VwGH 83/16/0181

VwGH83/16/018110.1.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde der BR in W, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 58, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich, und Burgenland vom 20. Oktober 1983, GZ. GA 11- 2228/81, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1955 §10 Abs1;
GrEStG 1955 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §11 Abs2 Z1;
GrEStG 1955 §10 Abs1;
GrEStG 1955 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §11 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides wird zurückgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Zu Beginn des Jahres 1980 waren Dr. HM und KT je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes EZ. nn des Grundbuches der KG. Landstraße, Haus in Wien III, G-gasse 33, gewesen. Laut Kaufvertrag vom 7. Februar 1980 hatte HM ihren Grundstücksanteil an die Beschwerdeführerin um einen Kaufpreis von S 200.000,-- veräußert. Mit Punkt VII. Satz 1 dieses Kaufvertrages hatte die Verkäuferin bestätigt, daß die Wohnungen top. Nr. 7, 13 a, 15, 33, 34, 37, 37 a, 38 und 39 bestandfrei seien. Lauf Kaufvertrag vom 2./22. April 1980 hatte der durch seine Tochter IS (eine Cousine der Dr. HM) vertreten gewesene KT seinen Grundstücksanteil ebenfalls an die Beschwerdeführerin um einen Kaufpreis von S 400.000,-- veräußert. Mit Punkt VII. Satz 1 des diesbezüglichen Kaufvertrages hatte der Veräußerer bestätigt, daß die Wohnungen top Nr. 7, 13 a, 15, 37, 37 a und 39 bestandfrei übergeben würden. Auf Grund dieses Kaufvertrages vom 2./22. April 1980 hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von insgesamt S 420.820,-- - gegenüber der Beschwerdeführerin 8 % Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 33.666,-- festgesetzt. Dieser Bescheid war rechtskräftig geworden.

Durch den Rechtsanwalt Dr. EW erstattete KT bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland Selbstanzeige vom 4. Dezember 1980, weil auf ausdrücklichen Wunsch PL, des Sohnes der Beschwerdeführerin, der sie bei den Kaufverhandlungen ständig vertreten habe, in den schriftlich abgeschlossenen Kaufvertrag lediglich ein Kaufpreis von S 400.000,-

- eingesetzt worden sei, obwohl der vereinbarte Kaufpreis S 600.000,-- betragen habe, und zwar für die Grundstückshälfte samt Hausanteil "und einigen frei zu vermietenden Wohnungen in diesem Haus".

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1981 nahm das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien das den Kaufvertrag vom 2./22. April 1980 betreffende Grunderwerbsteuerverfahren von Amts wegen im Sinne der §§ 303 ff BAO wieder auf und hob den oben angeführten Bescheid vom 19. Juni 1980 auf. Gleichzeitig traf es eine neuerliche Sachentscheidung und setzte gegenüber der Beschwerdeführerin - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 620.820,-- - 8 % Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 49.666,-- fest. Als Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, zufolge Hervorkommens neuer Tatsachen (Kaufpreis S 600.000,--) sei die Wiederaufnahme des Verfahrens notwendig geworden.

PL gab bei seiner Vernehmung am 5. Februar 1981 als Verdächtiger durch einen Organwalter des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz im wesentlichen folgendes an:

Hinsichtlich der Grundstückshälfte des KT habe er mit IS verhandelt. Diese habe entgegen dem Anbot der Beschwerdeführerin S 400.000,-- für die Grundstückshälfte und außerdem für ihre Mutter (S) T, die Hauptmieterin der Wohnungen top. Nr. 33 und 34 gewesen sei, S 200.000,-- als Investitionsablöse verlangt. Den Kaufpreis in der Höhe von S 400.000,-- habe die Beschwerdeführerin bezahlt. Die L-Beteiligungsgesellschaft m.b.H., deren alleiniger Geschäftsführer er sei, habe die Investitionsablöse in der Höhe von S 200.000,-- an IS mit Barscheck bezahlt. Bei Besichtigung der Wohnungen top. Nr. 33 und 34 habe er feststellen können, daß die getätigten Investitionen niemals S 200.000,-- wert seien. In der Folge sei es deshalb zu einem noch anhängigen Rechtsstreit gekommen.

In ihrer rechtzeitigen Berufung gegen den oben angeführten Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 19. Jänner 1981 führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:

Es liege bei den Personen, welche Zahlungen in der Erfüllung des Kaufpreises und für die Überlassung der Mietrechte (geleistet hätten), keine Identität vor. Es handle sich bei den geleisteten Zahlungen um solche verschiedener Personen auf Grund verschiedener Vereinbarungen.

