VwGH 82/07/0058

VwGH82/07/005818.5.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der Fa. X in G, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, Schönaugasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Februar 1982, Zl. 510.735/01-I 5/82, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages (mitbeteiligte Partei: Grazer Stadtwerke Aktiengesellschaft, vertreten durch Dr. Hannes Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 21), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Juli 1970 hat der Landeshauptmann von Steiermark für das Grazer Wasserwerk Andritz ein "Schutzgebiet III" festgelegt. In diesem Gebiet befinden sich auch Betriebsanlagen der Beschwerdeführerin, auf welche sich u.a. die nachfolgenden, im Schutzgebietsbescheid erteilten Auflagen beziehen:

"14.) Die Einstellplätze für Kraftfahrzeuge im Lagerplatz der Firma X, früher K, und in der Glaserei AF sind mit betonierten Abstellplatten zu versehen.

15.) Im Bereiche des Lagerplatzes der Fa. X, früher K, sind Gegenstände, die mit Ölresten behaftet sind, und Gebinde, in denen sich noch Öle, Teere und andere schwer abbaubare Stoffe befinden, nur unter Dach und auf ölundurchlässigen Abstellplatten, die wannenförmig ausgebaut sind, zu lagern."

In ihrem eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin erledigenden Bescheid vom 28. Dezember 1971 wies die belangte Behörde darauf hin, daß die Konsenswerberin (die mitbeteiligte Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) im Verfahren dargelegt habe, die Kosten der Maßnahmen laut den Auflagepunkten 14 und 15 würden sie (und demnach nicht die nunmehrige Beschwerdeführerin) belasten. Die belangte Behörde ergänzte, dies könne tatsächlich bereits aus Wortlaut und Sinn dieser beiden Vorschreibungen herausgelesen werden. Denn grundsätzlich richteten sich Schutzanordnungen nur mit Unterlassungen und Duldungen an Dritte, während aktive Handlungen dem geschützten Wasserberechtigten oblägen; es sei daher auch kein aktueller Entschädigungstitel gegeben.

Anläßlich einer Wasserrechtsverhandlung am 8. Oktober 1979 bei der Beschwerdeführerin wurde festgestellt, daß auf dem Betriebsgelände Altmotore, Tanks u. dgl, gelagert würden. Ein wasserundurchlässiger Belag sei nicht vorhanden, sodaß die Gefahr bestehe, daß Öl und andere wassergefährdende Stoffe in den Untergrund gelangten. Es sei daher ein entsprechendes Verfahren betreffend Beseitigung solcher wassergefährdender Stoffe im Schutzgebiet durchzuführen. Im Zuge der Verhandlung vom 8. Oktober 1979 wies der Vertreter der Beschwerdeführerin auf die Verpflichtungen der Mitbeteiligten aus den oben wiedergegebenen Auflagen hin. Die Beschwerdeführerin wiederholte ihre in diesem Zusammenhang bereits in der Verhandlung abgegebene Stellungnahme in ihrem Schreiben vom 11. Oktober 1979, in dem sie ausführte:

"Ich bitte und beantrage, der Grazer Stadtwerke AG und der Firma X möge aufgetragen werden, ein allfälliges einvernehmliches Ergebnis aufgrund von Verhandlungen über diese zu treffenden Maßnahmen der Wasserrechtsbehörde bis 30. 11. 1979 vorzulegen. Widrigenfalls möge die Wasserrechtsbehörde diese Maßnahmen zur Durchführung auf Kosten der Grazer Stadtwerke AG dem Grundstückseigentümer detailliert im einzelnen auferlegen."

In einer hierauf am 6. Februar 1980 an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung erklärte sich die Beschwerdeführerin zur Durchführung verschiedener als Sofortmaßnahmen für notwendig erkannter Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor dem Eindringen von Öl bereit, sie verwies aber neuerlich darauf, daß die der Mitbeteiligten obliegende Auflagenerfüllung noch ausstehe. Um die Jahreswende 1980/1981 wurde die Durchführung der Maßnahmen durch die Beschwerdeführerin seitens des Landeshauptmannes kontrolliert, wobei die Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom 30. Jänner 1981 neuerlich auf ihre in der Verhandlung vom 6. Februar 1980 abgegebene Stellungnahme verwies.

