VwGH 81/12/0183

VwGH81/12/018314.6.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Närr und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 58, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 19. August 1981, Zl. 22.930/4/33/81, betreffend Denkmalschutz, zu Recht erkannt:

Normen

DSchG 1923 §1;
DSchG 1923 §3;
DSchG 1923 §1;
DSchG 1923 §3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Berufung der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses Wien, gegen den Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 17. Oktober 1980, mit welchem festgestellt worden war, dass die Erhaltung dieses Objektes gemäß den §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes in der geltenden Fassung im öffentlichen Interesse gelegen sei, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 13 des Denkmalschutzgesetzes teilweise, und zwar dahin gehend Folge, dass das im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides festgestellte öffentliche Interesse an der Erhaltung des Straßentraktes des in Rede stehenden Hauses auf

1.) die gesamte straßenseitige Erscheinung (einschließlich Dachgestaltung),

  1. 2.) die beiden Einfahrten (Eingänge) im Inneren,
  2. 3.) das Stiegenhaus,
  3. 4.) den großen Saal im Erdgeschoß mit zwei seitlichen Treppenanlagen (Ausstellungshalle) und

    5.) auf die zur Erhaltung von 1.) bis 4.) notwendige Baumasse, eingeschränkt werde. Im übrigen wurde der angefochtene Bescheid des Bundesdenkmalamtes vollinhaltlich bestätigt. In der Begründung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt:

    Das Bundesdenkmalamt habe die gegenständliche Unterschutzstellung nach ausführlicher Beschreibung des Äußeren und Inneren des in Rede stehenden Gebäudes damit begründet, dass es sich bei demselben um "ein klassisches Beispiel eines gediegenen Wohn- und Geschäftshauses des zweiten Jahrzehntes unseres Jahrhunderts" handle, welchem künstlerische und kulturelle Bedeutung zukomme. Gleichzeitig sei auf die einschlägige Fachliteratur (österreichische Kunsttopographie, Band XLIV, Seite 517 ff) verwiesen worden.

    Zur Frage des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des gegenständlichen Objektes habe das Bundesdenkmalamt wörtlich folgendes ausgeführt:

    "Der überlieferte Formenschatz des Klassizismus, mit dessen Hilfe ein ausgewogenes Verhältnis tragender und lastender Elemente an der Oberfläche eines Baues 'sichtbar' gemacht werden kann, erscheint hierauf ein 'modernes' Wohn- und Geschäftshaus übertragen, wobei das wesenhafte des Stiles - Ordnung, Stabilität, Gediegenheit - die Zielsetzung eines anspruchsvollen Unternehmens repräsentieren soll. Doch handelt es sich hier nicht um späthistorische Architektur, es wurden vielmehr die klassizistischen Elemente stilisiert und mit Formen der modernen Baukunst kombiniert. Ernst Epstein gelangte bei diesem formal ausgereiften, monumental gestalteten Werk zu einer eigenständigen Lösung, der künstlerische Bedeutung zuzusprechen ist."

    Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid fasste anschließend die belangte Behörde wie folgt zusammen:

    Die Unterschutzstellung des in Rede stehenden Gebäudes sei nicht notwendig, da die Beschwerdeführerin es bisher niemals unterlassen habe, die Hausfassade regelmäßig zu renovieren und in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Die "Verhängung einer derartigen Qualifikation" betrachte die Beschwerdeführerin als eine "quasi-Enteignung". Es gehe nicht an, eine derartige Eigentumsbeschränkung ohne Zustimmung der Liegenschaftseigentümerin aufzuerlegen, da eine solche Vorgangsweise insbesondere gegen die Grundsätze der Freiheit des Eigentums und sonstige Grundsätze, welche in der Bundesverfassung der Republik Österreich verankert seien, verstoßen würde. Es bestehe auch keine Gefahr, dass die Fassade des gegenständlichen Hauses zerstört, verändert oder sonst wie ihre künstlerische und kulturelle Bedeutung verändert werde. Im übrigen seien in Wien eine ausreichende Anzahl von Geschäftshäusern mit schönen Fassaden vorhanden, so daß auch kein öffentliches Interesse an der Unterschutzstellung des vorliegenden Objektes gegeben sei.

    Bei dem am 5. Februar 1981 durch die belangte Behörde vorgenommenen Augenschein führte - diese in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus - sei das dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde liegende Gutachten der Fachbeamten des Bundesdenkmalamtes im wesentlichen bestätigt worden. Dies gelte insbesondere für die Bedeutung der Außenerscheinung des Objektes sowie des Stiegenhauses und des Ausstellungsraumes im Erdgeschoß.

