die Tormäuerstraße seit ihrer Errichtung durch den Reichsarbeitsdienst in den Kriegsjahren die wichtigste Zufahrtsstraße zur Ortschaft Nestelberg (Arzt, Tierarzt, Besucher, Ausflugsverkehr und dgl.) dargestellt habe, sei eine offenkundige Tatsache und als solche auch allgemein in den Gemeinden Gaming und St. Anton bekannt, sodaß dieser Umstand gemäß § 45 Abs. 1 AVG keines besonderen Beweises bedurft habe. Es sei daher auch keineswegs notwendig gewesen, hiefür "Gedenkmänner" einzuvernehmen. Daß die Benützung des Tormäuerweges der "Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses" diene, gehe einerseits daraus hervor, daß dieser Weg die Funktion einer Schulbusstrecke besessen habe und auch gegenwärtig noch der Beförderung der schulpflichtigen Kinder von Nestelberg in die Pflichtschulen in Gaming diene, anderseits aber auch daraus, daß die Bevölkerung Nestelbergs bei Fahrten in den Zentralort Gaming und auch für den Berufsverkehr überwiegend diese Straße benütze, die auch im Winter bevorzugt (im Verhältnis zur Raneckstraße) geräumt werde. Aus der Darlegung der rechtshistorischen Entwicklung dieser Straße, aber auch aus der Tatsache ihrer Benützung, und zwar sowohl hinsichtlich der Zeitdauer als auch der Benützungsart, und der Benützungsnotwendigkeit (Befriedigung des notwendigen Verkehrsbedürfnisses) ergebe sich daher, daß die Nestelbergstraße (richtig wohl: der Tormäuerweg) die im § 2 Abs. 1 des NÖ Landsstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, normierten Voraussetzungen der Öffentlichkeit besitze, sodaß dieser Privatstraße die Merkmale der Öffentlichkeit zukämen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1983 die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Nach kurzer Wiedergabe des Inhaltes der bisher von den Gemeindeinstanzen erlassenen Bescheide führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, auf Grund des auch zusätzlich von der Vorstellungsbehörde erhobenen Sachverhaltes seien folgende Überlegungen anzustellen: Das gegenständliche Straßenstück sei einerseits ein Teil des seit Jahrhunderten bestehenden Tormäuerweges, anderseits bilde es die kürzeste Verbindung zwischen dem Ortszentrum von Gaming und der zu dieser Gemeinde gehörenden Rotte Nestelberg. So sei dieser Weg bereits in der Alpenvereinskarte aus dem Jahre 1941 von Freytag und Berndt als Weg ausgewiesen. In der Vergangenheit sei die freie Benützbarkeit nie strittig gewesen. Aus dem Akteninhalt seien lediglich Verkehrsbeschränkungen allgemeiner Art (Gewichtsbeschränkung, Fahrverbot für Autobusse und dgl.) bekannt. Weiters sei einwandfrei ersichtlich, daß der frühere Weg und nach dessen Ausbau die nunmehrige Straße immer als öffentlich behandelt und jeweils nur die Rechtsvorschriften angewendet worden seien, die für öffentliche Straßen vorgesehen sind. In dieser Richtung sei auch ein Schreiben der NÖ Landesregierung aus dem Jahre 1935 zu verstehen, das die unentgeltliche Abtretung der für den Ausbau nötigen Grundflächen verlangt habe. Aus der Tatsache, daß die Grundstücke, über welche der verfahrensgegenständliche Teil des Tormäuerweges führe, im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden, könne jedoch nicht geschlossen werden, daß dem sogenannten Tormäuerweg die Merkmale der Öffentlichkeit nicht zukämen; es sei vielmehr amtsbekannt, daß eine Unzahl von Straßen derzeit noch grundbücherlich im Eigentum von Privaten stünden, ohne daß deshalb diesen Straßenzügen die Merkmale der Öffentlichkeit fehlten. Damit seien auch die Behauptungen der Beschwerdeführerin widerlegt, die Straßenkonkurrenzen für das gegenständliche Straßenstück seien rechtswidrigerweise gebildet