Da der Landeshauptmann auch in der Folge keinen Bescheid erließ, brachte die Beschwerdeführerin am 30. November 1981 bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag ein, in welchem sie darauf verwies, daß sie bereits am 11. Oktober 1979 einen Antrag gemäß § 138 Abs. 1 lit. a zweiter Halbsatz WRG 1959 gestellt habe, die zuständige Behörde jedoch durch mehr als zwei Jahre untätig geblieben sei.

In einer von der belangten Behörde zu diesem Antrag eingeholten Stellungnahme des Landeshauptmannes wurde ausgeführt, eine Entscheidung der Angelegenheit durch Erteilung eines Auftrages an die wasserberechtigte (nunmehr mitbeteiligte) Partei zur Durchführung der Anordnungen 14 und 15 des Bescheides vom 10. Juli 1970 sei deshalb hinausgeschoben worden, weil die Beschwerdeführerin auf dem in Frage kommenden Gelände zahlreiche Baumaßnahmen und Umstellungen durchgeführt habe, sodaß es nicht zielführend erschienen sei, in diese Abläufe durch einen wasserpolizeilichen Auftrag einzugreifen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 73 AVG 1950 nicht Folge. Begründend führte sie dazu aus, von einem ausschließlich behördlichen Verschulden als unerläßlicher Voraussetzung für eine Entscheidung der Devolutionsbehörde könne im Beschwerdefall keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin könne aus den im öffentlichen Interesse gemachten Vorschreibungen 14 und 15 für sich selbst "gar keine einschlägige echte Berechtigung" ableiten; die in § 31 WRG 1959 vorgesehene Sorge für die Reinhaltung belaste jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könne, so auch die Beschwerdeführerin selbst. Im übrigen sei die Verzögerung auch "auf die konkrete Natur der Dinge u.a. insofern zurückzuführen", als die Beschwerdeführerin zahlreiche Baumaßnahmen und Umstellungen vornehme, über die dem Landeshauptmann die für eine Bescheiderlassung erforderliche Übersicht derzeit noch fehle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie eben so wie die mitbeteiligte Partei in der von ihr eingebrachten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - was hier zutrifft -, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 geht auf das schriftliche Verlangen der Partei, der der Bescheid nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wurde, die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, die das Verlangen jedoch abzuweisen hat, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein ausschließliches Verschulden der Behörde dann vor, wenn die Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1973, Slg. Nr. 8426/A, und vom 29. September 1979, Zl. 1565/77).

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Ansicht, der Beschwerdeführerin stehe es nicht zu, den von ihr gestellten Antrag vom 11. Oktober 1979 bei der Behörde einzubringen. Bei Zutreffen dieser Annahme hätte ohne unnötigen Aufschub eine Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin durch den Landeshauptmann erfolgen müssen (vgl. z.B. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A), für deren Unterbleiben in der Zeit zwischen der Einbringung des Antrages im Oktober 1979 und der Stellung des Devolutionsantrages im November 1981 keine den Landeshauptmann vom Vorwurf der Säumnis entlastenden Umstände erkennbar sind.

Aber auch die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Beschwerdeführerin selbst durch "zahlreiche Baumaßnahmen und Umstellungen" dem Landeshauptmann nicht ermöglicht habe, die zur Bescheiderlassung nötige Übersicht zu gewinnen, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Den Verwaltungsakten ist nämlich weder zu entnehmen, welche in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren gewonnenen Feststellungen dieser Annahme der belangten Behörde zu Grunde liegen, noch läßt sich erkennen, daß der Landeshauptmann jemals einen Versuch unternommen hätte, durch Beweisaufnahmen oder Erörterungen mit den Parteien allenfalls gegebene Unklarheiten zu beseitigen.

Die belangte Behörde hat daher infolge ihrer unzutreffenden Annahme, die bei der Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin eingetretene Verzögerung gehe nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurück, dem Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin zu Unrecht nicht Folge gegeben. Da sich der angefochtene Bescheid somit als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47, 48 und 59 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 18. Mai 1982

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