VwGH 82/07/0048

VwGH82/07/00486.7.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft F in E, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Februar 1982, Zl. 15.672/05-I 5/82, betreffend einstweilige Verfügung (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft T, vertreten durch den Obmann O F in T), zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg impl;
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §99;
VwRallg impl;
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §99;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Niederösterreich erteilte mit Bescheid vom 28. Oktober 1981 der in Gründung begriffenen Wassergenossenschaft T gemäß § 10 WRG 1959 in Verbindung mit §§ 1 und 4 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. April 1969 zum Schutze des Grundwasservorkommens in der Mitterndorfer Senke BGBl. Nr. 126, die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Bewässerungsanlage zur künstlichen Beregnung von 432,16 ha in den KG G, T und TD im Rahmen von fünf Beregnungsabteilungen, wobei pro Turnus von der Gesamtfläche maximal 135 ha bei einer Gesamtentnahmemenge von 60.190 m3 bewässert werden, bei einer maximalen Wasserentnahme links der Triesting von 28 l/sec und rechts der Triesting von 44 l/sec nach Maßgabe der im Abschnitt A enthaltenen Projektsbeschreibung und bei Einhaltung bestimmter Auflagen. Gleichzeitig wurde die mit dem Projekt vorgelegte freie Vereinbarung der an der Genossenschaft Beteiligten gemäß §§ 73 Abs. 1 lit. c und 74 Abs. 1 lit. a WRG 1959 anerkannt. Weiters wurden u.a. die Einwendungen und die Entschädigungsforderung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 12 und 99 WRG 1959 als unbegründet abgewiesen. Gegen die in diesem Bescheid erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Wasserentnahme hat die Beschwerdeführerin berufen; über diese Berufung ist noch nicht entschieden worden.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich traf sodann mit Bescheid vom 15. Dezember 1981 gemäß § 122 WRG 1959 im Zusammenhalt mit § 10 Abs. 2 WRG 1959 sowie in Verbindung mit §§ 1 und 4 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. April 1969 zum Schutze des Grundwasservorkommens der Mitterndorfer Senke, BGBl. Nr. 126, eine einstweilige Verfügung nachstehenden Inhaltes:

"Der in Gründung begriffenen Wassergenossenschaft T, vertreten durch den Proponenten Herrn OF, wird die vorläufige Befugnis erteilt, zur künstlichen Beregnung von landwirtschaftlich genutzten Flächen im Ausmaß von 432,16 ha in den Katastralgemeinden G, T und TD eine Bewässerungsanlage im Rahmen von fünf Beregnungsabteilungen, wobei pro Turnus von der Gesamtfläche maximal 135 ha bei einer Gesamtentnahmemenge von

60.190 m3 bewässert werden, bei einer maximalen Wasserentnahme links der Triesting von 28 l/sec und rechts der Triesting von 44 l/sec nach Maßgabe der im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 28. Oktober 1981, III/1-17.649/17-81, enthaltenen Projektsbeschreibung (Abschnitt A) und bei Einhaltung der darin angeführten Vorschreibungen (Abschnitt B) zu errichten."

Die Wirksamkeitsdauer dieser einstweiligen Verfügung ist bis zum 30. September 1983 befristet worden. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer jährlichen Entschädigungssumme in der Höhe von S 50.000,-- zur Abgeltung der den Genossenschaftern durch die ihnen mit einstweiliger Verfügung bewilligter Wasserentnahmen zugefügten Schäden wurde als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin berufen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Februar 1982 wurde dieser Berufung gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, es sei unbestritten, dass das Gebiet des südlichen Wiener Beckens intensiv landwirtschaftlich genutzt werde und es auf Grund des pannonischen Klimas zu hohen Temperaturen und Verdunstungsraten komme. Auf Grund dieser Umstände und der in weiten Teilen des Gebietes gegebenen geringen wasserhaltenden Kraft der Böden komme einer dem Entwicklungsstadium der Feldfrüchte entsprechenden Wasserzufuhr entscheidende Bedeutung zu. Im Hinblick auf die in vielen Fällen zur Erzielung der erforderlichen Ertragssicherung nicht ausreichenden Niederschlagsmengen und auf die vielfach sehr ungünstige Niederschlagsverteilung sei vor allem bei Hackfrüchten, in extremen Jahren aber auch bei Getreide, der Einsatz der künstlichen Feldberegnung die einzige Möglichkeit, um Missernten zu verhindern. Daraus ergebe sich aber, dass bei einer Unterbindung der Möglichkeit der künstlichen Feldberegnung Gefahr im Verzug für die landwirtschaftlichen Kulturen gegeben sei. Es handle sich somit entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bei der künstlichen Feldberegnung nicht primär um eine Maßnahme zur Ertragssteigerung, sondern vielmehr um eine Vorkehrung, durch die ein drohender Schaden - nämlich Missernten - abgewendet werden solle. Die einstweilige Verfügung sei daher über Antrag der zu berücksichtigenden Interessen zu Recht erlassen worden. Aus dem Blickwinkel öffentlicher Interessen ergebe sich, dass gemäß § 105 WRG 1959 eine Gefährdung der Landeskultur zur Abweisung eines Vorhabens oder zu einer Bewilligung nur unter entsprechenden Auflagen führen könne.

