VwGH 83/15/0086

VwGH83/15/00868.9.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der Marktgemeinde P, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwälte in Graz, Joanneumring 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat 1 B) vom 17. Mai 1983, Zl. B 289‑4/82, betreffend Umsatzsteuer für 1981, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1955 §2 Abs1 Z1
UStG 1972 §6 Z9 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983150086.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gemeinde war Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 431 der Katastralgemeinde P., auf der sich die Kläranlage der Gemeinde befand. Dieses Grundstück wurde gemäß den §§ 17 bis 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 zugunsten des Bundes zum Zweck der Errichtung einer Umfahrungsstraße enteignet. Von der Entschädigung im Gesamtbetrag von S 2,701.320,-- entfielen laut dem im Enteignungsverfahren eingeholten Gutachten S 298.200,-- auf den Grund und Boden und S 2,403.120,-- auf die Kläranlage, die dem Gutachten zufolge aus nachstehenden Teilen bestand:

1) Regenabscheider (Stahlbetonbecken, oben offen, Ausmaß 4 m x 2 m, Wert S 55.824,--).

2) Sandfang (Stahlbetonbecken, Ausmaß 8,1 m x 2,5 m, Wert S 187.754,--).

3) Faulbrunnen (Brunnen aus Beton, 6 m Innenweite, 9,1 m tief, Wert S 1,161.100,--).

4) Einlaufbauwerk (Betonrohrkanal, Durchmesser 80 cm, 4,5 - 6 m lang, Wert S 82.910,--).

5) Außenkanäle mit Schächten (div. Kanäle, Wert S 222.487,--).

6) Schlammtrockenbeete (Betonbeete 12,6 m x 12,3 m, Wert S 183.441,--).

7) Pumpenhaus (ebenerdiger Massivbau, 6,6 m x 4,6 m, Wert S 169.246,--).

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der beschwerdeführenden Partei erkannte der Prüfer nur der Entschädigung für Grund und Boden die Steuerbefreiung gemäß § 6 Z. 9 lit. a des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223 (UStG 1972), zu. Die auf die Kläranlage entfallende Entschädigung erachtete er hingegen als steuerpflichtig und unterwarf sie mit dem sich nach Herausrechnung der Umsatzsteuer ergebenden Nettobetrag von S 2,036.543,27 der Umsatzsteuer zum Normalsteuersatz von 18 v. H. Das zuständige Finanzamt nahm das Veranlagungsverfahren betreffend die Umsatzsteuer für 1981 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und trug im neuen Sachbescheid der Auffassung des Prüfers Rechnung.

Die beschwerdeführende Partei berief und machte im Berufungsverfahren im wesentlichen geltend, daß die gegenständliche Kläranlage eindeutig unter den Begriff „Grundstücke“ im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140 (GrEStG), und damit ebenfalls unter die Steuerbefreiung gemäß § 6 Z. 9 lit. a UStG 1972 falle. Die vor Inkrafttreten des UStG 1972 errichtete Abwasserbeseitigungsanlage sei seinerzeit dem Hoheitsbereich der Gemeinde zugeordnet gewesen und erst durch das genannte Gesetz zu einem Betrieb gewerblicher Art „umfunktioniert“ worden. Daher sei bei der Errichtung auch keine Vorsteuer in Anspruch genommen worden. Auch der geringen Abschreibung (Nutzungsdauer 30 bis 40 Jahre) sei zu entnehmen, daß es sich um keine Betriebsvorrichtung handle. Das Bauwerk sei eine unbewegliche Sache, die nicht ohne Substanzverletzung versetzt werden könne.

