VwGH 83/05/0179

VwGH83/05/01796.3.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der U-Gesellschaft in W, vertreten durch Dr. Alfred Strommer, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 31. August 1983, Zl. MDR-B XIX-6/83, betreffend die Abweisung eines Ansuchens um Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BauO Wr §132;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1976/018;
BauRallg impl;
AVG §56;
BauO Wr §132;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1976/018;
BauRallg impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Wiener Magistrates vom 30. November 1976 war der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines zur Gänze unterkellerten, dreistöckigen Bürogebäudes mit einem 17 Geschosse enthaltenden Hochhaustrakt auf der Liegenschaft Wien, M-gasse 18, erteilt worden.

Mit einem, dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegten Verwaltungsakt (offensicht aus dem Jahre 1978) war die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung bis 30. November 1980 erstreckt worden. Mit Bescheid vom 4. November 1980, Zl. MA 37/19- M-gasse 18/1/80, hatte der Wiener Magistrat für das bewilligte Büro-Hochhaus gemäß § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, eine Nachfrist bis zum 1. November 1982 gewährt.

Mit Eingabe vom 29. September 1982 ersuchte die Beschwerdeführerin um (weitere) Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Baubewilligung (zu Zl. MA 37/19-M-gasse 18/1/80). Zur Begründung wurde ausgeführt, obwohl die Beschwerdeführerin mit einigen Interessenten ständig in Verhandlungen bezüglich der Errichtung des Projektes stehe, sei bis dato die Finanzierung des Bauvorhabens noch nicht gelungen. Damit die Verhandlungen mit allen Interessenten weitergeführt werden könnten und der schon bisher entstandene Planungsaufwand nicht verloren gehe, werde das Ansuchen gestellt, die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung zu verlängern. Entsprechend der Größe des Projektes werde ersucht, den Zeitraum der Verlängerung bis zur höchstmöglichen Frist auszudehnen.

Auf Grund dieses Ansuchens fand am 5. November 1982 vor der Baubehörde erster Instanz eine Verhandlung statt, bei welcher die beigezogenen Nachbarn keinen Einwand gegen eine Fristerstreckung erhoben. In einem Aktenvermerk vom gleichen Tage hielt der Verhandlungsleiter fest, daß die Baubeginnsfrist bis 1. November 1984 und die Bauzeit auf 3 Jahre erstreckt werde, wenn keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen.

Über Anfrage gab die für Fragen der Raumplanung zuständige Magistratsabteilung 21 mit Schreiben vom 15. Dezember 1982 bekannt, daß der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für das in Betracht kommende Gebiet im Hinblick auf die zu erzielende Stadtsilhouette und die Abstimmung auf den Bestand und die geänderten generellen städtebaulichen Ziele einer Überprüfung unterzogen werde und zu diesem Zweck ein Antrag auf Verhängung einer zeitlich begrenzten Bausperre eingeleitet werde. Die MA 21 könne daher einer Fristerstreckung für dieses Büro-Hochhaus nicht zustimmen.

Im Akt erliegt sodann ein Schreiben der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Stadtbaudirektion - Gruppe Baupolizei vom 25. Jänner 1983, in welchem unter Bezugnahme auf ein Arbeitsgespräch folgendes festgehalten wird: "Mit Rücksicht darauf, daß von der MA 21 eine Bausperre beantragt ist, um die zu erzielende Stadtsilhouette in Abstimmung auf den Bestand sowie bezüglich der geänderten generellen städtebaulichen Ziele einer Überprüfung zu unterziehen, sprechen die öffentlichen Interessen gegen eine Verlängerung der gegenständlichen Baubewilligung. Der Antrag ist daher abzuweisen."

