VwGH 81/17/0205

VwGH81/17/020522.2.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, in der Beschwerdesache des EG, Alleininhaber der Firma O-Verlag, in W, vertreten durch Dr. Ernst Biel, Rechtsanwalt in Wien I, Rauhensteingasse 1, gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Vorschreibung von Anzeigenabgabe, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art111
LAO Wr 1962 §203
LAO Wr 1962 §222
VwGG §21 Abs1
VwGG §23 Abs2
VwGG §36 Abs2
VwGG §47 Abs5
VwGG §59 Abs1
WStV 1968 §132

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981170205.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die von der Magistratsdirektion der Stadt Wien namens der Abgabenberufungskommission eingebrachte Gegenschrift und das darin enthaltene Kostenersatzbegehren werden zurückgewiesen.

1.1. In der vorliegenden Säumnisbeschwerde behauptet der Beschwerdeführer, mit Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 6. Mai 1981 seien die von ihm gestellten Anträge auf Erstattung von S 43.314,-- und S 433,10 an Anzeigenabgabe samt Vollstreckungsgebühren abgewiesen worden. In diesem Umfange sei der erstinstanzliche Bescheid vom ihm mit Berufung, zur Post gegeben am 12. Juni 1981, angefochten worden.

Die Säumnisbeschwerde ist am 17. Dezember 1981 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt und nach Mitteilung der Nachforschungsstelle des Postamtes 1030 Wien dort am 15. Dezember 1981 aufgegeben worden.

1.2. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Berufung des Beschwerdeführers vom 11. Juni 1981 am 12. Juni 1981 zur Post gegeben wurde und am 16. Juni 1981 bei der Magistratsabteilung 4, Referat 4, eingelangt ist.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

2.1. Gemäß § 27 VwGG 1965 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die ..... angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

2.2. Demnach läuft die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde von dem Tage, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war, und nicht von dem Tage, an dem er zur Post gegeben wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 15. April 1964, Slg. N. F. Nr. 6304/A). Der Tag, an dem der Antrag auf Entscheidung eingelangt ist, wird in den Lauf der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG 1965 nicht eingerechnet; die Frist endet vielmehr um 24.00 Uhr jenes Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Oktober 1972, Slg. N. F. Nr. 8304/A). Eine am letzten Tag der Frist des § 27 VwGG 1965 zur Post gegebene Beschwerde wird noch vor Ablauf dieser Frist erhoben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 17. Oktober 1973, Slg. N. F. Nr. 8484/A, und vom 19. Mai 1976, Zl. 359/76).

Die vorliegende, am 15. Dezember 1981 zur Post gegebene Säumnisbeschwerde wurde somit vor dem erst am 16. Dezember 1981 erfolgten Ablauf der Wartefrist erhoben.

2.3. Dazu kommt, dass die Abgabenbehörde erster Instanz durch die fristgerechte Erlassung der Berufungsvorentscheidung vom 30. November 1981, zugestellt am 15. Dezember 1981, eine Entscheidung über die anhängige Berufung getroffen hat, im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde somit keine Säumnis mehr vorlag. Vielmehr ist mit dem Einlangen des am 16. Dezember 1981 zur Post gegebenen Vorlageantrages nach § 211 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, bei der erstinstanzlichen Abgabenbehörde eine neuerliche Entscheidungspflicht der Abgabenbehörden im Sinne des § 27 VwGG 1965 entstanden und die sechsmonatige Frist - neuerdings - in Gang gesetzt worden (vgl. auch den hg. Beschluss vom 28. Jänner 1972, Slg. Nr. 4336/F, wonach im Fall eines Vorlageantrages gegen eine nach der Bundesabgabenordnung ergangene Berufungsvorentscheidung eine vor Ablauf der sechsmonatigen Frist - vom Zeitpunkt der Stellung dieses Antrages an gerechnet - erhobene Säumnisbeschwerde zurückzuweisen ist).