Da eine Ertragssicherung in diesem Gebiet nur bei einer Ermöglichung der Feldberegnung zu erzielen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass bei mangelnder Ertragssicherung die Landeskulturen gefährdet erscheinen und somit Gefahr im Verzug vorliege. Auch aus diesem Grunde erweise sich somit die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides. Zur Argumentation, dass die in Frage stehenden Flächen auch bisher über lange Zeiträume ohne künstliche Beregnung landwirtschaftlich genutzt worden seien, sei fest zu halten, dass dieser Umstand nichts darüber auszusagen vermöge, inwieweit die gegenwärtig gepflanzten Feldfrüchte zur Hintanhaltung von Missernten einer künstlichen Beregnung bedürften. Auch Fragen einer Stützung der Landwirtschaft durch die öffentliche Hand könnten in einem wasserrechtlichen Verfahren nicht als entscheidungsrelevant angesehen werden. Hinsichtlich der Frage einer Verringerung der Triebwerksleistung der von der Beschwerdeführerin erfassten Wasserkraftanlagen habe der Landeshauptmann von Niederösterreich im bisherigen Verfahren über die Berufungen gegen die 1974 erstinstanzlich von der Bezirkshauptmannschaft Baden erteilte wasserrechtliche Bewilligung für die gegenständlichen Beregnungsanlagen umfangreiche Sachverhaltsermittlungen in die Wege geleitet, deren Ergebnis in der diesbezüglichen Berufungsentscheidung einen Niederschlag finde. Im übrigen sei die Beschwerdeführerin dem ihr mitgeteilten schlüssigen Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen nicht auf sachverständiger Basis, sondern nur mit eigenen Behauptungen entgegengetreten, so daß dieses Gutachten in seiner Beweiskraft nicht erschüttert worden und somit als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, durch einstweilige Verfügung gemäß § 122 WRG 1959 in ihren Wasserrechten nicht beeinträchtigt zu werden, wenn Gefahr im Verzug nicht vorliegt, sowie in ihrem Recht darauf, dass bei Beurteilung der Frage, ob Gefahr im Verzug gegeben ist, nicht nur die Interessen der mitbeteiligten Partei, sondern auch jene der Antragsgegner sowie der österreichischen Volkswirtschaft Berücksichtigung finden, und schließlich in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr im Verzuge - zur Wahrung öffentlicher Interessen von Amts wegen, zum Schutze Dritter auf deren Antrag - die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen; die nach § 99 oder § 100 zuständige Wasserrechtsbehörde kann solche einstweilige Verfügungen abändern oder selbst treffen.

Diese Befugnis steht während der Anhängigkeit eines Berufungsverfahrens auch der Berufungsbehörde zu, selbst dann, wenn gegen die einstweilige Verfügung keine Berufung erhoben wurde.

Die mitbeteiligte Partei beantragte für den Fall, dass gegen den die Bewässerung bewilligenden Bescheid (vom 28. Oktober 1981) berufen werden sollte, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, um ihr die Möglichkeit der Bewässerung zur Sicherung ihrer Ernte zu gewährleisten. Nachdem die Beschwerdeführerin eine Berufung gegen den Bewilligungsbescheid vom 28. Oktober 1981 eingebracht hatte, erließ der Landeshauptmann von Niederösterreich die einstweilige Verfügung vom 15. Dezember 1981, mit der der mitbeteiligten Partei die Befugnis zur Bewässerung im Sinne des bewilligten Projektes eingeräumt worden ist. Dabei bezog sich die belangte Behörde auf die §§ 10 Abs. 2 und 122 Abs. 1 WRG 1959. Im Verfahren wurde nicht bestritten, dass es sich bei der Bewässerungsanlage der mitbeteiligten Partei um eine solche handelt, bei der die zu bewässernde Fläche mehr als 100 ha beträgt. Somit war die Zuständigkeit des Landeshauptmannes gemäß § 99 Abs. 1 lit. f WRG 1959 für das wasserrechtliche Verfahren gegeben. Daraus folgt, dass gemäß § 122 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 die einstweilige Verfügung von der gemäß § 99 WRG 1959 zuständigen Wasserrechtsbehörde getroffen worden ist, wenn auch infolge § 122 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 während der Anhängigkeit eines Berufungsverfahrens - eine solche liegt zufolge der eingebrachten Berufung gegen den Bewilligungsbescheid vor - auch der Berufungsbehörde die Befugnis zur Erlassung der einstweiligen Verfügung zusteht, weil der Gesetzgeber in einem solchen Fall beide Behörden zur Erlassung einstweiliger Verfügungen berufen hat.

Eine einstweilige Verfügung nach § 122 Abs. 1 WRG 1959 setzt u. a. voraus, dass das behördliche Handeln durch eine drohende Gefahr, wobei es ohne Belang ist, woher sie rührt, ausgelöst wird und die Abwehr der Gefahr so dringlich ist, dass keine Zeit mehr für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens bleibt. Im Spruch einer nach der angeführten Gesetzesstelle erlassenen einstweiligen Verfügung können jedoch nur solche Maßnahmen (Leistungen, Duldungen, Unterlassungen) angeordnet werden, die Inhalt eines wasserpolizeilichen Auftrages sein können und somit einer Vollstreckung zugänglich sind. Eine einstweilige Verfügung, mit der das Recht (die Befugnis) zu einer Wasserentnahme und zur Beregnung von Grundstücken im Sinne des bewilligten Projektes, aber vor Rechtskraft des Bewilligungsbescheides eingeräumt wird, findet daher in der angeführten Gesetzesstelle keine Deckung. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren für Umsatzsteuer war abzuweisen, da eine besondere Vergütung hiefür im Gesetz nicht vorgesehen ist. Wien, am 6. Juli 1982

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