VwGH 82/10/0012

VwGH82/10/001226.4.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Öhler, Mag. Onder, Dr. Hnatek und Dr. Stoll als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde der DH in S, vertreten durch Dr. Rudolf Hanifle, Rechtsanwalt in Zell am See, Schillerstraße 22, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 17. November 1981, Zl. 1038/29‑4/81, betreffend Beurteilung einer Reifeprüfung, zu Recht erkannt:

Normen

ReifeprüfungsV AHS 1975 §17 Abs1
SchUG LeistungsbeurteilungsV 1974 §11 Abs1
SchUG 1974 §38 Abs4
SchUG 1974 §39 Abs1
SchUG 1974 §70 Abs3
SchUG 1974 §71 Abs2 litc
SchUG 1974 §71 Abs4
SchUG 1974 §71 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982100012.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Weiters wird der Antrag, den angefochtenen Bescheid abzuändern, für den Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides jedoch, der belangten Behörde oder deren Unterinstanzen die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen, zurückgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 5.080,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die eigenberechtigte Beschwerdeführerin unterzog sich zum Haupttermin 1981 am Bundesrealgymnasium Zell am See der Reifeprüfung. Die Beurteilung ihrer Leistung in Latein lautete im Jahreszeugnis der 8. Klasse auf „Befriedigend“. Die Beurteilung ihrer Lateinschularbeiten hatte in dieser Schulstufe im ersten Halbjahr (zwei schriftliche Arbeiten) auf „Nicht genügend“ und „Gut“, im zweiten Halbjahr (eine schriftliche Arbeit) auf „Gut“ gelautet. Laut Entscheidung der Reifeprüfungskommission bestand die Beschwerdeführerin die Reifeprüfung nicht, weil die Leistungen in den Prüfungsgebieten Deutsch und Latein mit „Nicht genügend“ beurteilt wurden. Die Teilbeurteilung der Klausurprüfung in Latein hatte auf „Genügend“, die Teilbeurteilung der mündlichen Prüfung in diesem Prüfungsgebiet auf „Nicht genügend“ gelautet. Von der Prüfungskommission war die Ansicht vertreten worden, daß das Gesamtbild der Leistungen in diesem Prüfungsgebiet eine bessere Note als „Nicht genügend“ auch unter Berücksichtigung der Leistungen in der letzten Schulstufe nicht erlaube.

Die Beschwerdeführerin bekämpfte diese Entscheidung innerhalb der Frist des § 71 Abs. 2 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. l74/139, in der Fassung BGBl. 1977/231 (in der Folge: SchUG), gerechnet ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung, ausschließlich mit der Begründung, daß die Beurteilung der Leistung im Prüfungsgebiet Latein bei richtiger Anwendung des § 38 Abs. 4 zweiter und dritter Satz SchUG im Hinblick auf die in der 8. Klasse erbrachten Leistungen in Latein hatte mit „Genügend“ beurteilt werden müssen. Deshalb sei eine in § 71 Abs. 4 SchUG vorgesehene Prüfung entbehrlich, die Beschwerdeführerin werde zu einer solchen nicht antreten.

Der Landesschulrat für Salzburg wies mit seinem Bescheid vom 17. Juli 1981 die Berufung ab und sprach aus, daß die Beschwerdeführerin die Reifeprüfung im Haupttermin 1981 nicht bestanden habe, weil auch unter Einbeziehung der mit Genügend beurteilten Klausurarbeit und unter Berücksichtigung der Jahresleistung die vor der Prüfungskommission gezeigte Leistung völlig negativ gewesen sei.