2.4. Aus den dargelegten Erwägungen war die vorliegende Säumnisbeschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 durch Beschluss in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

3.1. Die Gegenschrift weist als "belangte Behörde" die "Abgabenberufungskommission, vertreten durch die Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro, Wien I, Rathaus" aus. Der Briefkopf lautet: Magistratsdirektion der Stadt Wien, Rechtsmittelbüro". Die Fertigung erfolgte "Für den Magistratsdirektor: (Dr. K) Senatsrat", beigesetzt ist ein Rundsiegel der "Bundeshauptstadt Wien, Magistratsdirektion 4".

3.2. Nach § 21 Abs. 1 VwGG 1965 sind Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführer, die belangte Behörde und die Mitbeteiligten. Gemäß § 23 Abs. 1 leg. cit. können die Parteien, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, ihre Sache vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst führen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

§ 23 Abs. 2 VwGG 1965 bestimmt, dass der Bund, die Länder, die Gemeinden und die anderen Selbstverwaltungskörper durch ihre vertretungsbefugten oder bevollmächtigten Organe vertreten werden.

Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 ist es bei Säumnisbeschwerden der belangten Behörde freizustellen, statt der Einbringung einer Gegenschrift innerhalb der hiefür bestimmten Frist den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen. Die Frist kann bis auf drei Monate verlängert werden, wenn die Verwaltungsbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machen. Einer nicht ständig tagenden Kommission ist die Frist auf Antrag zumindest so zu verlängern, dass sie über die nächste nach dem ordentlichen Geschäftsgang anzuberaumende Sitzung der Kommission hinausreicht.

Nach § 47 Abs. 1 VwGG 1965 hat die vor dem Verwaltungsgerichtshof obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei nach Maßgabe der §§ 47 bis 60 leg. cit. Im Sinne des Abs. 1 ist die belangte Behörde obsiegende, der Beschwerdeführer unterlegene Partei im Falle der Abweisung der Beschwerde (§ 47 Abs. 2 leg. cit.). Gleiches gilt zufolge des § 51 leg. cit. für die Zurückweisung oder Zurückziehung nach Einleitung des Vorverfahrens. Nach § 47 Abs. 5 VwGG 1965 hat für den Aufwandersatz, der auf Grund dieses Bundesgesetzes von einer Behörde zu leisten ist, der Rechtsträger aufzukommen, in dessen Namen die Behörde in der Beschwerdesache gehandelt hat oder handeln hätte sollen. Diesen Rechtsträgern fließt auch der Aufwandersatz zu, der auf Grund dieses Bundesgesetzes an die belangte Behörde zu leisten ist.

Gemäß § 59 Abs. 1 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag zuzuerkennen.

3.3. Wie die wiedergegebenen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1965 erkennen lassen, ist in Beschwerdeverfahren gegen Bescheide, Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und bestimmte Weisungen einer Verwaltungsbehörde oder gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine solche Behörde die belangte Behörde Organpartei vor dem Verwaltungsgerichtshof. Das Gesetz verwendet hiefür durchgehend den Begriff der belangten Behörde. Die belangte Behörde ist auch Antragstellerin auf Kostenersatz, sie ist Partei des Kostenersatzverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof. § 47 Abs. 5 VwGG 1965 bestimmt - wie dargetan - ausdrücklich, dass der Aufwandersatz an die belangte Behörde zu leisten ist und dabei jenen Rechtsträgern zufließt, in deren Namen die Behörde in der Beschwerdesache gehandelt hat oder handeln hätte sollen.