worden. Diese Meinung werde durch den Gesetzeswortlaut im Zusammenhang mit dem Akteninhalt widerlegt. Das NÖ Landesstraßengesetz (§ 2 Abs. 1) spreche ausdrücklich davon, daß eine Privatstraße unter bestimmten Voraussetzungen als öffentliche Straße gelte, d.h. mit anderen Worten, eine im bücherlichen Eigentum eines einzelnen stehende Straße habe unter bestimmten Voraussetzungen die Vermutung der Öffentlichkeit für sich. Wenn daher, wie im vorliegenden Fall, für diesen noch im bücherlichen Eigentum stehenden Straßenzug bereits im Jahre 1911 Beitragsgemeinschaften zur Erhaltung gegründet worden seien, so spreche auch diese Tatsache für die Öffentlichkeit, niemals könne jedoch daraus das Gegenteil abgeleitet werden. Hiezu komme die Tatsache des Ausbaues im Jahre 1935 bzw. in den Kriegsjahren durch den Reichsarbeitsdienst und die unbestritten ungehinderte Benützung für alle Arten des Verkehrs seit dieser Zeit, eingeschränkt lediglich durch Verkehrsverbote allgemeiner Art der zuständigen Straßenpolizeibehörde, deren Zuständigkeit wiederum den Anschein der Öffentlichkeit voraussetze, um rechtswirksame Verkehrsbeschränkungen erlassen zu können, denn für die Erlassung von Verkehrsverboten auf Privatstraßen bestehe im Rahmen der Straßenverkehrsordnung 1960 keine Zuständigkeit der Straßenpolizeibehörde. Die Einwände der Beschwerdeführerin, es seien keine Zeugen (Gedenkmänner) vernommen worden, habe deshalb unberücksichtigt bleiben können, weil durch den gesamten Akteninhalt die Tatsache der mindestens 30-jährigen Benützung durch einen unbeschränkten Personenkreis zur Befriedigung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses einwandfrei erwiesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auf hg. Aufforderung legten die belangte Behörde, die Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz und die Marktgemeinde Gaming weitere Aktenteile, Pläne und Stellungnahmen zur Beschwerde vor.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 2 des NÖ Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen dienenden Flächen (Straßen und Wege), die dem öffentlichen Verkehr ausdrücklich gewidmet worden sind. Alle sonstigen Straßen sind Privatstraßen. Als öffentliche Straßen gelten Privatstraßen dann, wenn ihnen gemäß § 2 Abs. 2 die Merkmale der Öffentlichkeit zukommen. Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. gilt eine Privatstraße als öffentliche Straße, wenn sie mindestens 30 Jahre lange ununterbrochen von jedermann ohne ausdrückliche Bewilligung zur Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses benützt wird. Zufolge des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle entscheidet über die Frage, ob einer Privatstraße (Brücke, Straßenbauwerk) die Merkmale der Öffentlichkeit zukommen, auf Begehren eines Beteiligten oder von Amts wegen die Behörde auf Grund einer örtlichen Verhandlung. Nach dem Abs. 3 dieses Paragraphen ist in dem gemäß Abs. 2 zu erlassenden Bescheid festzustellen, für welche Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahrzeug-, Reit-, Radfahr-, Fußgeherverkehr) die Straße dient. Beteiligte, die privatrechtliche Einwendungen erhoben haben, sind auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen, sofern hierüber ein gütliches Übereinkommen nicht erzielt werden konnte. Zufolge § 32 Abs. 7 Z. 2 ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes, unbeschadet der darin enthaltenen Sonderregelungen hinsichtlich der im § 3 Abs. 1 Z. 3 genannten Straßen (das sind die "Gemeindestraßen") in erster Instanz der Bürgermeister, in Städten mit eigenem Statut der Magistrat; und in zweiter Instanz der Gemeinderat bzw. der Stadtsenat.