Mit Bescheid des Wiener Magistrates vom 1. Februar 1983 wurde das Ansuchen um Verlängerung der Baubeginnsfrist abgewiesen. Zur Begründung wurde festgehalten, daß gemäß § 74 Abs.1 der Bauordnung die Nachfrist hätte nicht gewährt werden können, da einer Verlängerung der Baubeginnsfrist öffentliche Rücksichten insofern entgegenstünden, als der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für dieses Gebiet im Hinblick auf die zu erzielende Stadtsilhouette und die Abstimmung auf den Bestand und die geänderten generellen städtebaulichen Ziele einer Überprüfung unterzogen werden solle. Eine Fristerstreckung würde die beabsichtigten Änderungen erschweren.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, eine Abweisung eines Ansuchens nach § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien wäre nur dann berechtigt, wenn entgegenstehende konkrete und aktuelle öffentliche Rücksichten gegeben wären. Der Umstand, daß der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan einer Überprüfung unterzogen werden solle, erfülle diese Voraussetzung keinesfalls. Damit seien nämlich öffentliche Interessen, welche der beantragten Verlängerung der Baubeginnsfrist etwa entgegenstünden, nicht erwiesen und der angefochtene Bescheid enthalte diesbezüglich auch keine konkrete Begründung. Projekte wie das vorliegende würden vom Konzern der Beschwerdeführerin sehr häufig vorgenommen, um Interessenten konkrete, rasch realisierbare Verwertungsmöglichkeiten zu bieten. Durch diese Privatinitiative sei es der Beschwerdeführerin gelungen, in den letzten Jahren ein jährliches durchschnittliches Bauvolumen von je etwa 300 Mio S auszulösen. Dies sei in der derzeitigen krisenhaften Situation der Bauwirtschaft durchaus und ohne Übertreibung im Sinne einer konstruktiven firmeninternen Arbeitsplatzsicherung als wertvoller Beitrag zur Gesamtwirtschaft zu werten. Die Verweigerung der Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Baubewilligung würde daher nicht nur den Konzern der Beschwerdeführerin, sondern letzten Endes auch die Gesamtwirtschaft treffen. Diese Interessenabwägung wäre daher bei Erledigung des Ansuchens um Verlängerung der Baubeginnsfrist unbedingt vorzunehmen gewesen und hätte zu einer Stattgebung des Antrages führen müssen.

In einer zum Zwecke der Erörterung der Sach- und Rechtslage einberufenen Besprechung im Rahmen der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro vom 8. März 1983 führte ein Vertreter der Beschwerdeführerin aus, daß es bisher trotz vieler Verhandlungen mit Bauinteressenten nicht gelungen sei, einen Bauauftrag zu erlangen, um den Bau durchzuführen. Der Planungsaufwand für das vorliegende Projekt bis zum jetzigen Planungsstand würde laut Gebührenordnung ca. 6 Millionen S betragen und es sei nicht vertretbar, diese Kosten als verlorenen Aufwand zu betrachten.

Mit Schreiben der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro vom 23. März 1983 wurde die MA 21 um Bekanntgabe ersucht, welche Änderungen des Bebauungsplanes im Bereich der zu verbauenden Liegenschaft vorgesehen seien und inwieweit das gegenständliche Projekt mit der beabsichtigten Änderung unvereinbar sei. Zu dieser Anfrage gab die MA 21 in ihrer Äußerung vom 19. April 1983 bekannt, daß alle gewidmeten Hochhausstandorte (Bauklasse VI), soweit die Widmung noch nicht realisiert bzw. eine Baubewilligung noch nicht konsumiert worden sei, überprüft würden. Um eine im Hinblick auf die Stadtsilhouette nachteilige Auswirkung hintanzuhalten und weil außerdem seitens der MA 68 (Feuerwehr der Stadt Wien) gegen Hochhausbauten über 26 m Höhe Bedenken bestünden, sei für dieses Gebiet ein Antrag auf Verhängung einer zeitlich begrenzten Bausperre eingeleitet worden, in deren Schutze der Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan neu bearbeitet werde. Derzeit befinde sich der Antragsentwurf für die Verhängung der zeitlich begrenzten Bausperre zur Stellungnahme bei der örtlich zuständigen Bezirksvertretung.

Über neuerliche Anfrage teilte die MA 21 am 17. Mai 1983 mit, daß die Planungsabsichten dahin gerichtet seien, die Bauklasse VI aufzulassen. Die mögliche Kubatur des projektierten Hochhauses solle in den Bauklassen III bis V weitgehend so umgelegt werden, daß nachteilige Auswirkungen auf die Stadtsilhouette hintangehalten würden.