Die hiegegen von der Beschwerdeführerin fristgerecht erhobene Berufung wies der Bundesminister für Unterricht und Kunst (in der Folge: belangte Behörde) mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid ab und sprach darin aus, daß die Beschwerdeführerin die Reifeprüfung im Haupttermin 1981 nicht bestanden habe. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, daß „bei der Erstellung der Gesamtbeurteilung“ im Sinn des § 38 Abs. 4 SchUG nicht die Note „die bei der 8. Klasse erzielt wurde“ zu berücksichtigen sei, sondern „die Leistungen“ während des Unterrichtsjahres; dies bedeute, daß auch die einzelnen während der 8. Klasse erbrachten Leistungen in diese Überlegungen einzubeziehen seien. Zur Gesamtbeurteilung stellte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides folgende Erwägungen an:

Die schriftliche Klausurarbeit habe einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad gehabt und sei mit „Genügend“ sehr mild beurteilt worden. Für die mündliche Prüfung sei eine besonders leichte Textstelle mit bekannter Situation (Frage Alexander des Großen an Diogenes, was sich dieser von ihm wünsche) vorgegeben gewesen. Trotzdem seien von der Beschwerdeführerin während des Übersetzens dieser ‑ auf Grund der Bekanntheit der geschilderten Situation und auf Grund der grammatischen Standardsituation als besonders leicht zu bezeichnenden ‑ Textstelle zehn schwerwiegende Fehler gemacht worden; dies habe ein totales Versagen bewiesen. Das Ergebnis der beiden Teilbeurteilungen der Reifeprüfung zusammen sei daher mit „Nicht genügend“ zu beurteilen gewesen. Die Berücksichtigung der Leistungen, die in der 8. Klasse erbracht worden seien, führe nicht „automatisch“ zu einem positiven Gesamtergebnis. Die Leistungen seien entsprechend zu gewichten; dabei seien die auf „Genügend“ lautende Semesterbeurteilung, die mit „Gut“ äußerst mild beurteilte einzige Schularbeit im zweiten Semester und die überwiegend negative Mitarbeit während des Unterrichtsjahres der 8. Klasse zu berücksichtigen gewesen. Die Beurteilung über die 8. Klasse ergebe daher ein schwaches „Befriedigend“, so daß auf Grund des eindeutigen „Nicht genügend“ als Beurteilung über die während der Reifeprüfung gezeigten Leistungen die während der 8. Klasse erbrachten Leistungen keine positive Gesamtbeurteilung in Latein zuließen. Die Richtigkeit der Beurteilung mit „Nicht genügend“ habe auf Grund der Unterlagen festgestellt werden können, die Durchführung einer kommissionellen Prüfung sei nicht erforderlich. Die Beurteilung im Prüfungsgebiet Deutsch sei in der Prüfung nicht angefochten worden. Die für richtig erkannten Beurteilungen mit „Nicht genügend“ in Deutsch und Latein führten zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen für ein Bestehen der Reifeprüfung nicht gegeben seien.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid, wie aus der Gesamtheit der Beschwerdeausführungen hervorleuchtet, in ihrem Recht darauf verletzt, daß im Prüfungsgebiet Latein die Leistungen bei der Reifeprüfung zum Haupttermin 1981 mit Rücksicht auf ihre in dem dieses Prüfungsgebiet bildenden Unterrichtsgegenstand in der 8. Klasse erbrachten Leistungen mit einer besseren Note als „Nicht genügend“ beurteilt werden und in ihrem Recht darauf, daß die Gesamtbeurteilung ihrer Leistungen bei dieser Reifeprüfung mit „bestanden“ festgesetzt werde (Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965). Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, daß der Schulbehörde erster Instanz und der Reifeprüfungskommission aufgetragen werde, die Benotung in Latein mit „Genügend“ vorzunehmen und der Beschwerdeführerin für die Reifeprüfung die Gesamtbeurteilung „bestanden“ zuzuerkennen, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde oder deren Unterinstanzen die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 42 Abs. 2 VwGG 1965 kommt dem Verwaltungsgerichtshof in Bescheidbeschwerdesachen eine Befugnis zu reformatorischer Entscheidung ebensowenig zu, wie die Befugnis, mit dem Spruch über die Aufhebung eines Bescheides einen Auftrag zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch die Behörde zu verbinden. Die Pflichten der Verwaltungsbehörden für den Fall der Stattgebung einer Beschwerde ergeben sich aus § 63 Abs. 1 VwGG 1965. Die in der Beschwerde gestellten Anträge, den angefochtenen Bescheid abzuändern, oder für den Fall der Bescheidaufhebung Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen, waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenschrift erwogen:

