Normen
Kanalräumungs- und KanalgebührenG Wr §11 Abs2
Kanalräumungs- und KanalgebührenG Wr §12 Abs1 Z1
WasserversorgungsG Wr 1960 §11 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983170254.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm Wasserbezugsgebühr und Abwassergebühr festgesetzt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.325,‑ ‑ binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 15. November 1983 wurde dem Beschwerdeführer hinsichtlich des bebauten Grundstückes in Wien 13., G-gasse 6, u.a. eine Wasserbezugsgebühr von S 44.268,‑ ‑ (S 24.044,‑ ‑ für den Zeitraum 13. Juni 1980 bis 31. Dezember 1980 und S 20.224,‑ ‑ für den Zeitraum 1. Jänner 1981 bis 30. September 1981) und eine Abwassergebühr von S 14.082,‑ ‑ (S 8.015,‑ ‑ für den Zeitraum 13. Juni 1980 bis 31. Dezember 1980 und S 6.067,‑ ‑ für den Zeitraum 1. Jänner 1981 bis 30. September 1981) zur Zahlung vorgeschrieben.
Die der Gebührenbemessung zugrunde liegende Wasser‑ und Abwassermenge wurde auf folgende Weise ermittelt:
„Ablesedaten | Stand |
| Tage |
| Tagesdurchschnitt | |||||
1980 06 13 | 17 |
| - |
| - | |||||
1980 05 19 | 6.179 |
| 340 |
| 18,12352 | |||||
1981 12 21 | 6.193 |
| 216 |
| 0,0648 | |||||
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1980 06 13 | ‑ | 1980 12 31 | : | 201 Tg. | x | 18,12352 m3 | = | 3.643 m3 | ||
1981 01 01 | ‑ | 1981 05 19 | : | 139 Tg. | x | 18,12352 m3 | = | 2.519 m3 | ||
1981 05 20 | ‑ | 1981 09 30 | : | 134 Tg. | x | 0,06481 m3 | = | 9 m3“ | ||
Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 20 Abs. 4 und § 11 Abs. 1 und 3 Wasserversorgungsgesetz 1960, LGBl. für Wien Nr. 10 idgF. (WVG), einerseits und des § 11 Abs. 2 und des § 12 Abs. 1 Z. 1 des Kanalräumungs‑ und Kanalgebührengesetzes 1978, LGBl. für Wien Nr. 2, andererseits führte die belangte Behörde in der Begründung des Bescheides weiter aus, an der Richtigkeit der oben wiedergegebenen Zählerstände bestehe kein Zweifel. Insbesondere sei der Stand des am 21. Dezember 1981 ausgetauschten Wasserzählers an diesem Tag fotografisch festgehalten worden. Allfällige Bedenken gegen die Richtigkeit der Anzeige des Wasserzählers am 19. Mai 1981 habe der Beschwerdeführer nicht zum Anlaß genommen, einen Antrag auf Überprüfung des Zählers zu stellen. Weiters stehe auf Grund der Aktenlage fest, daß der Beschwerdeführer der im § 15 Abs. 4 WVG normierten Obsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Die dadurch bedingte ungünstige Beweislage habe er deshalb selbst zu vertreten. Inwieweit die vom Wasserzähler angezeigte Wassermenge vom Beschwerdeführer tatsächlich genutzt worden sei, sei nicht zu untersuchen gewesen, da es für die Gebührenberechnung ohne Belang sei, ob die vom Wasserzähler als bezogen angezeigte Wassermenge auch tatsächlich einem bestimmten Verwendungszweck zugeführt werde oder aber verloren gehe.
