VwGH 81/14/0131

VwGH81/14/01319.3.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Ing. HA in I, vertreten durch Dr. Roland Paumgarten, Rechtsanwalt in Kufstein, Oberer Stadtplatz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat, vom 14. September 1981, Zl. 20.440-3/81, betreffend Gewerbesteuer für die Jahre 1975 und 1976, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §23 Z3;
EStG 1972 §24;
EStG 1972 §28 Abs1 Z1;
GewStG §1 Abs1;
GewStG §1 Abs6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981140131.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb bis 31. Dezember 1974 einen Elektrohandel in Form einer Einzelfirma. Nach einer 1978 durchgeführten, die Jahre 1972 bis 1976 umfassenden Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am 6. Dezember 1978 nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren (unter anderen) gemäß § 200 BAO endgültige Gewerbesteuerbescheide für 1975 und 1976, in denen es insbesondere auch die vom Beschwerdeführer erzielten Pachterlöse für Anlagevermögen seiner Elektrofirma in der Höhe von S 6,768.505,-- (1975) bzw. S 6,221.942,-- (1976) der Gewerbesteuer unterwarf. Anstelle einer Begründung verweisen diese Bescheide nur auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25. September 1978, der allerdings sachliche Ausführungen zu der den einzigen Gegenstand des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Frage der Gewerbesteuerpflicht nicht enthält, sodaß sich die Bescheide des Finanzamtes in dieser Frage als ohne Begründung ergangen erweisen.

In seiner Berufung gegen diese Bescheide führte der Beschwerdeführer aus, er habe seinen Gewerbebetrieb mit Wirkung vom 1. Jänner 1975 der Firma F. & Sp. verpachtet, mit dem Gewinn, der sich aus dem Pachtschilling ergebe, könne er nicht zur Gewerbesteuer veranlagt werden, weil bei ihm eine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit fehle. Er habe sich im Pachtvertrag keine wesentliche Einflußnahme auf den verpachteten Betrieb vorbehalten, die für die Weiterführung erforderlichen Entscheidungen treffe allein die Pächterin. Ein wesentlicher Einfluß auf den verpachteten Betrieb könne auch nicht in seiner Beteiligung am Stammkapital der Pächterin - einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - gesehen werden, weil diese Beteiligung nur 25 % des Stammkapitals betrage, zwar nach dem Gesellschaftsvertrag eine sogenannte Sperrminorität darstelle, eine solche aber nur die Möglichkeit biete, das Fassen abträglicher Beschlüsse zu hindern, es indessen nicht gestatte, positiv auf Entscheidungen hinzuwirken, die für die Fortführung des verpachteten Unternehmens wesentlich seien. Ebensowenig bestehe auf Grund des Pachtvertrages für den Beschwerdeführer die Notwendigkeit, in bezug auf den verpachteten Betrieb eine umfangreiche Verwaltung zu entfalten, die nach außen hin als gewerbliche Tätigkeit erscheine. Die Maßnahmen für die Wahrung der Funktionstüchtigkeit des Betriebes und der Erhaltung seines Zustandes habe nur die Pächterin zu treffen, die die Pachtgegenstände nach Beendigung des Pachtverhältnisses in ordentlichem Zustand zurückstellen und Reparatur- und Erhaltungsarbeiten daran auf eigene Kosten und ohne Ersatzanspruch vornehmen müsse. Also liege nur eine bloße Überlassung von Vermögenswerten an die GesmbH vor, was für den Beschwerdeführer keine gewerbliche Tätigkeit sei.

Das Finanzamt legte der belangten Behörde diese Berufung, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, mit dem Bericht vor, es liege im gegebenen Fall eine sogenannte Betriebsaufspaltung vor. Der Beschwerdeführer habe sein gesamtes Anlagevermögen der GesmbH verpachtet und an sie gleichzeitig seine Vorräte veräußert. Er sei zum alleinigen Geschäftsführer dieser GesmbH bestellt und besitze zusammen mit seiner Gattin (25 % und 73 %) 98 % der Gesellschaftsanteile nach dem zwischen Beschwerdeführer und GesmbH geschlossenen Anstellungsvertrag sei der Beschwerdeführer als Geschäftsführer für sich allein berechtigt, die Gesellschaft in allen Belangen zu vertreten, er besitze umfassende Vollmacht zu allen Handlungen, die im Interesse der Gesellschaft nötig seien. Auf Grund dieses Gesamtbildes sei ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille zwischen dem Einzelunternehmen des Beschwerdeführers und der GesmbH gegeben, auch wenn zwischen beiden Unternehmen keine Personenidentität bestehe. Es könne nach der Lebenserfahrung vermutet werden, daß der Beschwerdeführer die Rechte seiner mitbeteiligten Ehefrau in Gleichrichtung mit seinen eigenen Interessen wahrnehme. Gründe, die dieser Vermutung widersprächen, habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. So sei davon auszugehen, daß er in der Lage sei, in der Betriebsgesellschaft seinen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen. Auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes, BStBl. Teil II 1972, S. 63 bis 65, und 1973, S. 28/29, werde hingewiesen.