Aus § 2 Abs. 1 leg. cit. ergibt sich, daß für eine Feststellung im Sinne des § 2 Abs. 2 des NÖ Landesstraßengesetzes, daß eine Privatstraße eine öffentliche Straße im Sinne des öffentlichen Wegerechtes ist, folgende Voraussetzungen vorliegen müssen:

Erstens muß die Straße dem allgemeinen Verkehr dienen, d. h. die Straße muß im Gemeingebrauch stehen. Als Gemeingebrauch ist die Benützung einer Straße durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten zu verstehen. Der Gemeingebrauch an einer Straße kann alle Arten des Verkehrs oder nur bestimmte Arten des Verkehrs erfassen. Zweitens muß der Gemeingebrauch durch mindestens 30 Jahre (zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Feststellungsbescheides) ununterbrochen gedauert haben. (Eine spätere Hinderung des Gemeingebrauches durch den Eigentümer des Straßengrundes bewirkt nicht, daß der Straße die Eigenschaft "öffentliche Straße" wieder verloren ginge.)

Drittens muß der Gemeingebrauch unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten (des Eigentümers) während der gesamten genannten Zeit bestanden haben.

Viertens muß die Benützung der Straße zur Befriedigung eines (auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrechten) notwendigen Verkehrsbedürfnisses erfolgen. Letzteres liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn eine Straße zumindest für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung eines Ortes notwendig ist und die Zufahrt über andere Straßen nur mit einem unverhältnismäßig großen Kosten- und Zeitaufwand möglich wäre. Auch das Bestehen von Wegservituten zugunsten einzelner Anlieger kann das notwendige Verkehrsbedürfnis nicht beeinträchtigen (vgl. dazu Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, Manz, Wien 1963, S. 59, S. 104 ff. und S. 201 f. sowie die zu § 2 des NÖ Straßengesetzes und vergleichbaren Bestimmungen der Landesstraßengesetzes anderer Länder ergangene hg. Judikatur:

z. B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Oktober 1972, Zl. 834/71, sowie die Erkenntnisse vom 22. Februar 1966, Slg. N.F. Nr. 6867/A, vom 6. Dezember 1983, Slg. N.F. Nr. 11.248/A, vom 13. Juni 1985, Zl. 83/06/0149, und vom 24. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11.923/A).

Die Beschwerdeführerin ist den Erklärungen des Vertreters der Gemeinde Gaming in der mündlichen Verhandlung vom 27. Jänner 1983, wonach die Zufahrt zur Ortschaft Nestelberg mit allen Arten von Fahrzeugen über die verfahrensgegenständliche Straße entgegengetreten. Auch aus der vom Vertreter der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung abgegebenen Stellungnahme ist zu erkennen, daß die in den Jahren 1935 bis 1948 ausgebaute Straße zumindest seit der Errichtung der Falkensteinerbrücke und der Samerbrücke im Jahre 1948 mit Fahrzeugen aller Art befahren worden ist. Auf Befragen durch den Verhandlungsleiter erklärte der Vertreter der Beschwerdeführerin entsprechend der Niederschrift über die Verhandlung ausdrücklich, daß "niemand eine besondere Bewilligung der Grundeigentümer zum Befahren der verfahrensgegenständlichen Verkehrsfläche benötigt habe und daß auch niemandem das Befahren verweigert worden sei."

Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch in ihrer Beschwerde die Auffassung, die 30-jährige Dauer des Gemeingebrauches - ausgenommen der Gemeingebrauch für den Fußgängerverkehr - sei durch das Übereinkommen aus 1967 und die Aufstellung von Tafeln unterbrochen worden. Der Tormäuerweg sei durch Tafeln mit der Aufschrift "Privatstraße" gekennzeichnet gewesen und sei auch seine Benützung durch dritte Personen ausdrücklich nur gegen Widerruf und auf deren eigene Gefahr gestattet gewesen, worauf ebenfalls durch aufgestellte Tafeln hingewiesen worden sei. Ferner fehle es am notwendigen Verkehrsbedürfnis.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Gemeingebrauch habe nicht mindestens 30 Jahre angedauert, ist folgendes entgegenzuhalten:

Die von der belangten Behörde bei der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 1983 aktenkundig gemachte Aufstellung von Tafeln mit der Aufschrift "Privatstraße" steht der Feststellung, bei dieser Straße handle es sich um eine öffentliche Straße, schon deshalb nicht entgegen, weil es ja gerade Inhalt der Regelungen des § 1 Abs. 2 letzter Satz und des § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes ist, unter welchen Voraussetzungen einer "Privatstraße" die Merkmale einer öffentlichen Straße zukommen. Die Folge der behördlich getroffenen Feststellung, daß einer Privatstraße die Merkmale einer öffentlichen Straße zukommen, besteht darin, daß der Eigentümer keine Handlung setzen darf, die geeignet wäre, den öffentlichen Verkehr in dem Umfang, in dem er von der Behörde festgestellt worden ist, zu behindern. Der Eigentümer ist zwar insoweit an der Ausübung seines Eigentumsrechtes beschränkt, doch bleibt im übrigen sein Eigentum unangetastet (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1972, Slg. N.F. Nr. 8253/A, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. März 1979, Slg.Nr. 8538).