Gegen diesen Bescheid in dem eben wiedergegebenen Umfang richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in seinem Recht auf Festsetzung der genannten Gebühren nicht auf Grund fehlerhafter Zählerstände des bis 21. Dezember 1981 verwendeten Wasserzählers verletzt. Begründend heißt es in der Beschwerde ‑ und dieses Vorbringen deckt sich im wesentlichen mit dem im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer erstatteten ‑, er habe das Haus in Wien nicht bewohnt. In der Zeit vom 23. Februar 1978 bis zum 13. Juni 1980 habe der Zählerstand unverändert 17 m3 gelautet, es sei also kein Wasser verbraucht worden. Am 19. Mai 1981 habe er über Aufforderung der Wasserwerke den Zählerstand abgelesen und den Stand von 6.179 m3 den Wasserwerken bekannt gegeben. Auf der hiebei verwendeten Zählerkarte sei von einem Bediensteten der Wasserwerke die erste und die letzte Ziffer durchgestrichen und dem Beschwerdeführer also weiterhin keine von der Höhe des Wasserbezuges abhängige Gebühr vorgeschrieben worden. Dadurch, daß er den unmittelbar nach dem Wassermesser befindlichen Hahn in der Zuleitung des Wassers ständig abgeschlossen gehalten habe, sei er auch seiner im § 14 Abs. 4 WVG normierten Obsorgepflicht nachgekommen. Eine Verwendungsmöglichkeit für das von ihm angeblich bezogene Wasser habe weder auf der Liegenschaft noch in der Umgebung bestanden und es hätte ihm auch das Versickern einer so großen Wassermenge ‑ 340 Tage lang hätte der Inhalt eines ganzen Freischwimmbeckens versickern sollen ‑ anläßlich seiner ca. wöchentlichen Hausinspektionen auffallen müssen. Da die Wasserwerke Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Wasserzählers hätten haben müssen und auch sonst ein Beweisverfahren darüber, daß das Wasser weder einem bestimmten Verwendungszweck zugeführt noch auch verloren gegangen sei, nicht durchgeführt hätten, hafteten dem angefochtenen Bescheid wesentliche Verfahrensmängel an.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften des WVG haben folgenden Wortlaut:
„§ 11Wasserzähler
(1) Das Wasser wird grundsätzlich über einen von der Stadt Wien beigestellten Wasserzähler abgegeben, nach dessen Angaben die bezogene Wassermenge ermittelt wird. Wenn die Anbringung eines Wasserzählers unmöglich ist, hat die Behörde die bezogene Wassermenge zu schätzen.
(2) Die Behörde bestimmt die Anschlußgröße des Wasserzählers nach dem Wasserverbrauch; sie bestimmt weiters den Standort des Wasserzählers und veranlaßt die erstmalige Einschaltung auf Kosten des Wasserabnehmers. Der Wasserzähler bleibt Eigentum der Stadt Wien und wird von ihr instandgehalten; er kann jederzeit ausgewechselt werden. Die Behebung von Schäden, die nicht auf mangelhaftes Material, normale Abnützung, höhere Gewalt, auf Verschulden Dritter oder Verschulden der Organe des Magistrates zurückzuführen sind, erfolgt auf Kosten des Wasserabnehmers. Sofern der Wasserzähler über Verlangen des Wasserabnehmers außerhalb der normalen Arbeitszeit ausgewechselt wird, sind die hiefür auflaufenden Mehrkosten vom Wasserabnehmer zu tragen.
(3) Ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Wasserzählers, so ist dieser von Amts wegen oder auf Antrag des Wasserabnehmers zu überprüfen. Die Angaben des Wasserzählers sind verbindlich, wenn sie eine Fehlergrenze von 5 v.H. auf oder ab nicht überschreiten. Ist die Fehlergrenze nicht überschritten, so hat der Antragsteller die Prüfungskosten zu tragen.
(4) …..
(5) …..
§ 20Wasserbezugs‑ und Wasserzählergebühren
(1) Vom Wasserabnehmer sind für das abgegebene Wasser Wasserbezugsgebühren … zu entrichten.
(2) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Wasserbezugsgebühren ... in der Wassergebührenordnung festzusetzen. Eine Staffelung dieser Gebühren ist zulässig.
(3) …..
(4) Die Wasserbezugsgebühren sind durch Multiplikation der Gebühr für einen Kubikmeter Wasser mit der Kubikmeteranzahl der bezogenen Wassermenge zu errechnen ...“
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Kanalräumungs‑ und Kanalgebührengesetzes 1978 haben folgenden Wortlaut:
„Abschnitt IIABWASSERGEBUHRGebührenpflicht und Ausmaß der Gebühr
§ 11. (1) Der Gebührenpflicht unterliegt die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal).