Die belangte Behörde forderte zunächst im Hinblick darauf, daß drei voneinander abweichende schriftliche Fassungen von "Pachtverträgen" vorlagen, von denen keine datiert und unterschrieben war, den Beschwerdeführer auf, jene Vereinbarungen nachzuweisen, die für die Verpachtung des Anlagevermögens an die GesmbH in den Jahren 1975 und 1976 tatsächlich maßgebend waren.

Diesen Vorhalt beantwortete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12. September 1980 dahin, über die Verpachtung sei ein mündlicher Vertrag geschlossen worden, die im Zuge der Vorberatungen entstandenen Schriftstücke seien als "Pachtvertrag" zwar bezeichnet worden, rechtlich bedeuteten sie nur eine Gedächtnishilfe, die alle Einzelheiten der mündlichen Vertragsabsprache festgehalten habe. Soweit die Fassungen voneinander abwichen, sei von den Vertragsparteien stets diejenige Fassung als maßgeblich angesehen worden, die in den Punkten II und VI gegenüber den früheren Fassungen ergänzende Zusätze enthalten habe. Derart gäben die Fassungen die Vereinbarungen wieder, die ab 1. Jänner 1975 tatsächlich für das Vertragsverhältnis der vertragschließenden Firmen maßgeblich gewesen seien.

Mit Bescheid vom 14. September 1981 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers im wesentlichen mit der Begründung ab, eine Betriebsaufgabe per 1. Jänner 1975 sei dem damals erst 35-jährigen Beschwerdeführer nicht zu unterstellen, zumal er 1975 und 1976 weiterhin den Gewinn seiner protokollierten Einzelfirma gemäß § 5 EStG 1972 ermittelt habe, wobei die Gewinne nicht allein aus dem Pachtschilling (abzüglich der mit der Verpachtung zusammenhängenden Ausgaben) hergerührt hätten. Die Prüfung der Posten der Gewinn- und Verlustrechnungen offenbare, daß eine Übernahme des gesamten Umlaufvermögens und aller Verbindlichkeiten der Einzelfirma durch die GesmbH am 1. Jänner 1975 nicht stattgefunden habe; aus der mündlich abgeschlossenen Vereinbarung "Kaufvertrag und Inkassovollmacht" gehe überdies hervor, eine solche Übernahme sei gar nicht geplant gewesen. Demnach unterscheide sich der hier vorliegende Sachverhalt von den Sachverhalten, die den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1979, Zlen. 3345/78, 1207/79, und vom 12. März 1980, Zl. 73/78, zugrunde lagen und bei denen der Beschwerdeführer und seine Ehefrau von ihrer Einzelfirma nur das Anlagevermögen zurückbehielten, in einem wesentlichen Punkt. Überprüfe man die einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnungen, seien darunter augenscheinlich auch Betriebsausgaben und -einnahmen, die durch die zweifelsfrei gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit des Beschwerdeführers vor 1975 verursacht worden seien (z. B. Aufwände an Betriebssteuern aus 1971 bis 1974, Erlöse aus Vorperioden, Auflösung der Wertberichtigung zu Kundenforderungen und der Garantierückstellungen). Vor allem gehörten dazu die Erträge in Form von Provisionen aus einer Vertretung der Maschinen- und Aufzugsfirma F.-O. von S 1,300.000,-- (1975) und S 2,480.311,98 (1976), gegen deren erklärungsmäßige Erfassung bei den Gewinnermittlungen für 1975 und 1976 keine Bedenken bestünden, zumal sie der Beschwerdeführer selbst nie bekämpft habe. Nicht zu bezweifeln sei im Hinblick auf das Ende der Vertretertätigkeit mit 30. September 1974, daß die den Erlösen zugrunde liegenden Leistungen vom Beschwerdeführer 1974 erbracht worden seien. Mit der Feststellung des Beschwerdeführers, er habe nach Abschluß des Pachtvertrages keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet, sei aber für die Frage der Gewerbesteuerpflicht der im Rahmen seines einheitlichen Gewerbebetriebes erzielten Gewinne für 1975 und 1976 nichts gewonnen. Müßte nämlich stets auf das Vorliegen einer "werbenden Tätigkeit" abgestellt werden, würde ein nicht unerheblicher Teil der Betriebseinnahmen (z. B. Versicherungsleistungen für verlorene Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, Schadenersatzleistungen wegen Vertragsverletzungen oder unerlaubter Handlungen, Enteignungsentschädigungen udgl.) aus dem Gewerbeertrag ausscheiden. Fasse man zusammen, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verpachtung des Anlagevermögens an die GesmbH bei gleichzeitigem Verkauf der Waren, Vorräte etc. an diese seinen Gewerbebetrieb nicht aufgegeben habe und dabei augenscheinlich keine "Betriebsaufspaltung" im Sinne der Rechtsprechung, sondern lediglich eine Betriebseinschränkung stattgefunden habe, unterliege der Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers in den Jahren 1975 und 1976 weiterhin der Gewerbesteuer.

