VwGH 82/14/0092

VwGH82/14/009218.1.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde der E und des AH, beide in Salzburg, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, Petersbrunnstraße la, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat) vom 9. Juli 1981, Zl. 52/7-GA 3BK-DA/1981, betreffend Umsatzsteuer 1976 und 1977 und einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1976 und 1977, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §76 Abs1 lita;
BAO §76 Abs1 litc;
BAO §76 Abs1 litd;
BAO §76 Abs1 lita;
BAO §76 Abs1 litc;
BAO §76 Abs1 litd;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer sind Ehegatten und je zur Hälfte Eigentümer des Hauses H. Nr. 26 in S. Eine die Jahre 1976 und 1977 umfassende abgabenbehördliche Prüfung kam zu dem Ergebnis, das Mietverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der Firma U. Verlags-Ges.m.b.H. (im folgenden Text abgekürzt "Ges.m.b.H."), das den Abgabenerklärungen der Beschwerdeführer und den auf diesen beruhenden Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheiden des Finanzamtes für 1976 und 1977 zugrunde gelegt worden war, sei als Mißbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO zu qualifizieren - das Einfamilienhaus H. Nr. 26 diene nicht zur Erzielung von Einnahmen, zugehörige Ausgaben könnten nicht als Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG 1972 anerkannt werden.

Dieser Auffassung folgend nahm das Finanzamt die entsprechenden Verfahren wieder auf und erließ Bescheide, wonach eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1976 und 1977 nicht stattfinde und Umsatzsteuer für diese Jahre nicht festgesetzt werde.

In ihrer Berufung gegen diese Bescheide führten die Beschwerdeführer aus, bei einer Dienstwohnung handle es sich keinesfalls um eine Umgehungshandlung, sondern "um eine mögliche Darstellungsform". Es gebe nach wie vor die Möglichkeit, einem Dienstnehmer eine Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen, nirgends sei die Rede davon, wer Eigentümer der Liegenschaft (auf der sich die Dienstwohnung befinde) sein dürfe.

Der Prüfer nahm zu diesem Vorbringen dahin Stellung, es liege eine Umgehungshandlung hier darin, daß die Beschwerdeführer ihr Einfamilienhaus an die Ges.m.b.H. vermietet hätten und die Ges.m.b.H. die Wohnung in diesem Haus den Beschwerdeführern wiederum in Form eines Sachbezuges zur Verfügung stelle; das Einfamilienhaus könne als notwendiges Privatvermögen nicht der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen.

Eine auf dieser Auffassung beruhende für sie negative Berufungsvorentscheidung setzten die Beschwerdeführer durch den Antrag, über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden, außer Wirksamkeit.