Zu der zuletzt genannten Äußerung nahm die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 6. Juni 1983 dahingehend Stelung, daß die Planungsabsichten der Stadt Wien nicht relevant genug seien, um ein Fristverlängerungsansuchen für eine Baubewilligung abschlägig zu behandeln, sondern daß konkrete und öffentliche Rücksichten, den Flächenwidmungsplan betreffend, vorliegen müßten. Es sei auch festzustellen, daß in unmittelbarer Nähe des Bauplatzes schon einige Hochhäuser bestünden und noch weitere geplant seien. Auch am anderen Ufer des Donaukanales sei durch ein Studentenheim eine Hochhausverbauung erfolgt, sodaß nicht schlüssig und einsichtig sei, warum für den Bauplatz die Bauklasse VI aufgelassen werden sollte. Sowohl aus architektonischen als auch aus städtebaulichen Gründen scheine der Beschwerdeführerin eine Änderung des Bebauungsplanes nicht zwingend notwendig, weil durch die bestehende Verbauung und allfällig noch in Planung befindliche Bauten die Stadtsilhouette in diesem Bereich sicherlich nicht nachteilig beeinflußt werde. Weiters würde bei einer Änderung der Planung der bisherige Aufwand, der tarifmäßig in der Größenordnung von einigen Millionen S liege, verloren sein, was der Beschwerdeführerin sicher nicht zugemutet werden könnte.

In ihrer Sitzung vom 31. August 1983 wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. In dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro vom gleichen Tage wird nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens die Auffassung vertreten, ein Rechtsanspruch auf Verlängerung der Baubeginnsfrist im Sinne des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien sei nicht gegeben. Entscheidungswesentlich sei, ob ein begründeter Ausnahmefall vorliege, der eine Verlängerung der Baubeginnsfrist als rechtlich möglich erscheinen ließe. Die Beschwerdeführerin habe nur dargetan, daß das Projekt erstellt worden sei, um Interessenten konkrete, rasch realisierbare Verwertungsmöglichkeiten zu bieten. Bisher sei es trotz vieler Verhandlungen mit Bauinteressenten nicht gelungen, einen Bauauftrag zu erreichen und den Bau durchzuführen. Dieser Umstand könne einen begründeten Ausnahmefall im Sinne des § 74 Abs. 1 der Bauordnung nicht darstellen. An dieser Auffassung vermöge auch der Hinweis auf eine in letzter Zeit ungünstige Entwicklung der Bauwirtschaft nichts zu ändern, da die Beschwerdeführerin nichts dargetan habe, was darauf schließen lasse, daß das Bauvorhaben in absehbarer Zukunft verwirklicht werden könnte. Der erstinstanzliche Bescheid sei demnach schon mangels Vorliegens eines begründeten Ausnahmefalles rechtmäßigerweise ergangen und es sei daher nicht weiter zu prüfen, ob die im erstinstanzlichen Verfahren angeführten öffentlichen Interessen, die einer Verlängerung der Baubeginnsfrist entgegenstehen sollten, die Abweisung des Antrages bei Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls rechtfertigen würden. Lediglich am Rande sei darauf verwiesen, nach der Aktenlage seien die Planungsabsichten inzwischen auch soweit konkretisiert worden, daß die hier wahrzunehmenden öffentlichen Interessen einer Verlängerung der Baubeginnsfrist entgegenstünden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Als Beschwerdepunkt wird geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei unter Außerachtlassung der gesetzlichen Anforderungen des § 74 der Bauordnung für Wien im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften der Bauordnung sowie der Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 erlassen worden. Die Beschwerdeführerin sei - so ist das weitere Vorbringen zu verstehen - in ihrem Recht auf Verlängerung der Baubeginnsfrist verletzt worden.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter dem Titel der Unzuständigkeit der belangten Behörde wird in der Beschwerde behauptet, die Magistratsdirektion habe durch Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Zuständigkeit in oberster Instanz in Bausachen in Anspruch genommen, die ihr de iure nicht zukomme. Der angefochtene Bescheid sei im Namen der Magistratsdirektion der Stadt Wien ausgefertigt, was insbesondere aus der Fertigungsklausel "Für den Magistratsdirektor: Dr. M, Obersenatsrat" hervorgehe. Der Magistratsdirektor sei nicht einmal Mitglied, geschweige denn Vorsitzender der Bauoberbehörde. In diesem Zusammenhang sei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1983, Zl. 82/17/0068, hinzuweisen, wobei im vorliegenden Beschwerdefall die Sach- und Rechtslage deswegen noch bedenklicher sei, weil der Magistratsdirektor überhaupt nicht Mitglied der Bauoberbehörde sei. Er sei nämlich nicht "Vorstand der zur Bearbeitung der Berufungsfälle zuständigen Magistratsabteilung", sondern Leiter des inneren Dienstes des gesamten Magistrates. Vorstand der zur Bearbeitung der Berufungsfälle zuständigen Magistratsabteilung sei nämlich der Leiter der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro, OSR Dr. M. Dieser sei aber nur Mitglied und nicht Vorsitzender der Bauoberbehörde und daher zur Fertigung nicht zuständig.