 

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Verpachtung eines Betriebes bewirkt grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, welche wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gleichzeitig damit veräußert wurden, jedenfalls das Ruhen der bisherigen gewerblichen Betätigung des Verpächters und führt dazu, daß in solchen Fällen die Pachteinnahmen in der Regel nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt werden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1965, Zl. 712/64). Daran ändert sich auch nichts, wenn infolge der Identität der Personen, die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehen, beide Unternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen geleitet werden. Eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr bloß über die Tatsache einer sogenannten Betriebsaufspaltung und damit die Gewerbesteuerpflicht einer Person anzunehmen, die als "Besitzunternehmer" eine Betriebs-Kapitalgesellschaft wirtschaftlich beherrscht, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 18. Juni 1979, Zlen. 3345/78, 1207/79, Slg. Nr. 5392/F, und vom 12. März 1980, Zl. 73/78, auf deren ausführliche Begründung hier verwiesen werden kann, abgelehnt.

Diese Ablehnung schlägt auch auf den hier gegebenen Fall insoweit durch, als es sich um die Frage der Gewerbesteuerpflicht der vom Beschwerdeführer nach erfolgter Verpachtung des Betriebes in den Jahren 1975 und 1976 bezogenen Pachtzinse handelt. Die Annahme des angefochtenen Bescheides, es liege gegenüber den Fällen, in denen die zitierten Vorerkenntnisse ergingen, ein wesentlicher Unterschied im Sachverhalt vor, trifft nicht zu. Denn alles, was dem Beschwerdeführer nach den getroffenen Vereinbarungen an Befugnissen und Verpflichtungen verblieben ist, diente ausschließlich der Abwicklung geschäftlicher Vorgänge aus der Zeit der von ihm als Einzelunternehmer ausgeübten gewerblichen Tätigkeit vor dem Zeitpunkt der Verpachtung (d. h. bis einschließlich 31. Dezember 1974 bzw., was die bezogenen Vertreterprovisionen betraf, bis einschließlich 30. September 1974). Daß er unter Einsatz von bei Abschluß des Pachtvertrages nicht mit übereigneten Teilen des früheren Anlage- oder Umlaufvermögens seiner Einzelfirma noch nach dem 1. Jänner 1975 eine Tätigkeit entfaltet hat, die als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzusehen wäre, ist weder im angefochtenen Bescheid festgestellt, noch bietet der Inhalt der Verwaltungsakten einen Anhaltspunkt für eine solche Annahme. Es stellen sich im Gegenteil alle jene wirtschaftlichen Vorgänge, die in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Bilanzen des Beschwerdeführers für 1975 und für 1976 enthalten sind und die die belangte Behörde veranlaßt haben, die Fortführung eines Gewerbebetriebes durch den Beschwerdeführer anzunehmen, als charakteristische Akte der Abwicklung der Geschäfte aus der Zeit vor der Aufgabe des Gewerbebetriebes des Beschwerdeführers durch die mit 1. Jänner 1975 erfolgte Verpachtung dar. Dies gilt ganz besonders für alle Handlungen, zu denen sich der Beschwerdeführer gegenüber der Pächterin nach jenen Vertragsbestimmungen bereiterklärte, die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid und abermals in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift besonders hervorhebt und bei denen es sich im wesentlichen um abwickelnde Tätigkeiten handelt, die aus zivilrechtlichen Gründen (nämlich mangels Zustimmung der an den Verträgen beteiligten Dritten zu einem Eintritt der Pächterin in die Verträge) niemand anderer als der Beschwerdeführer auszuführen berechtigt und (jenen Dritten gegenüber) verpflichtet war.

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde dem Grunde nach im Recht war, die Gewerbesteuerpflicht des Beschwerdeführers auch für 1975 und für 1976 anzunehmen, weil die Abwicklung in diesen Jahren noch nicht beendet war (§ 1 Abs. 6 GewStG). Dabei durften aber nur die Erträge aus den Abwicklungsvorgängen selbst (aus der Ausführung der am 1. Jänner 1975 schwebend gewesenen Geschäfte und aus der nachträglichen Abrechnung der Provisionsansprüche durch die Firma F.-O.) der Gewerbesteuer unterzogen werden. Hingegen konnte die Tatsache, daß die Abwicklung noch nicht abgeschlossen war, nicht auch eine Gewerbesteuerpflicht der Pachteinnahmen nach sich ziehen, die rechtlich und wirtschaftlich davon unabhängig waren, daß sie in einer Zeit zugeflossen sind, in der der Beschwerdeführer zufolge der Abwicklungsvorgänge daneben auch noch Gewinn aus seinem früheren, seit 1. Jänner 1975 jedenfalls ruhenden, Gewerbebetrieb erzielt hat. Letzteres konnte an dem Charakter der Pachtzinse als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung - und nicht aus Gewerbebetrieb - nichts ändern.

Da die belangte Behörde dies verkannte, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden (§ 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965).

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 9. März 1982

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