In der von der belangten Behörde antragsgemäß durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Vertreter der Beschwerdeführer noch vor dem Vortrag des Berichterstatters, daß er den Vorsitzenden des Berufungssenates ablehne, weil dessen Ehegattin Gruppenleiterin des mit der Prüfung betraut gewesenen Beamten sei. Im übrigen führte der Vertreter der Beschwerdeführer aus, aus gebührenrechtlichen Gründen bestünden über die Vermietung des Hauses an die Ges.m.b.H. keine schriftlichen Verträge; ein Teil der Liegenschaft sei in das Betriebsvermögen "der KG." (?) aufgenommen worden und aus diesem Grund nehme der Vertreter der Beschwerdeführer an, daß das Gebäude bewertungsrechtlich kein Einfamilienhaus sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom 9. Juli 1981 ab und führte zur Begründung dafür im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten, schon als sie die in Frage stehende Liegenschaft erwarben, die Absicht gehabt, in den miterworbenen Bauwerken ihren Familienwohnsitz einzurichten bzw. auszubauen. Zwar bleibe es dem Eigentümer unbenommen, seine Liegenschaft samt darauf errichteten Bauwerken an eine juristische Person zu vermieten, ebenso wie es dem Dienstgeber freistehe, einem Dienstnehmer eine Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen. Für das Steuerrecht sei jedoch der wahre wirtschaftliche Gehalt eines Sachverhaltes maßgebend. Im gegebenen Fall hätten die Beschwerdeführer den behaupteten Mietvertrag mit einer Ges.m.b.H. abgeschlossen, an der sie zu 50 % der Anteile beteiligt und deren alleinige Geschäftsführer sie seien, mit der weiteren Folge, daß ihnen die Ges.m.b.H. als Mieterin das Mietobjekt zur Befriedigung ihrer privaten Wohnbedürfnisse als "Dienstwohnung" überlasse. Die restlichen 50 % Anteile an der Ges.m.b.H. stünden im Eigentum der ehelichen Tochter der beiden Beschwerdeführer, also einer nahen Angehörigen, der rechtlich keine Handhabe geboten sei, sich gegen den Willen ihrer Eltern durchzusetzen. Die Beschwerdeführer benützten offenkundig die von ihnen maßgeblich beherrschte Ges.m.b.H. als Mittel zu dem von ihnen konsequent angestrebten Zweck, ihr notwendiges Privatvermögen an ihrem Einfamilienhaus zur Erlangung steuerlicher Vorteile auf dem Umweg über die Vermietung an die Ges.m.b.H. der betrieblichen Sphäre zuzuführen und schließlich ihr Eigentum als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Steuerlich sei es "vollkommen untragbar, das eigene Einfamilienhaus als Dienstwohnung anerkannt" zu erhalten, auch wenn dies auf dem hier eingeschlagenen Umweg erfolgen solle. Begreiflicherweise hätten die Beschwerdeführer kein Interesse daran gehabt, ihre Umgehungshandlungen durch schriftlichen Abschluß der behaupteten Rechtsgeschäfte nach außen zum Ausdruck zu bringen, welches Kriterium aber bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen gegeben sein müsse. Steuerlich sei jedenfalls weder ein Mietverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der Ges.m.b.H. noch die Dienstwohnungseigenschaft anzuerkennen. Vielmehr seien nach § 22 Abs. 2 BAO die Abgaben so zu erheben wie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung, was bedeute, daß der Grundstücksgemeinschaft der beiden Beschwerdeführer die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 fehle und eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1976 und 1977 zu unterbleiben habe.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 26. Februar 1982, B 542/81-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Art. 144 Abs. 3 B-VG). Hier wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerde zunächst darin, daß in Ansehung der Person des Vorsitzenden des Berufungssenates, der den angefochtenen Bescheid erlassen hat, der Befangenheitsgrund des § 76 Abs. 1 lit. a, sicherlich aber jener des § 76 Abs. 1 lit. c BAO deshalb gegeben gewesen sei, weil die Beamtin, die an der Erlassung des Bescheides erster Instanz mitgewirkt (nämlich diesen als Approbant unterfertigt) hat, die Ehegattin jenes Vorsitzenden ist.