Diesem Vorbringen kommt nach Auffassung des erkennenden Senates des Verwaltungsgerichtshofes keine Berechtigung zu.

Nach § 136 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, (BO) steht gegen Bescheide des Magistrates, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, den Parteien das Recht der Berufung an die Bauoberbehörde zu, die endgültig entscheidet.

Bei der Bauoberbehörde für Wien handelt es sich um eine neben der Landesregierung und mit ihr auf gleicher Stufe stehende Landesbehörde, der bereits auf Grund der Bestimmung des Art. 111 B-VG in Angelegenheiten des Bauwesens die Entscheidung in oberster Instanz zusteht. Daran hat auch die B-VG Novelle 1962 über die Rechtsstellung der Gemeinden nichts geändert, weil Art. 111 B-VG von dieser Novelle nicht erfaßt wurde. Die Zusammensetzung und Bestellung dieser Kollegialbehörde wird in § 138 BO näher geregelt. Der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid läßt nun eindeutig erkennen, daß die Bauoberbehörde für Wien in ihrer Sitzung vom 31. August 1983 über die Berufung der Beschwerdeführerin entschieden hat und dieser Sitzungsbeschluß durch den angefochtenen Bescheid von der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Rechtsmittelbüro ausgefertigt wurde. Gegen die Intimation der Entscheidungen der Bauoberbehörde für Wien durch den Wiener Magistrat bestehen nach der ständigen Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken (vgl. die bei Geuder/Hauer, Das Wiener Baurecht, 2. Auflage, zitierten Entscheidungen), sodaß die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob der Leiter der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro zur Unterfertigung des angefochtenen Bescheides namens der Bauoberbehörde für Wien berechtigt sei, nicht näher erörtert werden mußte. Dazu kommt, daß das Rechtsmittelbüro keine eigene Magistratsabteilung ist, sondern ein Teil der vom Magistratsdirektor geleiteten Magistratsdirektion. Da weder die Bauordnung für Wien noch die maßgebenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen eine Anordnung des Inhalts kennen, daß im Falle einer Entscheidung durch eine Kollegialbehörde der Vorsitzende der Kollegialbehörde den Bescheid auszufertigen hat, liegt die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht vor. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1983, Zl. 82/17/0068, war schon deshalb nicht einzugehen, weil Gegenstand dieser Entscheidung die Frage der Ausfertigung von Bescheiden durch die Abgabenberufungskommission nach der Wiener Abgabenordnung war, diese Bestimmungen aber im Beschwerdefall nicht anzuwenden sind.

Unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behauptet die Beschwerdeführerin, ein begründeter Ausnahmefall für eine Verlängerung der Baubeginnsfrist liege schon deswegen vor, weil es für ein Unternehmen im Konzern der Beschwerdeführerin mit fast 4000 Mitarbeitern einfach eine Überlebensfrage darstelle, mit modernen Marketing-Methoden die Arbeitsplätze zu sichern; ein Niedergang eines solch bedeutenden Unternehmens wäre für die Republik Österreich ganz einfach eine gesamtwirtschaftliche Katastrophe. Die Beschwerdeführerin müßte in der Lage sein, für Großunternehmen und auch die Republik Österreich als Bauherren baureife und genehmigte Projekte zur Verfügung zu haben, um nicht im Bedarfsfall erst ein oft mehrjähriges Baubewilligungsverfahren durch alle Instanzen und bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes abwarten zu müssen, bevor mit dem Bau begonnen werden könne. Bis dahin seien nicht nur die Baupreise weiter gestiegen, sondern der Bauherr könne das Interesse verloren haben oder er habe seinen Bedarf anderswo rascher decken können, das heiße, ein solcher Umstand wirke sich auch konjunkturpolitisch für die Stadt Wien äußerst nachteilig aus und hätte eine Freisetzung von Arbeitskräften zur Folge. Allein die Planung für ein solches Projekt mache bereits mehrere Millionen S aus; derartige Projekte seien für sich allein wegen ihrer Dimension schon ein begründeter Ausnahmefall, weil sie ein gesamtwirtschaftspolitisches Element darstellten. Die bisherige Vorgangsweise der Beschwerdeführerin betreffend solche Großprojekte habe sich bestens bewährt und bei Verlängerungen der Genehmigungen seien bisher keine Schwierigkeiten aufgetreten. Die Stadt Wien habe dadurch viele Bauherren im städtischen Bereich zufriedenstellen können. Diese Erwägungen würden umso mehr gelten, als die bezogenen Gesetzesstellen sogar einen Rechtsanspruch auf Verlängerung dann einräumten, wenn ein - auch privater - Bauwerber bloß glaubhaft mache, daß er um eine Förderung aus öffentlichen Mitteln angesucht habe und die Voraussetzungen für die Zuteilung solcher Mittel gegeben seien. In diesen Fällen sei es weder notwendig, daß ein begründeter Ausnahmefall vorliege, noch sei es notwendig, daß öffentliche Rücksichten nicht entgegenstünden. Wenn man diese beiden Tatbestände der gesetzlichen Regelung betrachte, komme man zu dem Ergebnis, daß bei einem begründeten Ausnahmefall der Behörde durch den Gesetzgeber die Ausnahmegewährung in ihr Ermessen gelegt werde, selbst wenn keine öffentlichen Rücksichten entgegenstünden, während bei einer Glaubhaftmachung des Ansuchens um Förderung aus öffentlichen Mitteln selbst bei Entgegenstehen öffentlicher Rücksichten ein Rechtsanspruch auf Verlängerung bestehe, wobei ein solches Bauvorhaben nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein müsse; in der Regel werde hier sogar nur das privatwirtschaftliche Interesse des Bauwerbers vorliegen. Eine derartige Regelung begegne auch Bedenken hinsichtlich des Gleichheitssatzes, weshalb angeregt werde, dem Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesstelle zur Prüfung vorzulegen.