Die belangte Behörde gab der Berufung der beschwerdeführenden Partei mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof an-gefochtenen Bescheid nicht Folge. In der Begründung dieses Bescheides führte sie aus, gemäß der in § 6 Z. 9 lit. a UStG 1972 bezogenen Vorschrift des § 2 GrEStG umfasse der Grundstücksbegriff nicht Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Was unter Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, zu verstehen sei, werde im Gesetz nicht näher definiert. Der Begriff finde sich auch in Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955, ohne auch dort eine nähere Bestimmung zu erfahren. Twaroch-Frühwald-Wittmann führten in ihrem Kommentar zum Bewertungsgesetz als Beispiele für „Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art“ an: Kesselanlagen, Kräne, Kläranlagen, Transformatoren, Trockenschuppen, Ziegelbrennöfen, Transmissionen, Hochöfen, freistehende Gasometer, eingebaute Backöfen in einem Bäckereigrundstück, Tanks, Wehr- und Schleusenanlagen, Druckrohr-leitungen, Ausschachtungen, Stollen und das gesamte Mauerwerk von Wasserkraftanlagen (mit Ausnahme von Gebäuden), Umzäunungen und Weg- und Platzbefestigungen bei gewerblich genutzten Grundstücken und Straßendecken bei Mautstraßen. Gebäude hingegen zählten nicht zu den Maschinen und sonstigen Vorrichtungen. Aus dieser beispielsweisen Aufzählung könne hinsichtlich der sonstigen Vorrichtungen als Grundsatz abgeleitet werden, daß es sich um Einrichtungen handeln müsse, deren Aufgabe es sei, der Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Zweckes dienlich zu sein. Als Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören, seien grundsätzlich wohl alle Gegenstände anzusehen, die Zubehör eines Unternehmens seien. Der Verwaltungsgerichtshof sehe als sonstige Vorrichtungen Sachen an, die einer Betriebsanlage dienten und eigengesetzlichen Zwecken unterworfen seien (Erkenntnis vom 15. Februar 1973, Zl. 560/72, Slg. Nr. 4500/F). Nach Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, sei unter einer „Betriebsanlage“ eine Anlage zu verstehen, die gegenüber dem Grundstück einen bestimmten selbständigen Wirtschaftszweck zu erfüllen habe.

Bei der gegenständlichen Kläranlage handle es sich um eine sonstige Vorrichtung, die Teil der Betriebsanlage „Abwasserbeseitigung“ der beschwerdeführenden Gemeinde sei. Auf diesen Sachverhalt weise auch das oben erwähnte Gutachten hin. Danach lägen keinerlei Häuser oder ähnliche Gebäude vor, sondern lediglich einzelne Bauwerke, die ihren Sinn erst im Zusammenhang mit dem Kanalnetz erlangten. Zweifellos handle es sich um Einrichtungen, die der Erreichung eines bestimmten betrieblichen Zweckes, nämlich der Abwasserbeseitigung, dienten und die damit Zubehör eines Unternehmens seien, wobei auch das Unternehmen selbst durch die Fiktion des § 2 Abs. 3 UStG 1972 gegeben sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß es sich um unbewegliche Sachen handle, die nicht ohne Verletzung ihrer Substanz versetzt werden könnten. Dies treffe nach der zitierten Kommentarmeinung gleichermaßen auch auf die dort angeführten Bauwerke, wie etwa Wehr- und Schleusenanlagen, Ausschachtungen, Stollen und das gesamte Mauerwerk von Wasserkraftanlagen, zu. Der von der beschwerdeführenden Partei gewählte AfA-Satz für die Kläranlage sei für die Beurteilung des Sachverhaltes belanglos, weil sich die AfA nach der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes bemesse und in keinem Zusammenhang mit der umsatz- bzw. grunderwerbsteuerlichen Beurteilung eines Bauwerkes stehe. Auch Maschinen und sonstige Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören, könnten einem AfA‑Satz wie ein Gebäude unterliegen, wenn sie die gleiche Nutzungsdauer aufwiesen. Schließlich könne auch der Einwand nicht berücksichtigt werden, für die Kläranlage sei keine Vorsteuer in Anspruch genommen worden, weil sie vor Einführung des Umsatzsteuergesetzes 1972 errichtet worden sei. Umstände solcher Art führten nicht zur Umsatzsteuerbefreiung für den späteren Verkaufserlös, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen sei. Auch die sogenannte Anlagenentlastung sei nur im Rahmen der Bestimmungen des § 28 UStG 1972 möglich gewesen.

In der vorliegenden Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich dadurch verletzt, daß ihr zu Unrecht die Umsatzsteuer für den Verkauf einer Liegenschaft vorgeschrieben worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Anstalten zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts betrieben werden, stellen nach Körperschaftsteuerrecht (§ 2 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1966) und nach Gewerbesteuerrecht (§ 1 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes 1953) sogenannte „Hoheitsbetriebe“ dar. Abweichend von diesen Regelungen und auch abweichend vom früheren Umsatzsteuerrecht bestimmt § 2 Abs. 3 UStG 1972, daß solche Anstalten stets als Betriebe gewerblicher Art zu gelten haben. Der Unternehmensbereich der beschwerdeführenden Partei umfaßt demnach auch die von ihr besorgte Abwasserbeseitigung. Da das verfahrensgegenständliche Grundstück mit der darauf befindlichen Kläranlage unbestrittenermaßen dem angeführten Unternehmenszweck gedient hat, ist in der Lieferung des Grundstückes an den Bund gegen Entgelt (Entschädigung) ein im Rahmen des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei ausgeführter Umsatz zu erblicken. Dem steht nicht entgegen, daß der Liefervorgang nicht freiwillig, sondern im Wege der Enteignung erfolgt ist. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 zweiter Satz UStG 1972 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.