    Die erst am 20. März 1981 mögliche Begehung der Wohnungen des Straßentraktes des gegenständlichen Hauses durch einen fachkundigen Vertreter des Bundesdenkmalamtes habe ergeben, dass diesen Räumlichkeiten keine nennenswerte künstlerische Bedeutung zukomme.

    In einer Stellungnahme zu den Ergebnissen dieses Ermittlungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin nochmals erklärt "dass kein Anlass besteht, eine derartige beschränkende Maßnahme, wie den Denkmalschutz, zu verhängen".

    Seitens des Landeshauptmannes und Bürgermeisters der Stadt Wien sei mitgeteilt worden, dass gegen die geplante Unterschutzstellung keine Einwendungen bestünden.

    Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes kam die belangte Behörde sodann zu folgenden Schlussfolgerungen:

    Dem erstinstanzlichen Bescheid sei ein schlüssiges und überzeugendes Gutachten der Fachbeamten des Bundesdenkmalamtes zu Grunde gelegen. Diesen komme nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Eigenschaft von Amtssachverständigen im Sinne des § 52 AVG 1950 zu. Die belangte Behörde sei berechtigt und verpflichtet, schlüssigen Amtsgutachten so lange zu folgen, als deren Richtigkeit im Verwaltungsverfahren nicht durch Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt würden. Strebe eine Partei die Widerlegung des von der Behörde angezogenen Gutachtens an, könne dies im allgemeinen nur durch die Vorlage eines auf gleichem wissenschaftlichen Niveau stehenden Gutachtens erfolgen. Ein solcher Beweis sei aber im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht erbracht worden.

    "Durch die Ergebnisse des Augenscheines am 5. Februar 1981" seien die den erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde gelegten gutächtlichen Feststellungen bestätigt und hinsichtlich des Inneren des in Rede stehenden Gebäudes (Einfahrten, Stiegenhaus, großer Saal im Erdgeschoß einschließlich der beiden seitlichen Treppenanlagen) noch weiter gestützt worden.

    Da das öffentliche Interesse ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Bedeutung zu prüfen sei, müssten sonstige Gründe (wirtschaftliche, finanzielle usw.) unberücksichtigt bleiben.

    Der Einwand der Beschwerdeführerin, es gebe in Wien eine ausreichende Anzahl von Geschäftshäusern mit schönen Fassaden, sei für die Frage der Unterschutzstellung im konkreten Fäll ohne Bedeutung. Der Eigentümer des von einem Unterschutzstellungsverfahren betroffenen Objektes könne aber auch aus dem Umstand, dass ähnliche Denkmale (noch) nicht unter Denkmalschutz gestellt worden seien, kein Recht für sich ableiten, da jede einzelne Fall für sich zu prüfen sei.

    Wenn die Beschwerdeführerin weiters meine, dass die Eigentumsbeschränkungen, welche eine Unterschutzstellung mit sich bringe, einer "quasi-Enteignung" gleichzuhalten seien und gegen den Grundsatz der Freiheit des Eigentums und sonstige Grundsätze der Bundesverfassung der Republik Österreich verstießen, so vermöge die belangte Behörde dieser Begründung nicht zu folgen; denn die öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen des Denkmalschutzgesetzes stellten, wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen habe, weder einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentum noch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes oder sonstiger in der Bundesverfassung festgelegter Grundsätze dar. Es liege im Wesen des Denkmalschutzes, dass nach dem Inhalt der ihm zugeordneten Vorschriften die Ausübung sonst gestatteter Rechte beschränkt werde. Die Unterschutzstellung bringe wohl eine Eigentumsbeschränkung mit sich, bedeute aber keine Enteignung.

    Schließlich werde noch bemerkt, dass die in der Berufung geäußerte Rechtsansicht, die freiwillige Veräußerung des Hauses bedürfe nach erfolgter Unterschutzstellung der Zustimmung des Bundesdenkmalamtes, einer Rechtsgrundlage entbehre.

    Da im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens festgestellt worden sei, dass Teile des gegenständlichen Objektes (wie etwa dem Inneren der Wohnungen) keine nennenswerte Bedeutung im Sinne des § 1 des Denkmalschutzgesetzes zukomme, habe der Berufung teilweise Folge gegeben und spruchgemäß entschieden werden können.

    Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, bekämpft. Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zuerkennung der Verfahrenskosten. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes finden die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Beschränkungen auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung (Denkmale) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung der Lage zu anderen Gegenständen entstehen.