In der Vorlage der Berufung gegen die Entscheidung der Prüfungskommission an die Schulbehörde erster Instanz wurde vom Schulleiter die Ansicht vertreten, die Berufung sei verspätet, weil sie nicht innerhalb von 5 Tagen ab der am Tag der mündlichen Prüfung (17. Juni 1981) erfolgten Verkündung der Entscheidung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission erhoben worden sei. Die Schulbehörden haben sich in ihren Entscheidungen mit dieser Frage nicht befaßt. Da es bei Verspätung der Berufung an der funktionellen Zuständigkeit der Schulbehörde erster Instanz zur meritorischen Erledigung der Berufung gefehlt und die Unterlassung der Wahrnehmung dieses Umstandes den Bescheid der belangten Behörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hätte ‑ der von der Beschwerdeführerin in der Berufung vorsorglich gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht erledigt, ein derartiger Rechtsbehelf ist durch das Gesetz auch nicht ausdrücklich eingeräumt (vgl. auch Kövesi‑Jonak, Das österreichische Schulrecht, Ergänzungsband, Seite 138, Anm. 1 zu § 71 SchUG, unter Hinweis auf die Erl. Bemerkungen zur RV) ‑, muß vom Verwaltungsgerichtshof vorerst auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung eingegangen werden. Gemäß § 71 Abs. 2 SchUG ist die Berufung gegen die Entscheidung, daß eine Reifeprüfung nicht bestanden worden ist, schriftlich oder telegraphisch innerhalb von 5 Tagen bei der Schule einzubringen. Die Frist für die Einbringung der Berufung beginnt gemäß § 71 Abs. 3 SchUG im Falle der mündlichen Verkündung der Entscheidung mit dieser, im Falle der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung jedoch mit der Zustellung. Gemäß § 70 Abs. 3 SchUG können Entscheidungen sowohl mündlich als auch schriftlich erlassen werden. Dieser Grundsatz findet u.a. eine Durchbrechung für die Gesamtbeurteilung der Leistungen des Prüfungskandidaten bei der Reifeprüfung; diese ist nämlich gemäß § 39 Abs. 1 SchUG in einem Reifeprüfungszeugnis zu beurkunden. Die Entscheidung im Sinne des § 71 Abs. 2 lit. c SchUG, daß eine Reifeprüfung nicht bestanden worden ist, wird daher erst durch die Zustellung des Zeugnisses wirksam. Für den Beginn der Berufungsfrist ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung in der vorgeschriebenen Weise mitgeteilt worden ist. Die Frist zur Einbringung der Berufung gegen das Nichtbestehen der Reifeprüfung läuft daher ab dem Tag der Ausfolgung des Reifezeugnisses (vgl. Kövesi‑Jonak, Das österreichische Schulrecht, Ergänzungsband, Seite 139, Anmerkung 11 zu § 71 SchUG.) Daher wurde von der Beschwerdeführerin die Berufung gegen die Entscheidung der Prüfungskommission fristgerecht erhoben.

Die Richtigkeit der Beurteilung im Prüfungsgebiet Deutsch mit „Nicht genügend“ wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in dieser Beurteilung eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 38 Abs. 6 lit. c und lit. d SchUG bestehen daher gegen die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Gesamtbeurteilung für die Reifeprüfung zum Haupttermin 1981, mit „nicht bestanden“ keine Bedenken.