Ist sonach davon auszugehen, daß der erwähnte Vorgang einen steuerbaren Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 darstellt, kommt als gesetzliche Grundlage für das von der beschwerdeführenden Partei angestrebte Ziel, hinsichtlich der gesamten Enteignungsentschädigung keiner Umsatzbesteuerung zu unterliegen, nur die bereits wiederholt genannte Befreiungsbestimmung des § 6 Z. 9 lit. a UStG 1972 in Betracht. Diese Bestimmung befreit die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 GrEStG von der Umsatzsteuer.

Gemäß § 2 Abs. 1 GrEStG sind unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechtes zu verstehen. Was als Zubehör des Grundstückes zu gelten hat, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Zum Grundstück werden jedoch nicht gerechnet:

1. Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören,

2. .......

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde nun zur Auffassung gelangt, daß die in Rede stehende Kläranlage als eine Betriebsvorrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 GrEStG anzusehen und daher nicht zum Grundstück zu rechnen ist. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Beurteilung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß eine „Betriebsanlage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 GrEStG nicht das Vorliegen eines Gewerbebetriebes im steuerrechtlichen Sinn zur Voraussetzung hat (vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 1955, Slg. Nr. 1203/F, und vom 10. Juli 1957, Slg. Nr. 1M586. Mithin kann aus dem Umstand, daß der gemeindliche Tätigkeitsbereich der Abfuhr von Spülwasser und Abfällen nur für den Bereich der Umsatzsteuer kraft der im § 2 Abs. 3 UStG 1972 enthaltenen Fiktion als Betrieb gewerblicher. Art zu behandeln ist (die Beschwerde verwendet hiefür den Ausdruck „fiktiver Unternehmensbereich“), nicht abgeleitet werden, daß eine Betriebsanlage in diesem Bereich undenkbar wäre. Die Betriebsanlage muß, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Jänner 1958, Slg. Nr. 1751/F, ausgesprochen hat, gegenüber dem Grundstück einen bestimmten selbständigen Wirtschaftszweck zu erfüllen haben. Dies trifft aber im vorliegenden Fall zu.

Die Auffassung der belangten Behörde, daß es sich bei den einzelnen Bauwerken der Kläranlage um sonstige Vorrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 GrEStG, nicht aber um Gebäude handelt, wird von der beschwerdeführenden Partei nicht bekämpft. Lediglich das Pumpenhaus wird in der Beschwerde in einem Nebensatz und ohne weitere Begründung als gemäß § 6 Z. 9 lit. a UStG 1972 nicht der Umsatzsteuer unterliegendes Gebäude bezeichnet. Der Verwaltungsgerichtshof hegt aber unter den gegebenen Umständen keine Bedenken gegen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene rechtliche Beurteilung. Im übrigen wird die Auffassung, daß Kläranlagen in der Regel Betriebsvorrichtungen sind, auch im bewertungsrechtlichen Schrifttum - die §§ 11 Abs. 3 und 51 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 bzw. § 68 Abs. 2 des deutschen Bewertungsgesetzes vom 26. September 1974 enthalten ebenfalls den Begriff der „Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören“ - vertreten (vgl. Twaroch-Frühwald-Wittmann, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 2. Aufl., S. 246, und Rössler-Troll-Langner, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., S. 553).

Wenn die Beschwerde schließlich vorbringt, das wirtschaftliche Interesse des Bundes sei lediglich darauf gerichtet gewesen, die betreffende Grundstücksfläche für die Errichtung der geplanten Schnellstraße zu erwerben, während die Baulichkeiten der Kläranlage ohnedies abgebrochen werden müßten, so ist ihr darin durchaus beizupflichten. Das ändert aber nichts daran, daß kraft Enteignung auf den Bund tatsächlich nicht nur nackter Grund und Boden, sondern auch eine Kläranlage übergegangen ist und daß dieser Umstand bei der Schadloshaltung des Enteigneten (§ 18 des Bundesstraßengesetzes 1971) zu berücksichtigen war und auch berücksichtigt wurde. Soweit die im Streitjahr der beschwerdeführenden Partei gezahlte Entschädigung demnach auf die Kläranlage entfiel, war sie Entgelt für eine Betriebsvorrichtung und aus den oben dargelegten Gründen steuerpflichtig. Die bekämpfte Besteuerung entspricht mithin dem Gesetz.

Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen. Dies hatte, da schon ihr Inhalt erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VWGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zu erfolgen.

Mit Rücksicht auf die getroffene Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den mit ihr verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 8. September 1983

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