Beim Vorbringen des Beschwerdeführerin, es seien Tafeln mit der Aufschrift "Gegen jederzeitigen Widerruf" aufgestellt gewesen, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung. Im übrigen kann den vorgelegten Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, daß tatsächlich Tafeln aufgestellt gewesen sein könnten, wonach die Benützung der Straße nur gegen jederzeitigen Widerruf geduldet würde. Auch bei den Ausführungen, es seien Tafeln mit der Aufschrift "Benützung auf eigene Gefahr" aufgestellt gewesen, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. Den vorgelegten Verwaltungsakten kann wohl entnommen werden, daß in dem noch näher zu erörternden Übereinkommen vom 10. Mai 1967 die Absicht festgehalten worden ist, bei der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs die Aufstellung von Tafeln "Benützung auf eigene Gefahr" zu beantragen, doch ist in den vorgelegten Verwaltungsakten kein Hinweis darauf zu finden, daß solche Tafeln auch tatsächlich aufgestellt gewesen wären. Aber selbst dann, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätten solche Tafeln keinen Einfluß auf das Bestehen des Gemeingebrauches, weil Gegenstand einer solchen Aufschrift nur die von der Frage des Gemeingebrauches zu trennende Frage der zivilrechtlichen Haftung für den Zustand der Straße gewesen wäre.

Mit dem Bescheid der NÖ Landesregierung vom 20. Oktober 1952 ist zwar nach Aufhebung der seinerzeit im Jahre 1911 für den Tormäuerweg gebildeten Konkurrenz eine neue Konkurrenz gebildet und gleichzeitig der Aufteilungsschlüssel für die zu leistenden Beiträge neu festgesetzt worden, weil der ursprüngliche Fußgängerweg in den Jahren bis 1948 für den Fahrzeugverkehr ausgebaut worden ist. Wie aus dem Zeitpunkt der Erlassung des zitierten Bescheides in Geltung gestandenen § 10 des Gesetzes vom 19. April 1894, L.G. u. V. Bl. Nr. 20 betreffend die Herstellung und Erhaltung der öffentlichen nicht ärarischen Straßen und Wege, in der Fassung der Novelle vom 19. März 1911, L.G. u. v. Bl. Nr. 63, zu erkennen ist, setzte die Bildung einer Konkurrenz voraus, daß es sich um eine öffentliche Straße gehandelt hat. Mangels Nachweises der Zustellung dieses Bescheides an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin kann nicht davon ausgegangen werden, dieser Bescheid entfalte der Beschwerdeführerin gegenüber eine Bindungswirkung. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die NÖ Landesregierung bei der Erlassung des zitierten Bescheides rechtens davon ausgehen durfte, der ausgebauten Straßen seien auch hinsichtlich des Fahrzeugverkehrs bereits die Merkmale einer öffentlichen Straße zugekommen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bewirkte nämlich das Übereinkommen vom 10. Mai 1967 keinesfalls eine Unterbrechung des - inzwischen zumindest entstehenden - Gemeingebrauches hinsichtlich des Fahrzeugverkehrs. Inhalt dieses Übereinkommens ist, daß die Marktgemeinde Gaming, die österreichischen Bundesforste und andere Liegenschaftseigentümer - darunter der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin - sich verpflichtet haben, sich in einem bestimmten, prozentuell festgelegten Ausmaß an den Erhaltungskosten des Straßenstückes vom Haus S bis zum Raneck zu beteiligen. Mit dieser Vereinbarung - die wohl als zivilrechtlicher Vertrag und nicht als behördlicher Verwaltungsakt zu qualifizieren ist - über die Aufteilung von Erhaltungskosten ist nicht - wie dies die Beschwerdeführerin meint - der Gemeingebrauch "weggefallen", zumal dieses Übereinkommen keinesfalls die Benützung der Straße durch andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen oder sonst irgendwie behindert hat oder auch nur behindern sollte. Die belangte Behörde ist daher auch hinsichtlich des Fahrzeugverkehrs zu Recht von einem mehr als 30 Jahre andauernden Gemeingebrauch am Tormäuerweg von 1948 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Feststellungsbescheides vom 4. März 1983 ausgegangen.