Nun ist allerdings Anfechtungsgegenstand einer Berufung im Sinne des § 71 Abs. 2 lit. c SchUG betreffend eine Reifeprüfung die Entscheidung, daß die Prüfung nicht bestanden wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. März 1981, Zl. 10/3420/80, ausgeführt hat, ist jedoch durch § 71 Abs. 4 letzter Satz und Abs. 6 SchUG das Recht gewährleistet, daß der Berufungswerber auch nur in einem von mehreren mit „Nicht genügend“ beurteilten Gegenständen nach entsprechendem Ergebnis der Überprüfung oder der kommissionellen Prüfung ein auf die bessere Beurteilung lautendes Zeugnis ausgestellt erhält, das ihn allenfalls rechtlich besserstellt, selbst wenn das Ergebnis der Überprüfung der betreffenden Beurteilung keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

Ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin die Reifeprüfung zum Haupttermin 1981 schon wegen der Beurteilung „Nicht genügend“ im Prüfungsgebiet Deutsch nicht bestanden hat, wäre sie also durch den angefochtenen Bescheid dann in einem Recht verletzt, wenn die Überprüfung der Beurteilung im Prüfungsgebiet Latein rechtswidrig wäre.

Die Beschwerdeführerin macht zur Begründung der von ihr behaupteten Rechtswidrigkeit der Beurteilung im Prüfungsgebiet Latein, ausgehend von der Richtigkeit der Beurteilung der Klausurarbeit mit „Genügend“ und der mündlichen Prüfung mit „Nicht genügend“, geltend, es wäre der belangten Behörde nicht zugestanden, die Leistungen der Beschwerdeführerin während der 8. Klasse in Latein abzuwerten; diese Benotungen seien nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen, es müßte ihnen insofern eine „materielle“ Rechtswirkung zuerkannt werden, als die Behörde an die während des Schuljahres erteilten Noten gebunden sei. Die Vorgangsweise der belangten Behörde sei insofern willkürlich, als von ihr auf den von § 11 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Leistungsbeurteilung, BGBl. 1974/371, in der Fassung BGBl. 1977/439 (in der Folge: LBVO) aufgestellten Maßstab (Forderungen des Lehrplanes und Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes) nicht „Bezug genommen“ worden sei. Bei Berücksichtigung der Note „Befriedigend“ in Latein im Abschlußzeugnis der 8. Klasse hätte die Beurteilung des Gesamtbildes der Leistungen dazu führen müssen, daß die Leistungen in Latein bei der Reifeprüfung mit „Genügend“ zu bewerten gewesen wären.

Mit diesen Ausführungen gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der durch § 38 Abs. 4 letzter Satz SchUG im Rahmen des Gesamtbildes der Leistungen in dem betreffenden Prüfungsgebiet gebotenen Berücksichtigung der Leistungen auf demselben Prüfungsgebiet in der jeweils letzten Schulstufe, in der dieser Unterrichtsgegenstand geführt wurde, kommt es, anders als etwa bei der Entscheidung über die Zulassung zur Reifeprüfung gemäß § 36 Abs. 4 SchUG nicht auf die vorgenommene Beurteilung im betreffenden Gegenstand, sondern auf die Leistung selbst an. Die Beurteilung dieser Leistungen bei Berücksichtigung des Gesamtbildes ist daher von der Prüfungskommission ohne Bindung an die während des Schuljahres oder im Abschlußzeugnis erteilten Noten vorzunehmen, mögen auch die Noten ein Indiz für die tatsächlich erbrachten Leistungen bieten. Da die Berücksichtigung dieser Leistungen im Rahmen des Gesamtbildes der Beurteilung der Reifeprüfung zu dienen hat, sind die für die Reifeprüfung maßgeblichen Beurteilungsnormen entscheidend. Die Leistungsbeurteilungsverordnung findet in diesem Zusammenhang im Beschwerdefall daher nur insoweit Anwendung, als die Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Reifeprüfung in den allgemeinbildenden höheren Schulen BGBl. 1975/105, in der Fassung BGB1. 1975/443, 1976/192 und 1977/565 (in der Folge: ReifePrVO), auf deren Bestimmungen verweist. Dies trifft mit Rücksicht auf § 17 Abs. 1 ReifePrVO auf § 11 Abs. 1 LBVO nicht zu.