IS gab bei ihrer Vernehmung am 13. März 1981 bei derselben Finanzstrafbehörde erster Instanz im wesentlichen nachstehendes an:

Sie habe die Kaufverhandlungen mit PL geführt. Er kenne ihre Eltern gar nicht. Bei Rechtsanwalt Dr. W befinde sich ein Anbot bzw. eine Annahme. Danach sei für die Grundstückshälfte KT als Kaufpreis S 550.000,-- vereinbart gewesen und zwar "exklusive" der Wohnungen top. Nr. 33 und 34, deren Hauptmieterin ihre Mutter gewesen sei. Ihr Vater habe diese Wohnungen nicht verkaufen wollen. Da aber PL diese Wohnungen gewollt habe, habe er vorgeschlagen, für die Grundstückshälfte mit diesen beiden Wohnungen S 600.000,-- zu bezahlen. Diesem Vorschlag habe KT zugestimmt. Während der Verhandlungen, die sie mit PL geführt habe, sei nie die Rede von einer Investitionsablöse gewesen. Erst kurz vor der Unterfertigung des schriftlichen Kaufvertrages habe er zu ihr gesagt, ob er den Kaufpreis von S 600.000,-- teilen dürfe, und zwar S 400.000,-- als Kaufpreis für die Grundstückshälfte und S 200.000,-- als Investitionsablöse für sämtliche freien Wohnungen. Nach Rücksprache mit dem Steuerberater Dkfm. N habe sie diesem Ansinnen zugestimmt. PL habe zu ihr gesagt, die Aufspaltung des Kaufpreises sei aus geschäftlichen Gründen für ihn günstiger. Nachdem das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin an dieser Grundstückshälfte im Grundbuch einverleibt gewesen sei, habe PL ihre Mutter auf Herausgabe von S 200.000,-- als Investitionsablöse geklagt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. April 1981 wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die vorstehend angeführte Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dies im wesentlichen unter Hinweis auf § 11, insbesondere Abs. 3 Z. 3, GrEStG mit folgender Begründung: Im gegenständlichen Fall sei von der Beschwerdeführerin der Kaufpreis von S 400.000,-- dem Verkäufer bezahlt und auch das Darlehen des WWF (S 20.820,--) übernommen worden. Weiters habe die L-Beteiligungsgesellschaft m. b.H. dem Veräußerer einen Betrag von S 200.000,-- bezahlt, damit dieser dem Vertrag zustimme.

In ihrem rechtzeitigen Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen, führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:

Es werde übersehen, daß sie an den Veräußerer vertragsgemäß lediglich einen Kaufpreis von S 400.000,-- zu bezahlen gehabt und auch bezahlt habe. Den Betrag von S 200.000,--, welcher eindeutig als Investitionsablöse für die Überlassung der Mietrechte an den Wohnungen top. Nr. 33 und 34 bezahlt worden sei, sei von der L-Beteiligungsgesellschaft m.b.H. bezahlt worden. Der Beschwerdeführerin komme an dieser Liegenschaft (richtig zweifellos: Gesellschaft) keine wie immer geartete vermögensrechtliche Beteiligung zu. Auch an der Geschäftsführung habe sie "keinen Anteil". Weiters sei darauf hinzuweisen, daß der Betrag von S 200.000,-- nicht KT, sondern der ST als Hauptmieterin der gegenständlichen Bestandobjekte zugeflossen sei. Sie habe auf die Mietrechte verzichtet und die Empfangsbestätigung über den gegenständlichen Betrag quittiert. Die Abgabenbehörde könne weder aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und PL, der Mitgesellschafter der genannten Gesellschaft sei, noch aus dem familienrechtlichen Verhältnis zwischen K und ST den gewünschten Konnex herstellen. Als Beweismittel führte die Beschwerdeführerin den d.a. vorliegenden "Ver"kauf"svertrag", die d. a. vorliegende Erklärung, den beizuschaffenden Mietvertrag, sowie die Gebäudeverwalterin FB und PL an.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies mit Bescheid vom 20. Oktober 1983 die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach einem kurzen Hinweis auf den Kaufvertrag vom 2./22. April 1980, den diesbezüglichen Grunderwerbsteuerbescheid vom 19. Juni 1980, die Selbstanzeige KT und den erstinstanzlichen Bescheid vom 19. Jänner 1981 ausgeführt, es werde im Berufungsverfahren vorgebracht, bei der Bezahlung eines zusätzlichen Betrages von S 200.000,-- habe es sich um eine Investitionsablöse gehandelt, welche nicht an den Veräußerer KT geleistet worden sei. Der Betrag von S 200.000,-- sei aus dem Vermögen der L-Beteiligungsgesellschaft m.b.H. an die weichende Hauptmieterin ST zugeflossen, diese Personen seien aber am Grundstückskauf nicht beteiligt gewesen. Unter Hinweis auf die §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG wurde zu diesem Vorbringen folgendes bemerkt:

Zu den sonstigen Leistungen gehörten alle Leistungen, die der Käufer dem Verkäufer und für diesen an Dritte leiste, um das Grundstück erwerben zu können und deren Erbringung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstückes stehe. Laut Punkt VII. der Kaufvertragsurkunde sei festgehalten worden, daß der Veräußerer bestimmte Wohnungen des Hauses bestandfrei übergebe. Nach dem Vorbringen in der Berufung sei die Tatsache der Leistung eines Betrages von S 200.000,-- für Mietrechtsablöse weder bestritten, noch behauptet worden, sie stünde nicht im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Kaufvertrag. Wenn nun die Beschwerdeführerin meine, die Vereinbarung der Bestandrechtsablöse sei ohne Beteiligung der Verkäuferin (richtig wohl: des Verkäufers) zustande gekommen und diese Zahlung habe sich im Vermögen des Verkäufers nicht ausgewirkt, so sei dieses Vorbringen nicht entscheidend. Wesentlich sei, daß diese zusätzliche Leistung im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb erbracht worden sei, wobei auch ausbedungene Leistungen an Dritte als sonstige Leistungen anzusehen seien. Selbst die Gegenleistung müsse nicht aus dem Vermögen des Erwerbers aufgebracht werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1974, Zl. 256/74). Daraus folge, daß die Bestandrechtsablöse eine sonstige Leistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG darstelle.

Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach ihrem gesamten Vorbringen behauptet die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, daß der Betrag von S 200.000,-- nicht zur Gegenleistung hinzugerechnet werde, verletzt zu sein.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerin erhebt zutreffend gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur gegen den letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, den Antrag der Beschwerdeführerin, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben, zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sodann erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Nach § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Auf Grund des § 11 Abs. 2 Z. 1 GrEStG gehören zur Gegenleistung Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt. Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes anderen Personen als dem Veräußerer gewährt, sind gemäß § 11 Abs. 3 Z. 1 der Gegenleistung hinzuzurechnen, wenn er sie als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie auf den Erwerb des Grundstückes verzichten. Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer gewährt, sind nach § 11 Abs. 3 Z. 3 GrEStG der Gegenleistung hinzuzurechnen, wenn er sie als Gegenleistung dafür gewährt, daß der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überläßt.

In der Gegenleistung kommt der Wert zum Ausdruck, den das Grundstück nach den Vorstellungen der Vertragspartner hat. Eine "sonstige Leistung" im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist nur dann eine Gegenleistung, von deren Wert die Grunderwerbsteuer bemessen wird, wenn der Käufer sie als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt oder der Verkäufer sie als Entgelt für den Verkauf des Grundstückes empfängt (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1982, Zl. 82/16/0170, Slg. Nr. 5739/F).

Liegt dem Erwerber daran, das Grundstück frei von Mietrechten zu erhalten und räumen die Mieter das Grundstück nicht ohne Entschädigung, so ist der Erwerber regelmäßig genötigt, einen den Wert des Grundstückes übersteigenden Kaufpreis zu entrichten. Der Umstand, daß der Veräußerer die Mietrechte nicht ohne Aufwendungen beseitigen kann, beweist, daß ein den Wert übersteigender Preis vereinbart wird. Die Steuerpflicht für solche Leistungen kann nicht auf § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG, sondern nur auf § 11 Abs. 2 Z. 1 GrEStG gestützt werden, weil es sich bei solchen Leistungen um zusätzlich dem Verkäufer gewährte Nebenleistungen handelt. Dieser Unterschied in der anzuwendenden Gesetzesstelle führt aber zu keinem abweichenden Ergebnis. Es ist auch bedeutungslos, ob der Veräußerer selbst Mieter von Räumen auf dem verkauften Grundstück ist oder ob er sich Leistungen dafür versprechen läßt, daß er dritte Personen durch entsprechende Aufwendungen dazu bewegt, die Mieträume aufzugeben (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1964, Zl. 1756/63). Für die Beurteilung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorganges kommt es nur darauf an, was Gegenleistung im einzelnen Fall ist, und nicht darauf, aus wessen Vermögen die Gegenleistung aufgebracht wird (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1974, Zl. 256/74, Slg. Nr. 4753/F: Die damalige Beschwerdeführerin hatte im Zuge der Regelung der vemögensrechtlichen Angelegenheiten vor ihrer Scheidung eine "Eigentumswohnung" erworben, an der ihr Gatte das lebenslange Fruchtgenußrecht erwerben und für die der Kaufpreis von den Ehegatten je zur Hälfte bezahlt werden sollte. Die Ansicht der damals und nunmehr belangten Behörde, daß gegenüber der Beschwerdeführerin auf Grund des Gesamtkaufpreises die gesamte Grunderwerbsteuer festzusetzen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof als nicht rechtswidrig erkannt).