Nach § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien wird die Baubewilligung unwirksam, wenn binnen zwei Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung nicht begonnen oder der Bau nicht innerhalb zweier Jahre nach Baubeginn vollendet wird. Bei umfangreichen Bauten, insbesondere Monumentalbauten, Anstaltsgebäuden u. dgl., oder wenn sich eine Baubewilligung auf mehrere Baulichkeiten bezieht, ist in der Baubewilligung eine längere Vollendungsfrist zu setzen, die nach der Lage des Falles unter Bedachtnahme auf eine ordnungsgemäße Fortführung der Bauten als notwendig erkannt wird. In begründeten Ausnahmefällen kann die Baubeginns- und Bauvollendungsfrist verlängert werden, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen. Dabei ist insbesondere auf Änderungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes Bedacht zu nehmen. Auf Verlängerung der Baubeginnsfrist besteht ein Rechtsanspruch, wenn der Bauwerber glaubhaft macht, daß für den Bau um eine Förderung aus öffentlichen Mitteln angesucht worden ist und die Voraussetzungen für die Zuteilung solcher Mittel gegeben sind, die Entscheidung der hiefür zuständigen Stelle aussteht und die Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie nicht abgeändert oder aufgelassen worden ist. Die Bauvollendungsfrist ist zu verlängern, wenn der Nachweis der Sicherstellung der finanziellen Mittel erbracht wird und die Fundamente bereits ausgeführt worden sind. Diese Bestimmungen berühren nicht die Baubeginns- und Bauvollendungsfristen im Enteignungsverfahren.

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, unterscheidet der Landesgesetzgeber in § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien zwei Fälle betreffend Ausnahmen von dem Grundsatz, daß Baubewilligungen unwirksam werden, wenn binnen zwei Jahren nach ihrer Rechtskraft mit der Bauführung nicht begonnen wird. In Fällen, in denen der Bauwerber glaubhaft macht, daß er für den Bau um eine Förderung aus öffentlichen Mitteln angesucht hat und die Voraussetzungen für die Zuteilung solcher Mittel gegeben sind, die Entscheidung der hierfür zuständigen Stelle jedoch noch aussteht, besteht ein Rechtsanspruch auf Verlängerung der Baubeginnsfrist, wenn die Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie nicht abgeändert oder aufgelassen worden ist. Davon unterscheidet sich der zweite in dieser Gesetzesstelle geregelte Fall einer Verlängerung der Baubeginnsfrist, wo der Gesetzgeber selbst bei Vorliegen eines "begründeten Ausnahmefalles" und dem Fehlen entgegenstehender öffentlicher Rücksichten die Entscheidung in das Ermessen der Behörde stellt. Gegen diese Normierungen des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien hat der Verwaltungsgerichtshof aus der Sicht des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahin daß, wie die Beschwerdeführerin behauptet, der auch den Gesetzgeber bindende verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verletzt wäre. Soll doch dann, wenn der Bauwerber berechtigt ist, zur Verwirklichung seines Bauvorhabens eine Förderung aus öffentlichen Mitteln in Anspruch zu nehmen, er nicht dadurch seines Rechts, entsprechend einer erteilten Baubewilligung zu bauen, verlustig gehen, weil die zur Vergabe der Förderung zuständige Stelle über das eingebrachte Ansuchen noch nicht entschieden hat. In einem solchen Fall hat sich der Bauwerber um die Verwirklichung seines Bauvorhabens bemüht und die Bauführung wurde nur noch deshalb nicht begonnen, weil in Anspruch zu nehmende öffentliche Mittel noch nicht zugeteilt wurden. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatzes liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn der Gesetzgeber für einen Fall dieser Art einen Rechtsanspruch auf Verlängerung der Baubeginnsfrist festsetzte, für alle anderen Fälle jedoch andere Kriterien der Zulässigkeit einer Ausnahme normierte. Hier wird nicht gleiches, sondern ungleiches ungleich behandelt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, im Sinne der Anregung der Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß es der Beschwerdeführerin freigestanden wäre, den angefochtenen Bescheid unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof anzufechten und ihre verfassungsrechtlichen Bedenken in einer solchen Beschwerde (Art. 144 B-VG) darzulegen.

