VwGH 81/10/0141

VwGH81/10/014119.9.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Hnatek, Dr. Stoll und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des HS in W, vertreten durch Dr. Helmut Neudorfer, Rechtsanwalt in Wien I, Eßlinggasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. September 1981, Zl. VII/3‑13/IX/302‑1980, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975 in bezug auf Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit
VStG §9 idF vor 1983/176
VwGG §28 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1981100141.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 18. Juli 1980 wurde der Beschwerdeführer „als Verantwortlicher der S GesmbH & Co. KG“ schuldig erkannt, dadurch, daß er eine am 17. August 1979 im X-Markt W, B-Straße 77 abgenommene ungarische Salami an diesen geliefert habe, wobei 1) der Zeitpunkt der Verpackung in unverschlüsselter Form, bestimmt nach Tag, Monat und Jahr, 2) der Zeitpunkt, bis zu dem das Lebensmittel bei Einhaltung der angegebenen Lagerbedingungen mindestens haltbar ist, in unverschlüsselter Form, bestimmt nach Tag und Monat, 3) die Angaben über die Bestandteile, 4) die Angaben über die Zusatzstoffe nicht angebracht waren und 5) die angebrachte Kennzeichnung nicht deutlich sichtbar und lesbar war, eine Verwaltungsübertretung nach zu 1) § 3 Z. 9 lit. a, zu 2) „§ 10 lit. a“, zu 3) „§ 18“, zu 4) „§ 19“ und zu 5) § 2 Abs. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. Nr. 627 (in der Folge: LMKV 1973), begangen zu haben. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86 (in der Folge: LMG 1975), wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von zu 1) bis 5) je S 250,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarreststrafen in der Dauer von zu 1) bis 5) je 12 Stunden, verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 verpflichtet, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens einen Betrag in der Höhe von S 125,-- zu zahlen sowie gemäß § 67 VStG 1950 die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen. Schließlich wurde er gemäß § 64 Abs. 3 VStG 1950 zum Ersatz der mit S 350,-- bestimmten Barauslagen (Kosten der Untersuchung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien) verpflichtet.

Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 15. September 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß a) der Tatzeitpunkt (Lieferdatum) mit 8. August 1979 „präzisiert“ und b) ausgesprochen wurde, der Beschwerdeführer habe durch die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses unter 1) bis 4) angeführten Sachverhalte nicht vier Verwaltungsübertretungen nach „§ 3 Z. 9 a, § 3 Z. 10 a, § 3 Z. 18 und § 3 Z. 19“ LMKV 1973, sondern nur eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG 1975 und § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c LMKV 1973 begangen. Dementsprechend wurden die von der Erstinstanz zu 1) bis 4) verhängten Geldstrafen von je S 250,-- auf eine Geldstrafe von S 250,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest in der Dauer von 12 Stunden, herabgesetzt. Darüber hinaus „erklärte“ die belangte Behörde den im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unter 5) angeführten Sachverhalt nach § 74 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG 1975 und § 2 Abs. 1 LMKV 1973 zur Verwaltungsübertretung und hielt die dafür verhängte Geldstrafe von S 250,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest von 12 Stunden, aufrecht. Der vom Beschwerdeführer als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu leistende Antrag wurde mit S 50,-- neu festgesetzt. Die „übrigen Aussprüche“ des Straferkenntnisses der Erstinstanz wurden ausdrücklich aufrechterhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Seinem gesamten Beschwerdevorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, der ihm angelasteten Übertretung nicht schuldig erkannt und daher ihretwegen auch nicht bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was zunächst die in der Gegenschrift vertretene Auffassung der belangten Behörde anlangt, es werde die Beschwerde deshalb zurückzuweisen sein, weil der Beschwerdeführer als belangte Behörde das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung bezeichnet habe, aber nicht dieses Amt, sondern der Landeshauptmann von Niederösterreich, in dessen Namen der angefochtene Bescheid erlassen wurde, belangte Behörde sei, so ist dazu folgendes zu sagen: Der angefochtene Bescheid wurde, wie der Fertigungsklausel „Für den Landeshauptmann ...“ zweifelsfrei zu entnehmen ist, vom Landeshauptmann von Niederösterreich erlassen. Darüber hinaus kann nach dem Inhalt der Beschwerde kein Zweifel darüber bestehen, daß mit ihr die vom Landeshauptmann von Niederösterreich getroffene Entscheidung angefochten wird. Im Hinblick darauf fällt es nicht ins Gewicht, daß als belangte Behörde das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung bezeichnet wurde; diese Tatsache bildet keinen Zurückweisungsgrund im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG 1965 (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1973, Zlen. 2041, 2042/71). Es war sohin in die meritorische Behandlung der Beschwerde einzutreten.