Während für die Parteihandlungen der Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungsträger (im Falle der Beschwerdeführung durch diese oder im Falle ihrer Beteiligung am Verfahren als Mitbeteiligte) im § 23 Abs. 2 VwGG 1965 ausdrücklich angeordnet ist, dass diese Rechtspersonen durch ihre vertretungsbefugten oder bevollmächtigten Organe vertreten werden, enthält das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1965 über die Rechtswirksamkeit der Parteierklärungen der genannten Organparteien (belangten Behörden) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine ausdrückliche Vorschrift. Es gelten daher die allgemein für die betreffende monokratische oder kollegiale Verwaltungsbehörde normierten Voraussetzungen für das Zustandekommen rechtswirksamer Willenskundgebungen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun aus den in Ausführung des Art. 111 B-VG ergangenen landesgesetzlichen Bestimmungen nicht zu erkennen - und zwar weder aus der Wiener Stadtverfassung, LGBl. für Wien Nr. 28/1968, noch aus der Wiener Abgabenordnung (§§ 203 bis 222) -, dass die Erstattung der Gegenschrift der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Angelegenheit wäre, die dem Magistratsdirektor - in dessen Namen die vorliegende Gegenschrift gefertigt ist - als monokratisch zu besorgende Aufgabe übertragen worden wäre. Es handelt sich nämlich weder um ein Kanzleigeschäft im Sinne des § 222 WAO noch um eine Aufgabe, die ihm nach den genannten §§ 203 bis 222 WAO als Vorsitzendem übertragen wurde.

Auch ist eine gesetzlich vorgesehene Übertragungsmöglichkeit für diese Verwaltungsaufgabe auf den Magistrat der Stadt Wien nicht erkennbar (vgl. die ganz andere rechtliche Situation für die Wiener Landesregierung auf Grund des § 132 WStV und der Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl. Nr. 9/1973; vgl. ferner zu diesem Fall der Überlassung bestimmter Angelegenheiten zur Vollziehung an das Amt der Wiener Landesregierung auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März 1980, B 370, 404/77 = ZfVB 1980/5/1850, unter Bezugnahme auf VfSlg. 6849/1972). Wollte man also dem Rubrum der Gegenschrift den Hinweis auf ein zwischen dem Magistrat und der Abgabenberufungskommission bestehendes "Vertretungsverhältnis" entnehmen, so müsste dem entgegengehalten werden, dass ein solches Vertretungsverhältnis nicht rechtsgültig zustandegekommen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 6. Februar 1964, Slg. N. F. Nr. 6227/A - für den Bereich der Wirtschaftsverwaltung der öffentlich-rechtlichen Rechtsträger (Art. 23 B-VG) -, ausgeführt hat, können diese ihre Aufgaben nur durch jene Personen führen, die auf Grund der Gesetze ermächtigt sind, innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenkreises namens des Rechtsträgers als dessen Organe handelnd aufzutreten. Diese Organe seien ohne besondere gesetzliche Ermächtigung nicht befugt, ihre gesetzliche Kompetenz auf andere Organe (im damaligen Fall handelte es sich um Organe des Bundes) zu übertragen; die Heranziehung der Bestimmungen des ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen einzelnen Dienststellen scheine durchaus verfehlt. Dies muss umso mehr für die vorliegenden Rechtshandlungen von Amtsparteien (Organparteien) vor dem Verwaltungsgerichtshof im Bereich der nichtobrigkeitlichen Hoheitsverwaltung gelten (zu diesem Begriff - auch als schlichte Hoheitsverwaltung bezeichnet - vgl.Puck, Nichthoheitliche Verwaltung - Typen und Formen in: Antoniolli-FS, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, 275, 294). Hieraus ergibt sich, dass mangels einer entsprechenden Handlungsermächtigung (Zurechnungsregel) - läge überhaupt ein solcher tatsächlicher (einseitiger oder zweiseitiger) Übertragungsakt vor (ein solcher wurde allerdings weder behauptet noch ist derartiges aus den Verwaltungsakten ersichtlich) - die vorliegende Parteienerklärung nicht der Abgabenberufungskommission zugerechnet werden kann.

Da die Nachholung des versäumten Bescheides nur durch die belangte Kollegialbehörde möglich wäre, muss - lege non distinguente (das Gesetz spricht in beiden Fällen im § 36 VwGG 1965 von der "belangten Behörde") auch die Gegenschrift, sofern sie rechtserhebliche Erklärungen und Anträge enthält, kollegial beschlossen und für die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien gefertigt werden.

3.4. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die namens des Magistratsdirektors gefertigte Gegenschrift und der darin gestellte Kostenersatzantrag zurückzuweisen waren.

4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofeshttps://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1965_45_0/1965_45_0.pdf , hingewiesen.

 

Wien, am 22. Februar 1982

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