Die Grundsätze für die Beurteilung sind daher § 38 Abs. 1 SchUG und § 17 Abs. 1 ReifePrVO zu entnehmen. Eine Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichts hat darnach nicht zu erfolgen. Eine derartige Beschränkung der Grundsätze für die Beurteilung der Reifeprüfung wäre auch unvereinbar mit der an ihre erfolgreiche Ablegung gemäß § 41 Abs. 2 Schulorganisationsgesetz BGBl. 1962/242, in der geltenden Fassung, geknüpften Berechtigung zum Besuch einer Hochschule.

Die Bekämpfung der Beurteilung aus einem bestimmten Prüfungsgebiet in einer Berufung gegen eine Entscheidung, daß eine Reifeprüfung nicht bestanden worden ist, stellt lediglich ein Element der Begründung dieser Berufung dar. Die Berufung selbst richtet sich gegen die unteilbare Entscheidung, daß die Reifeprüfung nicht bestanden wurde. Die Berufungsbehörde ist jedoch durch die geltend gemachten Berufungsgründe in ihrer Entscheidungsbefugnis nicht beschränkt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1957, Slg. Nr. 4383/A). Gemäß § 66 Abs. 4 AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Sie ist dahei auch nicht durch ein Verbot der reformatio in peius beschränkt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1968, Slg. Nr. 7378/A). In den Fällen des § 71 Abs. 2 SchUG ist die Schulbehörde erster Instanz allerdings gehalten, lediglich Beurteilungen mit „Nicht genügend“ zu überprüfen. Sie wäre also nicht befugt, eine Beurteilung mit besseren Noten einer Überprüfung zu unterziehen. Hiedurch ist sie jedoch nicht gehindert, bei Überprüfung einer auf „Nicht genügend“ lautenden Beurteilung in Beachtung der für die richtige Beurteilung maßgeblichen Bestimmungen auch für den Berufungswerber nachteilige Kriterien, deren Berücksichtigung bisher unterlassen wurde, wahrzunehmen und auf diese Weise zur Überzeugung zu gelangen, daß die auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung, allenfalls aus anderen Gründen, berechtigt ist. Gleiche Befugnisse stehen auch der Schulbehörde zweiter Instanz als Berufungsbehörde zu.

Gegenüber dieser eindeutigen Rechtslage vermögen die von der Beschwerdeführerin aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmittelrisikos abgeleiteten Überlegungen nicht durchzuschlagen.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß von der belangten Behörde nun ihre Mitarbeit in der 8. Klasse zu Unrecht mit „überwiegend negativ“ beurteilt worden sei; dem widerspreche die Note im Jahresabschlußzeugnis. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Beschwerdeführerin, daß nicht sämtliche wesentlichen Unterlagen betreffend die Benotung im Prüfungsfach Latein in Befolgung des § 45 Abs. 3 AVG 1950 der Beschwerdeführerin zur Wahrung des Stellungsnahmerechtes zur Verfügung gestellt worden seien.