Voraussetzung für eine Verlängerung der Baubeginnsfrist gemäß § 74 Abs. 1, erster Satz, der Bauordnung für Wien ist einerseits ein "begründeter Ausnahmefall", andererseits das Fehlen entgegenstehender öffentlicher Interessen, insbesondere aus dem Gesichtspunkt des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes. Erst dann kommt eine Ermessensübung in Betracht.

Was ein begründeter Ausnahmefall im Sinne der zitierten Bestimmung ist, ergibt sich nur im Zusammenhang mit dem im ersten Satz des Abs. 1 normierten Regelfall, in dem der Gesetzgeber davon ausgeht, daß der Bauwerber innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft der Baubewilligung mit der Bauführung zu beginnen hat, also voraussetzt, daß der Bauwerber erst dann um eine Baubewilligung ansucht, wenn die rechtliche und wirtschaftliche Situation so weit abgeklärt ist, daß er bei üblichem Verlauf der Angelegenheit mit der Einhaltung der Frist rechnen kann. Ein "Ausnahmefall" kann also nur vorliegen, wenn durch eine untypische Entwicklung, entgegen bestehender Erfahrungen, Hindernisse eintreten, die den fristgerechten Baubeginn verzögern. "Begründet" ist der Ausnahmefall, wenn der Bauwerber dartut, daß trotz zumutbarer Bemühungen solche nicht zu erwartende Hindernisse aufgetreten sind.

Dieser Verpflichtung ist die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Der dargelegte Begriff des "begründeten Ausnahmefalles" schließt es aus, darunter Fälle zu subsumieren, in denen ein Großunternehmen Baubewilligungen gewissenermaßen auf Vorrat "im Sinne moderner Marketingmethoden" bereithält, ohne daß schon dem Antrag ein konkreter Bauwille zugrundelag. Muß der Unternehmer doch mit einiger Wahrscheinlichkeit auch damit rechnen, in zwei Jahren nicht genügend Bauinteressenten zu finden, um die aus der Baubewilligung erfließenden Rechte auszuüben; die Realisierung hängt also von völlig ungewissen Ereignissen ab. Der Hinweis auf die Sicherung von Arbeitsplätzen (udgl.) geht in diesem Zusammenhang völlig ins Leere.

Nun ist zwar der belangten Behörde insofern ein Verfahrensmangel unterlaufen, als erst sie (und nicht schon die Behörde erster Instanz) sich mit Frage beschäftigte, ob überhaupt ein begründeter Ausnahmefall im Sinne des § 74 Abs. 1 der Bauordnung vorliege, und sie daher dies mit dem Antragsteller hätte erörtern müssen. Es wäre jedoch Sache der Beschwerdeführerin gewesen, in ihren Ausführungen vor dem Verwaltungsgerichtshof die Relevanz dieses Mangels darzutun, also anzugeben, welche (zureichenden) Gründe sie dann hätte geltend machen können. Da die Beschwerdeführerin aber auch in der Beschwerde nur auf die "Notwendigkeit" hingewiesen hat, für allfälligen künftigen Bedarf Baubewilligungen zu erwirken, was, wie erwähnt, einen begründeten Ausnahmefall nicht darstellt, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid somit in ihren Rechten nicht verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 6. März 1984

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