Die Beschwerdeführerin begründet ihren Einwand, der Tormäuerweg diene nicht der Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses, zunächst damit, das notwendige Verkehrsbedürfnis der Rotte Nestelberg werde durch die Straße über Raneck nach Lackenhof befriedigt. Diese Strecke entspreche einem Drittel der Strecke zu dem viel weiter entfernten Gemeindezentrum Gaming. Letzteres sei schließlich über Lackenhof unschwer zu erreichen, wobei die gesamte Strecke nicht wesentlich länger sei als die Strecke über die Nestelbergstraße, den Tormäuerweg und die Landesstraßen 6171 und 6172. Die Beschwerdeführerin übersieht hiebei, daß es für die Beurteilung des notwendigen Verkehrsbedürfnisses der Bewohner von Nestelberg nicht etwa nur auf die Verbindung zur nächsten Ortschaft, nämlich Lackenhof, sondern auf die Notwendigkeit der Verkehrsverbindung nach Gaming ankommt. Daß ein notwendiges Verkehrsbedürfnis der Bewohner der Rotte Nestelberg an einer (möglichst kurzen) Verkehrsverbindung nach dem Ort Gaming besteht, ergibt sich schon aus dem Umstand, daß Gaming Sitz der Gemeindeverwaltung, der Hauptschule und der Volksschule ist. Wie der Sachverhaltsdarstellung entnommen werden kann, ist nach den Plänen 1:25000 und und 1:50000 des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen die Verkehrsverbindung von Nestelberg über Lackenhof nach Gaming um ca. 10 km länger als die Verkehrsverbindung von Nestelberg über die Nestelbergstraße und den in Rede stehenden Tormäuerweg. Es besteht kein Zweifel, daß eine um ca. 10 km längere Fahrt mit einem unverhältnismäßigen Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist.

Soweit die Beschwerdeführerin das Fehlen eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses damit begründet, der über ihre Grundstücke verlaufende Tormäuerweg stelle bloß eine Verbindung zwischen der Landesstraße 6172 und der im Privateigentum der Österreichischen Bundesforste stehenden Nestelbergstraße her, ist folgendes auszuführen:

Wird das notwendige Verkehrsbedürfnis bei der Feststellung der Öffentlichkeit einer Privatstraße darauf gestützt, daß diese Verkehrsfläche als Verbindung zwischen zwei bestimmten Orten benötigt werde, so stellt grundsätzlich die gesamte Straßentrasse eine Einheit dar und muß an sich eine Entscheidung über die gesamte Straße ergehen. Die Behörde darf nämlich nicht allein für einzelne Teile einer Straße die Merkmale einer öffentlichen Straße feststellen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1950, Slg. N.F. Nr. 1669/A, und vom 17. April 1986, Zl. 84/06/0238). Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Zuständigkeit von Gemeindebehörden auf das Gebiet der Gemeinde, deren Organe sie sind, beschränkt ist.

In diesem Zusammenhang ist zunächst im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung geäußerten Zweifel an der Zuständigkeit der Organe der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1970, Slg. Nr. 6208, zu verweisen, in welchem dieser Gerichtshof ausgesprochen hat, daß auch Straßen und Wege, "die zur Gemeindegrenze führen und jenseits derselben ihre unmittelbare Fortsetzung haben", als "Verkehrsflächen der Gemeinde" gelten können. Entscheidend ist, ob diese Straßen "überwiegend nur für den lokalen Verkehr von Bedeutung sind". Damit kommt es hinsichtlich der Einordnung einer Straße auf ihre Verkehrsbedeutung an, nämlich ob das überörtliche oder das örtliche Interesse überwiegt. Überwiegt letzteres, so zählt die Straße zu den Verkehrsflächen der Gemeinde im Sinne des Art. 118 Abs. 3 Z. 4 B-VG. Die Feststellung der Öffentlichkeit eines Privatweges von lokaler Bedeutung gehört daher zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1968, Slg. N.F. Nr. 7386/A).

Aus dem Abs. 3 des § 3 des NÖ Landesstraßengesetzes, LGBl. Nr. 8500-0, ergibt sich in Verbindung mit den beiden ersten Absätzen dieser Gesetzesstelle, daß alle nicht ausdrücklich als Landeshauptstraßen und Landesstraßen bezeichneten Straßen Gemeindestraßen sind. Gemäß § 32 Abs. 7 Z. 2 dieses Gesetzes ist daher in Übereinstimmung mit der Verfassungsrechtslage als Behörde erster Instanz der Bürgermeister, in Städten mit eigenem Statut der Magistrat, und in zweiter Instanz der Gemeinderat bzw. der Stadtsenat zur Entscheidung darüber berufen, ob einem im Gebiet einer Gemeinde gelegenen Teilstück einer Privatstraße von lokaler Bedeutung die Merkmale einer öffentlichen Straße zukommen oder nicht.