Insofern kann der Beschwerde Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen nämlich, daß die Behauptung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, der Beschwerdeführerin sei die Möglichkeit des Parteiengehörs gewahrt worden, in diesem Zusammenhang nicht zutrifft. Die belangte Behörde hat in die durch § 38 Abs. 4 zweiter und dritter Satz SchUG gebotene Berücksichtigung des Gesamtbildes die Feststellung einfließen lassen, daß die Mitarbeit der Beschwerdeführerin während des Unterrichtsjahres der 8. Klasse in Latein überwiegend negativ gewesen sei. Ein Ermittlungsergebnis dieses Inhaltes ist den Verwaltungsakten allerdings nicht zu entnehmen. Der angefochtene Bescheid hat für diese Feststellung auch keine Begründung gegeben. Der Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten gibt jedoch zur Vermutung Anlaß, daß die betreffende Feststellung ihre Grundlage in einer ergänzenden Stellungnahme der Abteilung I/2 der belangten Behörde vom 30. Oktober 1981 hat, in der sich unter Berufung auf einen mittlerweile eingelangten Bericht der Schulbehörde erster Instanz mit angeschlossener Stellungnahme der Reifeprüfungskommission sowie des Vorsitzenden eine gleichlautende Feststellung findet. Diese Feststellung findet zwar ihrerseits keine wörtliche Deckung in dem erwähnten Bericht samt Beilagen. In der Stellungnahme der Reifeprüfungskommission vom 2. Oktober 1981 heißt es jedoch „... es wurde dabei festgehalten, daß die Kandidatin in der Schulnachricht des 1. Semesters noch den Leistungsstand ‚Genügend‘ erbracht hatte, in der Jahresnote allerdings auf Grund der dritten Schularbeit (Note: Gut) mit ‚Befriedigend‘ abgeschlossen wurde ... Die mündlichen Leistungen der Schülerin .... waren während des gesamten Schuljahres überwiegend negativ ...“ Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin ebensowenig im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG 1950 zur Kenntnis gebracht wie die Stellungnahme der Abteilung I/2 der belangten Behörde vom 30. Oktober 1981. Der Beschwerdeführerin wurde daher auch keine Gelegenheit gegeben, zu diesem Ermittlungsergebnis Stellung zu nehmen. Hierin liegt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die im Sinne des § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 als wesentlich anzusehen ist.

Der Berücksichtigung im Sinne des § 38 Abs. 4 dritter Satz SchUG sind die Leistungen zu Grunde zu legen, die der Prüfungskandidat in den die Prüfungsgebiete bildenden Unterrichtsgegenständen in der jeweils letzten Schulstufe, in der diese Unterrichtsgegenstände geführt wurden, erbracht hat. Auf die von der belangten Behörde in ihrer Begründung erwähnte, auf „Genügend“ lautende Semesterbeurteilung kam es daher nicht an, sondern; wie die belangte Behörde an anderer Stelle der Begründung des angefochtenen Bescheides richtig ausgesprochen hat, auf die Leistungen selbst. Leistungen der letzten Schulstufe waren aber nicht nur die drei Schularbeiten, von deren letzter die belangte Behörde festgestellt hat, daß deren Beurteilung mit „Gut“ äußerst milde gewesen sei, ohne jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Berücksichtigung die ihrer Meinung nach zutreffende Beurteilung anzugeben und zu begründen, sondern auch die übrigen, insbesondere die mündlichen Leistungen und die Leistungen im Rahmen der Mitarbeit. Sie waren daher, um ausreichende Unterlagen im Sinne des § 71 Abs. 4 SchUG zu besitzen, von der belangten Behörde auf Grund eines mängelfreien Verfahrens festzustellen gewesen. In einem solchen hätte der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben werden müssen, die Aussage in der Stellungnahme der Prüfungskommission, außer den drei Schularbeiten seien nur überwiegend negative mündliche Leistungen im gesamten Schuljahr vorhanden gewesen, durch ein entsprechend konkretes Vorbringen zu widerlegen und dieses Vorbringen unter Beweis zu stellen. Hätten sich solcherart ausreichende Unterlagen nicht ermitteln lassen, wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, die Beschwerdeführerin, ungeachtet der in der Berufung gegen die Entscheidung der Prüfungskommission bereits ausgesprochenen Weigerung, zu einer kommissionellen Prüfung anzutreten, zu einer solchen Prüfung zuzulassen, da eine vorweg ausgesprochene Weigerung, zu einer Prüfung anzutreten, die Behörde nicht ihrer Verpflichtung enthebt, dem Gesetz entsprechend vorzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1, 59 VwGG 1965, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung eingebracht werden mußte und die Eingabengebühr je Beschwerdeausfertigung lediglich S 100,‑ ‑ beträgt, war als Aufwandersatz für Eingabengebühren nur ein Betrag von S 200,‑ ‑ zuzuerkennen, das Aufwandersatzmehrbegehren für Eingabengebühr jedoch abzuweisen.

Wien, am 26. April 1982

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