VwGH 82/05/0089

VwGH82/05/008928.9.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerden der ME in B und der SB in W, beide vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 12/8, gegen den Gemeinderat der Stadt Klosterneuburg betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich eines Devolutionsantrages bzw. hinsichtlich einer Berufung in Bausachen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

1.) Auf Grund des § 42 Abs. 5 in Verbindung mit § 62 VwGG 1965 werden gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Bescheide des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 25. Februar 1981, Zl. IV/1-1701-153-9/80-Ha, Zl. IV/2-1244-153- 9/79-Ran/Ha, Zl. IV/1-321-640/81-Ha, Zl. IV/2-1878-153-9/80-Rau/Ha und Zl. IV/2-2793-153-9/80-Rau/Ha, betreffend Anträge um Grenzverlegung bei Erteilung von Baubewilligungen aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Klosterneuburg hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt

S 8.935,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2.) Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner beschlossen, die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich des von ihnen gestellten Devolutionsantrages gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 zurückzuweisen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. April 1979 ersuchte ein Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen bei der Stadtgemeinde Klosterneuburg namens der Beschwerdeführerinnen um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung gleichzeitig vorgelegter Teilungspläne zur Schaffung eines Bauplatzes, eines Trennstückes und von Restflächen. Weiters wurde um Einleitung eines Grenzverlegungsverfahrens gemäß § 16 der Bauordnung für Niederösterreich ersucht.

Mit Bescheid vom 7. Mai 1979 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg die angestrebte Abteilungsbewilligung. Dieser Bescheid wurde in der Folge von der genannten Behörde mit Bescheid vom 21. Juni 1979 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 mit der Begründung behoben, es sei übersehen worden, dass die erforderliche Unterschrift des Eigentümers eines zu teilenden Grundstückes gefehlt habe. Dieser Bescheid erwuchs der Aktenlage nach in Rechtskraft.

Mit einer weiteren Eingabe vom 4. April 1979 ersuchte derselbe Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen namens der Beschwerdeführerinnen um die Erteilung einer Baubewilligung für eine fundierte Einfriedung.

Mit Eingabe vom 30. Mai 1980 ersuchten die Beschwerdeführerinnen bei der Stadtgemeinde Klosterneuburg um die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses. Der Antrag auf Entscheidung betreffend das Grenzverlegungsverfahren wurde wiederholt. Mit Eingabe vom 22. August 1980 wurde ein Plan zu dem Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung des Einfamilienhauses nachgereicht und um die Bewilligung für die Errichtung einer Stützmauer ersucht.

Mit der unmittelbar an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg gerichteten Eingabe vom 16. März 1981 beantragten die Beschwerdeführerinnen, gemäß § 73 AVG in Verbindung mit § 118 Abs. 2 der Bauordnung für Niederösterreich den Übergang der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Anträge um Erteilung der Baubewilligung für eine Einfriedung vom 4. April 1979 und um die Erteilung der Baubewilligung für ein Einfamilienhaus vom "22. August 1980", um Grenzverlegung vom 4. April 1979 und vom 30. Mai 1980. Dieser Antrag langte bei der Stadtgemeinde Klosterneuburg am 18. März 1981 ein.

Mit den im Spruch erwähnten Bescheiden des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg wurden die Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für eine Einfriedung bzw. für ein Einfamilienhaus bzw. Einleitung eines Grenzverlegungsverfahrens abgewiesen. Diese Bescheide wurden am 30. März 1981 zugestellt. Gegen alle diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen Berufung, in welcher sie unter anderem darauf hinwiesen, dass sie bereits einen Devolutionsantrag gestellt hätten und sohin mit Einlangen dieses Devolutionsantrages die Behörde erster Instanz zur Entscheidung unzuständig gewesen sei.

Da in der Folge eine Entscheidung der belangten Verwaltungsbehörde nicht erfolgte, erhoben die Beschwerdeführerinnen am 9. Juni 1982 Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof. In ihrer Beschwerde betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg führen sie aus, der Gemeinderat der Stadt Klosternenburg hätte erstens auf Grund ihres Devolutionsantrages, in eventu auf Grund ihrer Berufung gegen die Bescheide vom 25. Februar 1981 entscheiden müssen und habe nicht innerhalb von sechs Monaten in der Sache entschieden. Wie insbesondere dem abschließenden Antrag der Beschwerdeführerinnen zu entnehmen ist, beantragen sie auf Grund des von ihnen gestellten Devolutionsantrages eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über ihre Anträge betreffend Grenzverlegung und Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für ein Einfamilienhaus und eine fundierte Einfriedung.

 

Auf Grund dieser Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 27 VwGG 1965 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von der Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Das Rechtsinstitut der Säumnisbeschwerde schützt die Partei vor Untätigkeit im Bereich der Hoheitsverwaltung. Unbestritten ist, dass die belangte Behörde weder über den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerinnen noch über ihre Berufung entschieden hat. Wenn die Beschwerdeführerinnen allerdings meinen, dass die belangte Behörde über ihren Devolutionsantrag hätte entscheiden müssen und daher auch in dieser Beziehung zu Recht eine Säumnisbeschwerde erhoben wurde, dann verkennen sie, dass die Behörde erster Instanz tatsächlich Sachentscheidungen erlassen hat, wenngleich im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide, also ihrer Zustellung am 30. März 1981, die Zuständigkeit zur Entscheidung auf Grund des gestellten Devolutionsantrages bereits auf den Gemeinderat der Stadtgemeinde übergegangen war. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass vor Entscheidung über die Berufung in einem Fall vorstehender Art eine Verletzung der Entscheidungspflicht bezüglich eines zulässiger Weise gestellten Devolutionsantrages beim Gerichtshof nicht geltend gemacht werden kann. Die Oberbehörde ist in einem solchen Fall verpflichtet, vorerst über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu entscheiden (vgl. etwa die Entscheidungen vom 9. Dezember 1966, Zl. 1244/66, Slg. N.F. Nr. 7037/A (nur Rechtssatz), vom 21. März 1974, Slg. N.F. Nr. 4663/F). Der Verwaltungsgerichtshof hätte daher die Säumnisbeschwerde bezüglich des gestellten Devolutionsantrages gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 als unzulässig zurückzuweisen.

Auf Grund des gleichzeitig gestellten Antrages, welcher die Säumnis bezüglich der nicht erfolgten Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerinnen geltend macht, hätte der Verwaltungsgerichtshof jedoch auch über die Säumnisbeschwerde hinsichtlich der bei der belangten Behörde eingelangten Berufung in der Sache zu entscheiden. Da die Behörde erster Instanz im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, wie oben dargelegt, für die Erledigung der Anträge der Beschwerdeführerinnen nicht mehr zuständig war, waren die mittels Berufung angefochtenen Bescheide gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wegen Unzuständigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Der Schriftsatzaufwand war nur einmal zuzuerkennen, weil nur eine Säumnisbeschwerde eingebracht worden ist, mag diese auch mehrere Anträge betroffen haben.

Wien, am 28. September 1982

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