Im Beschwerdefall ist die verfahrensgegenständliche Straße keine Durchzugsstraße, vielmehr überwiegt das Interesse der Bevölkerung von Nestelberg an einer Verkehrsverbindung nach Gaming, sodaß es sich um eine Straße von überwiegend lokaler Bedeutung handelt.

Nach dem vorgelegten Auszug aus dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz sind im Gebiet dieser Gemeinde von der im Grünland als Straße ausgewiesenen Trasse des Tormäuerweges lediglich die beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin betroffen. Im Hinblick auf die Zuständigkeit der Gemeindeorgane der Gemeinde St. Anton an der Jeßnitz nur innerhalb der Gemeindegrenzen kann im Beschwerdefall nicht der Vorwurf erhoben werden, die Gemeindebehörden hätten nur für Teile der im Gemeindegebiet von St. Anton an der Jeßnitz verlaufenden Straße die Merkmale einer öffentlichen Straße festgestellt. Es ist Aufgabe der Marktgemeinde Gaming, allenfalls die Merkmale der Öffentlichkeit auch für die auf ihrem Gemeindegebiet verlaufenden Straßen auf Begehren eines Beteiligten oder von Amts wegen festzustellen. Dies freilich nur, wenn die Öffentlichkeit einer Straße bestritten wird.

Dem Beschwerdevorbringen, die Erklärung zur öffentlichen Straße betreffe gesetzwidrig die gesamte Fläche ihrer Grundstücke, ist der Wortlaut des Spruches sowohl des erstinstanzlichen als auch des zweitinstanzlichen Gemeindebescheides entgegenzuhalten. Beide Bescheide schränken die Feststellung, daß die Grundstücke der Beschwerdeführerin, über welche der Tormäuerweg führe, die Merkmale einer öffentlichen Straße besitzen, ausdrücklich auf den "Bereich dieser Verkehrsfläche" bzw. "im Zuge dieser Verkehrsfläche" ein. Die Feststellung, daß dem Tormäuerweg, soweit er über die Grundstücke der Beschwerdeführerin führt, die Merkmale einer öffentlichen Straße zukommen, kann sich daher bei verständiger Wertung des Spruches nur auf die im Verwaltungsverfahren nicht strittige Trasse des Tormäuerweges beziehen, wenngleich es zur Vermeidung von Unklarheiten zweckmäßig gewesen wäre, den Verlauf und Umfang der bestehenden Trasse näher zu umschreiben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. April 1986, Zl. 84/06/0238).

Schließlich rügt die Beschwerdeführerin noch, dem angefochtenen Bescheid sei kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Die Beschwerdeführerin hat diese Verfahrensrüge nicht näher ausgeführt. Auf Verwaltungsebene hat es die Beschwerdeführerin noch als Verfahrensfehler bezeichnet, daß keine "Gedenkmänner" als Zeugen einvernommen worden seien. Da auf Grund der obigen Erwägungen die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, daß die Voraussetzungen für die Feststellung der Öffentlichkeit vorgelegen sind, kann darin, daß die Behörde keine Zeugen einvernommen hat, keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentliche Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt werden, zumal die Beschwerdeführerin den aktenkundigen, mindestens seit 1948 unabhängig vom Willen der Grundeigentümer andauernden Gemeingebrauch des Fahrzeugverkehrs selbst nicht in Abrede gestellt hat, sondern - wie oben dargelegt - lediglich die rechtsirrige Ansicht vertreten hat, das Aufstellen von Tafeln und das Übereinkommen vom 10. Mai 1967 habe den Gemeingebrauch ausgeschlossen bzw. unterbrochen. Auch die Einwände gegen das Vorliegen eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses an der Straßenverbindung von Nestelberg nach Gaming beruhen im Ergebnis nur auf einer - wie oben dargestellt - unrichtigen Rechtsansicht. Im übrigen können die formellen Rechte einer Partei nicht im weiter gehen als ihre materiellen.

Der belangten Behörde unterlief daher keine Rechtswidrigkeit, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin durch die im innergemeindlichen Instanzenzug ergangene Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt worden ist.

Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 28. November 1989

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