Den Befangenheitsgrund des § 76 Abs. 1 lit. a BAO verwirklicht dieser Sachverhalt indes nicht, weil dieser, soweit er an die Angehörigeneigenschaft (§ 25 BAO) anknüpft, nur gegeben ist, wenn es sich um die Abgabenangelegenheit eines dieser Angehörigen handelt. Es ist aber offensichtlich, daß dem hier gegebenen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der für die Annahme eines Befangenheitsgrundes wesentlichen Interessenkollision erheblich geringeres Gewicht zukommt, als dem vom Gesetz umschriebenen. Ähnlich geringeres Gewicht kommt diesem hier gegebenen Sachverhalt auch im Verhältnis zu dem vom Gesetz umschriebenen Befangenheitstatbestand des § 76 Abs. 1 lit. d BAO zu, der annimmt, daß es das befangene Organ selbst (und nicht bloß einer seiner Angehörigen) war, das an der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Vorinstanz mitgewirkt hat. Da der Gesetzgeber die Grenzen der von ihm vorgesehenen Befangenheitstatbestände sowohl der lit. a wie der lit. d des § 76 Abs. 1 BAO offensichtlich bewußt so gezogen hat, daß sie den hier gegebenen Sachverhalt nicht mitumfassen, kann er für sich allein gesehen auch noch nicht einer der "sonstigen wichtigen Gründe" sein, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des einschreitenden Organs der Abgabenbehörde in Zweifel zu ziehen, sondern es müßte in jedem konkreten Fall noch wenigstens ein weiteres Sachverhaltselement hinzutreten, aus dem zu schließen wäre, das Organ ließe sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten. Solche zusätzliche konkrete Umstände vermag die Beschwerde selbst nicht zu behaupten, so daß auch ein Befangenheitsgrund nach § 76 Abs. 1 lit. c BAO nicht vorlag und eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch Unterbleiben der Wahrnehmung einer Befangenheit nicht unterlaufen ist. Unrichtig hingegen ist die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Meinung, die Nichtbeachtung einer selbst wirklich bestehenden Befangenheit hätte kein wesentlicher Verfahrensmangel sein können, weil aus dem Inhalt der Beratungsniederschrift zu erkennen sei, daß "die eine Stimme des Vorsitzenden für die schließlich gefällte Entscheidung nicht ausschlaggebend war". Diese Auffassung verkennt den Sinn der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Kollegialbehörden und das Wesen der Willensbildung innerhalb solcher Behörden, die grundsätzlich im Rahmen der vom Kollegium vorzunehmenden Beratung von jedem Mitglied des Kollegiums unabhängig vom später erzielten Abstimmungsergebnis wesentlich beeinflußt werden kann, so daß die Nichtberücksichtigung einer auch nur bei einem Mitglied - wie immer letztlich abgestimmt worden sein mag - bestehenden Befangenheit stets die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ist, von der nicht von vornherein gesagt werden kann, sie hätte auf das Ergebnis der Entscheidung keinesfalls einen Einfluß gehabt.

In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß der behauptete Mietvertrag zwischen den Beschwerdeführern und der Ges.m.b.H., deren alleinige Geschäftsführer sie sind und deren Anteile zu je 25 % in ihrem Eigentum und zu 50 % im Eigentum ihrer gemeinsamen Tochter stehen, für den Bereich des Steuerrechts nur anerkannt werden kann, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, unter denen Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für diesen Bereich anzuerkennen sind. Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung (Erkenntnis vom 18. Mai 1977, Zlen. 346, 453/77, Slg. N. F. Nr. 5139/F, und die dort zitierte weitere Judikatur), daß die Vereinbarungen

1. nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, weil sonst steuerliche Folgen willkürlich herbeigeführt werden könnten;

2. eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und

3. auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären.

Da der von den Beschwerdeführern behauptete Mietvertrag keinen schriftlichen Niederschlag gefunden hat und die Beschwerdeführer auch sonst nichts vorgebracht haben, aus dem sich ergäbe, daß dieser Mietvertrag in einer Zweifel ausschließenden Weise nach außen als Mietvertrag zum Ausdruck gekommen ist, erfüllt er schon die eben unter 1. angeführte Voraussetzung nicht. Also war er für den Bereich des Steuerrechts nicht anzuerkennen, was zur Folge hat, daß alle weiteren Erörterungen darüber, ob dieser Vertrag einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 22 BAO darstellte oder nicht, entbehrlich sind. Ebenso unerheblich war die von der belangten Behörde in ihrem Bescheid vorausgesetzte Absicht der Beschwerdeführer, in dem erworbenen Bauwerk ihren Familienwohnsitz zu begründen, so daß auf die im Zusammenhang mit dieser Annahme von der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel nicht einzugehen war.

Denn im Ergebnis erweist sich der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen jedenfalls als der Sach- und Rechtslage entsprechend, was zur Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde führen mußte (§ 42 Abs. 1 VwGG 1965).

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 18. Jänner 1983

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