Nach § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen, wozu jene Tatmerkmale gehören, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind.

Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis S 25.000,-- zu bestrafen, wer u.a. den Bestimmungen der im § 77 Abs. 1 Z. 19 angeführten Rechtsvorschrift, d. i. der LMKV 1973, zuwiderhandelt.

Nach § 1 Abs. 1 LMKV 1973 sind verpackte (vgl. § 1 Abs. 2 und 3) Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist entsprechend dem Warenkatalog des § 4 (unter Bedachtnahme auf die Sonderregelung des § 5) leg. cit. in der im § 2 vorgeschriebenen Art mit den Kennzeichnungselementen des § 3 leg. cit. vorzunehmen.

Trifft eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein, so finden nach § 9 VStG 1950 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 176/1983, sofern die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung.

Wie aus der Sachverhaltsdarstellung zu ersehen ist, hat die belangte Behörde den Spruch des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz zwar hinsichtlich des Tatzeitpunktes, der Zahl der vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen, der Anführung der durch die Taten verletzten Verwaltungsvorschriften, der Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafen und damit auch des von ihm zu leistenden Beitrages zu den Verfahrenskosten geändert, im übrigen jedoch ausdrücklich aufrechterhalten. Daraus folgt, daß die belangte Behörde spruchmäßig - gleich der Erstinstanz - die Person des Beschwerdeführers lediglich mit den Worten „als Verantwortlicher der S GesmbH & Co. KG“ gekennzeichnet hat. Die Merkmale, denenzufolge der Beschwerdeführer die Eigenschaft „als Verantwortlicher“ habe, wurden hingegen nicht angeführt. Damit unterließ es die belangte Behörde, den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in der dargelegten, von § 44 a lit. a VStG 1950 her gebotenen Weise zu ergänzen und belastete den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grunde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1983, Zlen. 83/10/0107, 0108).

In der Begründung des bekämpften Bescheides wird zwar erwähnt, daß der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, das nach außen vertretungsbefugte Organ der genannten Gesellschaft zu sein, er daher als das gemäß § 9 VStG 1950 strafrechtlich verantwortliche Organ anzusehen sei. Selbst wenn man diese Feststellung dahin gehend werten wollte, es wäre hiemit zum Ausdruck gebracht worden, der Beschwerdeführer habe die ihm angelasteten Taten in seiner Eigenschaft als im Sinne des § 9 VStG 1950 nach außen vertretungsbefugtes Organ begangen, wäre damit für die belangte Behörde nichts gewonnen. Denn daß Spruch und Begründung eines Bescheides als Einheit anzusehen sind, hat nicht zur Folge, daß die Begründung eines Bescheides zur Ergänzung seines Spruches herangezogen werden dürfte, sondern nur, daß die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0059). Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist indes nicht unklar, vielmehr - wie oben dargelegt - unvollständig.

Der angefochtene Bescheid war sohin - ohne daß es eines Eingehens auf die Beschwerdeausführungen bedurft hätte - gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Soweit in den Entscheidungsgründen auf in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, wird Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, in Erinnerung gebracht.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren für Schriftsatzaufwand war abzuweisen, da der hiefür zu zahlende Pauschalbetrag durch Art. I Pkt. A Z. 1 der zitierten Verordnung mit S 8.060,-- festgestellt worden ist.

Wien, am 19. September 1983

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