Zahlt der Erwerber des Grundstücks die Entschädigung für die Aufgabe der Mietrechte unmittelbar an den Mieter, ohne daß der Verkäufer des Grundstücks an dieser Vereinbarung beteiligt ist, so kann die Entschädigung dem Kaufpreis nicht hinzugerechnet werden. Ausschlaggebend ist, ob der Käufer das Grundstück belastet mit Bestandrechten oder lastenfrei erwerben will. Soll das Grundstück lastenfrei übertragen werden, so ist die Entschädigung Teil der Gegenleistung. Will der Erwerber die Mietrechte selbst beseitigen, so ist die Entschädigung auch dann nicht Gegenleistung, wenn er den Verkäufer mit der Freimachung beauftragt (siehe auch Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, Stand nach dem 12. Nachtrag - Juli 1984, Tz. 140 zu § 11 GrEStG). In einem solchen Fall kann von einem unmittelbaren tatsächlichen und wirtschaftlichen, oder, wie auch gesagt wurde, inneren Zusammenhang der Leistung des Erwerbers mit der Erwerbung des Grundstücks im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die diesbezügliche Zusammenfassung in dem Erkenntnis vom 27. Juni 1984, Zl. 84/16/0077, und zuletzt das Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 83/16/0162) nicht mehr gesprochen werden.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle zu bemerken, daß der angefochtene Bescheid keine Feststellungen über einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO enthält.

Die bisherigen Ausführungen zeigen in Verbindung mit dem oben ausführlich dargestellten Gang des Abgabenverfahrens daß die belangte Behörde - offensichtlich in Verkennung der Rechtslage - die von der Beschwerdeführerin schon im Abgabenverfahren aufgestellte Behauptung, wonach der Betrag von S 200.000,-- von der L-Beteiligungsgesellschaft m.b.H. der ST als Hauptmieterin der Wohnungen top. Nr. 33 und 34 zur Ablöse von darin getätigten Investitionen gezahlt worden sei, entgegen dem § 115 Abs. 1 und 3 BAO nicht prüfte. Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden nämlich die abgabenpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Weiters haben die Abgabenbehörden Angaben der Abgabenpflichtigen und amtsbekannte Umstände gemäß § 115 Abs. 3 BAO zu prüfen und zu würdigen.

Ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführerin nach den vorgelegten Verwaltungsakten im Abgabenverfahren hinsichtlich der Angaben des PL und der IS entgegen § 183 Abs. 4 BAO vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides keine Gelegenheit gegeben wurde, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern, würdigte die belangte Behörde diese beiden - einander widersprechenden Beweismittel nicht oder zumindest nicht erkenn- und überprüfbar. Diesbezüglich fehlt in dem angefochtenen Bescheid entgegen § 93 Abs. 3 lit. a BAO jede Begründung. In gleicher Weise läßt der angefochtene Bescheid eine Begründung im Zusammenhang damit vermissen, warum nicht alle von der Beschwerdeführerin im Sinne des § 183 Abs. 3 BAO beantragten Beweise aufgenommen wurden, zumal eine vorgreifende Beweiswürdigung mit dem Grundsatz des § 167 Abs. 2 BAO unvereinbar ist. Nach dieser Bestimmung hat die Abgabenbehörde nämlich unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die vorstehenden Erwägungen zeigen, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig blieb. Da dies aber offensichtlich in Verkennung der Rechtslage erfolgte, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - siehe Anlage 1 zur Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 10/1985 - als rechtswidrig aufzuheben.

Ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin konnte der Verwaltungsgerichtshof von einer Verhandlung absehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).

Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren ist abzuweisen, weil mit den für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag auch die Umsatzsteuer abgegolten ist.

Wien, am 10. Jänner 1985

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