European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982060067.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Verfahrenskostenaufwand von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem namens des Bürgermeisters erlassenen Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 19. Oktober 1981 wurde über Antrag der Stadtgemeinde Innsbruck ausgesprochen, daß die Grundparzelle 1098/3, KG. X. im Ausmaß von 556 m2 und die Grundparzelle 1106, KG. X, im Ausmaß von 16 m2 jeweils lastenfrei zugunsten der Stadtgemeinde Innsbruck (öffentliches Gut) abzutreten seien. Dabei wurde eine Entschädigung von S 1,--/m2, das sind S 556,-- bzw. S 16,--, festgesetzt.
Dieser Bescheid erging an die betroffenen Eigentümer, darunter auch die Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Gegen diesen Bescheid erhob der Vertreter der Mitbeteiligten in deren Namen sowie im Namen zahlreicher anderer Miteigentümer Berufung gegen diesen Bescheid, ohne eine Vollmacht vorzulegen. Daraufhin wurde der einschreitende Rechtsanwalt mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. März 1982 ohne Fristsetzung aufgefordert, die Vollmacht nachzubringen. Mit Bescheid vom 30. März 1982 wies die belangte Behörde die vom Vertreter der Mitbeteiligten "im Namen von 131 Berufungswerbern eingebrachte" Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhang mit § 13 Abs. 3 AVG 1950 zurück und begründete dies damit, daß nach Ablauf einer "Frist" von fast vier Wochen die entsprechenden Vollmachten, zu deren Vorlage der Vertreter aufgefordert worden war, weder beim Stadtmagistrat noch bei der Berufungsbehörde eingelangt seien. Einer der laut Schriftsatz vom betreffenden Rechtsanwalt vertretenen Parteien habe ausdrücklich erklärt, nie eine Vollmacht an diesen erteilt zu haben. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.
Mit Antrag vom 16. April 1982 beantragte dieser Rechtsanwalt namens der ausdrücklich genannten Erstmitbeteiligten und weiterer Miteigentümer - die übrigen Mitbeteiligten ergeben sich erst aus einer angeschlossenen Spezialvollmacht - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Aufhebung des Bescheides der Tiroler Landesregierung vom 30. März 1982 und Erteilung einer angemessenen Frist von mindestens zwei Monaten für die Nachbringung der ausständigen Vollmachten. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß die Miteigentümer im Innenverhältnis ihre Ansprüche der Erstmitbeteiligten abgetreten hätten, die auch den einschreitenden Rechtsanwalt mit der Erhebung der Berufung - auch im Namen der übrigen Miteigentümer - beauftragt habe. Da hiezu die Vollmachtserteilung durch 131 Antragsteller erforderlich gewesen sei, sei dies innerhalb der kurzen Frist nicht möglich gewesen. Im Zeitpunkt des Erhaltes des Schreibens der Tiroler Landesregierung vom 3. März 1982 hätten zirka 25 Parteien ihre Unterschrift geleistet; täglich seien neue Unterschriften beim Vertreter eingelangt. Da im genannten Schreiben keine Frist gesetzt gewesen sei, habe angenommen werden können, daß die Behörde von einer angemessenen Frist in Anbetracht der vielen Rechtsmittelwerber ausgehen würde und nicht bereits nach knapp drei Wochen die Berufung als unzulässig zurückweisen werde. Da 131 Antragsteller an verschiedenen Orten zu erreichen seien, teils verreist und sonst oft mehrere Tage hindurch nicht anzutreffen seien, könne davon gesprochen werden, daß die Einholung sämtlicher Vollmachten schon theoretisch nicht möglich gewesen sei und hinsichtlich der Vollständigkeit jeder einzelne von einem für sich unabwendbaren Ereignis sprechen könne, wenn man die zur Verfügung stehende Zeit in Relation zur Anzahl der Berufungswerber setze. Daß die Vollmachten nicht fristgerecht vorgelegt worden seien, beruhe nicht auf Nachlässigkeit, vielmehr sei aus Zeitgründen ein derartig umfangreiches Unterfangen einfach in der kurzen Frist nicht möglich gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag statt und behob ihren Bescheid vom 30. März 1982. Begründend wurde auf das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hingewiesen, daß die Einholung von zirka 130 Unterschriften innerhalb von drei Wochen nicht möglich gewesen sei, da eine Reihe von Miteigentümern nicht in Innsbruck ansässig sei. Unter diesen Umständen habe "der" Wiedereinsetzungswerber glaubhaft machen können, daß es ihm innerhalb des gewährten Zeitraumes von 27 Tagen nicht möglich gewesen sei, das Formgebrechen zu beheben, wenn auch versäumt worden sei, innerhalb dieses Zeitraumes um "Fristerstreckung" einzukommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts; aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin ergibt sich, sie erachte sich in ihrem Recht verletzt, daß die Rechtskraft des Bescheides des Stadtmagistrates Innsbruck vom 19. Oktober 1981 beachtet werde.
Die belangte Behörde legte die Akten vor; weder sie noch die Mitbeteiligten erstatteten eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
Gemäß § 72 Abs. 4 AVG 1950 ist gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung kein Rechtsmittel zulässig. Dies bedeutet jedoch - im Gegensatz zum zivilgerichtlichen Verfahren - nicht etwa, daß der Gegner des Wiedereinsetzungswerbers sich mit der Bewilligung der Wiedereinsetzung jedenfalls abzufinden habe, sondern nur, daß dagegen unmittelbar die Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergriffen werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1951, Slg. Nr. 2245/A; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes2, Seite 199). Da die Beschwerdeführerin aus dem durch den bekämpften Wiedereinsetzungsbescheid behobenen Bescheid der Tiroler Landesregierung mittelbar Rechte ableitet, konnte sie durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in ihren Rechten verletzt werden. Die Beschwerde ist daher zulässig.
Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag und dem angefochtenen Bescheid kann entnommen werden, daß als versäumte Frist nicht etwa die Berufungsfrist, sondern der durch bloßes Zuwarten der Behörde zur Nachbringung der ausständigen Vollmachten verstrichene Zeitraum angesehen wird. Unter Frist - auch im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 - kann jedoch nur ein von vornherein bestimmter Zeitraum verstanden werden, innerhalb dessen Rechtshandlungen vorzunehmen sind (vgl. auch Walter-Mayer, a.a.O. Seite 77). Eine derartige Frist hat die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 3. März 1982 jedoch nicht gesetzt; die Aufforderung entspricht daher auch nicht den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 AVG 1950, wonach der Auftrag eine "gleichzeitig zu bestimmende Frist" enthalten muß.
Die fehlerhafte Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde kann aber nicht im Wege der Bewilligung einer Wiedereinsetzung aus der Welt geschafft werden; diese setzt - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der Versäumung einer Verhandlung abgesehen - vielmehr die Versäumung einer durch Gesetz oder Behörde bestimmten Frist voraus; in Ermangelung einer derartigen Frist, die versäumt werden konnte, ist eine Wiedereinsetzung nicht zulässig.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie unter den gegebenen Umständen die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung annahm, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aus diesem Grunde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 15. September 1983
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