§ 1 Abs. 2 des Denkmalschutzgesetzes bestimme, dass darüber, ob ein solches öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Einzeldenkmales, einer Gruppe von unbeweglichen Gegenständen oder einer Sammlung von beweglichen Gegenständen besteht, das Bundesdenkmalamt unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Ziele der Hager Konvention, BGBl. Nr. 58/1964, entscheidet.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes gilt bei Denkmalen, auf die § 2 nicht anwendbar ist, ein derartiges öffentliches Interesse erst dann als gegeben, wenn sein Vorhandensein vom Bundesdenkmalamt durch Bescheid festgestellt worden ist (Unterschutzstellung durch Bescheid). Dieser ist schriftlich zu erlassen.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1972, Zl. 2262/71, und vom 29. März 1982, Zl. 81/12/0194) dargelegt hat, dass eine hervorragende oder außerordentliche Bedeutung des unter Schutz gestellten Objektes im Gesetz nicht gefordert wird; denn das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Gegenstandes von künstlerischer Bedeutung hängt nicht nur von dem absoluten Rang ab, der dem Gegenstand als Wert der Kunst (hier: der Baukunst) zukommt, sondern wesentlich auch davon, inwieweit er als Repräsentant einer bestimmten Stilrichtung oder einer bestimmten Epoche der Geschichte der Kunst anzusehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1980, Zl. 2556/79).

Geht man von dieser Rechtsauffassung, von welcher abzuweichen der Gerichtshof auch im vorliegenden Fall keine Veranlassung sieht, aus, können alle Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach es sich bei dem in Rede stehenden Bauwerk nicht um ein solches handle, das aus seiner "geschichtlichen Bedeutung oder aus künstlerischer und kultureller Hinsicht, alle übrigen Gebäude bzw. einen Großteil" derselben überrage und wonach den "Schöpfern dieses Gebäudes, auch in sachlicher Natur, keine außerordentliche Bedeutung" zukomme, die Beschwerde nicht zu dem von ihr angestrebten Erfolg führen und erweisen sich als nicht geeignet, die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Andere schlüssige Gründe gegen die von der belangten Behörde auf Grund des Gutachtens der Fachbeamten des Bundesdenkmalamtes und des eigenen Augenscheines vertretene Auffassung, dass an der Erhaltung der im angefochtenen Bescheid angeführten Teile des gegenständlichen Hauses ein öffentliches Interesse gemäß § 1 des Denkmalschutzgesetzes besteht, hat die Beschwerdeführerin weder selbst ins Treffen geführt, noch hat sie ein entsprechendes Gegengutachten beigebracht. Sie hat es vielmehr in ihrer Berufung ausdrücklich dahingestellt sein lassen, "dass es sich bei der Fassade des Geschäftshauses um eine solche von künstlerischer und kultureller Bedeutung handelt" und der "Erhaltung dieser Fassade Bedeutung für die Öffentlichkeit zukommt".

Der die Ausführungen der Beschwerde zur angeblichen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abschließende Hinweis, wonach die wirtschaftliche Tragweite der gegenständlichen behördlichen Vorgangsweise für die Beschwerdeführerin "unübersehbar" sei, dass sie als Eigentümerin eines unter Denkmalschutz gestellten Objektes "vielfachen Beschränkungen" unterliege und dass sich durch den angefochtenen Bescheid "eine erhebliche Beschwernis im täglichen Gebrauch der gegenständlichen Liegenschaft" ergebe, ist deshalb verfehlt, weil er im Verfahren nach den §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes nicht erhebliche Tatsachenelemente betrifft. Zu Recht hat in diesem Zusammenhang die belangte Behörde schon in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass das öffentliche Interesse im Sinne des § 1 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Bedeutung des betreffenden Objektes zu prüfen ist und daneben wirtschaftliche, finanzielle oder auch andere sonstige Argumente unberücksichtigt zu bleiben haben.

Die Beschwerdeführerin irrt aber auch, wenn sie in der Nichteinholung eines weiteren Gutachtens zum Gutachten der Amtssachverständigen des Bundesdenkmalamtes eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt. Die belangte Behörde durfte sich auf dieses durchaus schlüssige Gutachten, welchem sie sich im übrigen keineswegs völlig unkritisch, sondern nach Durchführung eines Augenscheines der zu einer Einschränkung der im erstinstanzlichen Bescheid unter Denkmalschutz gestellten Teile des in Rede stehenden Objektes führte, anschloss, stützen. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin in der von ihr gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Berufung, keineswegs -

wie sie nunmehr in der Beschwerde ausführt - das Gutachten der Amtssachverständigen in seinen sachlichen Ausführungen und Schlüssen bestritt, sondern vielmehr, wie bereits oben angemerkt, es ausdrücklich dahingestellt sein ließ, ob nicht die Fassade des gegenständlichen Gebäudes von künstlerischer und kultureller Bedeutung und ihre Erhaltung von Bedeutung für die Öffentlichkeit sei. Bei dieser Sachlage aber bestand für die belangte Behörde kein wie immer gearteter Grund, im Streitfall ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Da sich sohin die vorliegende Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 14. Juni 1982

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