(2) Die Abwassergebühr ist nach der Menge des abgegebenen Wassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.
Ermittlung der Abwassermenge
§ 12. (1) In den öffentlichen Kanal abgegeben gelten
1. die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10, ermittelte Wassermenge und
2. …..“
Im Beschwerdefall steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Streit, ob die der Berechnung der Wasser‑ und Abwassergebühr zugrunde gelegte, aus den Anzeigen des Wasserzählers Nr. 5206 errechnete Wasserbezugs‑ bzw. Abwassermenge auf einem vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren behaupteten Fehler dieses Meßgerätes beruht oder nicht.
Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des am 21. Dezember 1981 von den Wasserwerken ausgetauschten Wasserzählers mußten in der Tat spätestens am eben genannten Tag von Amts wegen im Hinblick auf die diskontinuierliche Entwicklung überhaupt (kein Wasserbezug vom 23. Februar 1978 bis 13. Juni 1980, Wasserbezug von über 18 m3 im Tagesdurchschnitt vom 13. Juni 1980 bis 19. Mai 1981 und Rückgang des Wasserbezuges auf 0,06481 m3 im Tagesdurchschnitt vom 19. Mai 1981 bis 21. Dezember 1981) und im Hinblick auf die relativ hohen Tagesdurchschnittswerte in der Zeit vom 13. Juni 1980 bis 19. Mai 1981 entstanden sein. Die amtsbekannten Umstände vermochten für eine solche Entwicklung keine Erklärung zu bieten; denn nichts in den Verwaltungsakten deutet darauf hin, daß sich die Wasserwerke den nach den Wasserzählerständen für den letztangeführten Zeitraum angezeigten hohen Wasserverbrauch auf Grund einer für dieses Wasser bestehenden Verwendungsmöglichkeit oder aber auf Grund eines Rohrgebrechens erklären konnten. Da dieser Sachverhalt aber den Tatbestand des § 11 Abs. 3 erster Satz WVG erfüllt, wäre eine Überprüfung des Wasserzählers von Amts wegen geboten gewesen; dies ungeachtet dessen, daß der Beschwerdeführer ‑ weil er wegen unterlassener Beobachtung der Wasserzählerstände den daraus errechenbaren Wasserbezug zunächst überhaupt nicht bemerkte ‑ es von sich aus verabsäumt hat, einen ebenfalls diese Rechtspflicht auslösenden Antrag auf Überprüfung des Wasserzählers zu stellen.
Daß im vorliegenden Fall seitens der Wasserwerke auch tatsächlich Zweifel an der Richtigkeit des Wasserzählerstandes vom 19. Mai 1981 bestanden haben, geht daraus hervor, daß der vom Beschwerdeführer den Wasserwerken richtig mitgeteilte Stand von 6.179 m3 von einem Organ dieser Einrichtung als offenbar irrtümlich gewertet und eigenmächtig abgeändert wurde. Diese Zweifel mußten sich bei Kenntnisnahme des Wasserzählerstandes vom 21. Dezember 1981 und der daraus erkennbaren extremen Trendumkehr noch verstärken. Durch den ohne Vornahme der geboten gewesenen Überprüfung am letztangeführten Tag erfolgten Austausch des Wasserzählers und dessen (offenbar nach Überholung und neuer Eichung) anderweitige Wiederverwendung wurde der Beschwerdeführer der Möglichkeit beraubt, die allfällige Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers unter Beweis zu stellen.
Im Hinblick darauf, daß im vorliegenden Fall die gemäß § 11 Abs. 3 WVG geboten gewesene Überprüfung des Wasserzählers nicht vorgenommen wurde, konnte auch nicht festgestellt werden, ob die Angaben des Wasserzählers im Sinne des § 11 Abs. 3 leg. cit. eine Fehlergrenze von 5 v.H. auf oder ab überschritten und ob sie daher verbindlich waren oder nicht. Somit blieb der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Infolgedessen mußte der angefochtene Bescheid im beschwerdegegenständlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 30. November 1984
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