Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Grundstücke Gp, 581, 582, 595, 596 und 597, je KG. X, des Beschwerdeführers wurden in das Zusammenlegungsverfahren X einbezogen. Laut dem am 20. November 1979 von der Agrarbehörde erster Instanz erlassenen Zusammenlegungsplan wurde dem Beschwerdeführer anstelle seiner Altgrundstücke das Abfindungsgrundstück Nr. 2143 zugewiesen.
In seiner gegen diesen Zusammenlegungsplan erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Abfindung bestehe aus "Buckelwiesen" und könne maschinell nicht bearbeitet werden. Der Beschwerdeführer sei nicht gesetzmäßig abgefunden worden. Er wäre aber damit einverstanden, daß ihm die Grundstücke nach seinem Altbestand zugewiesen würden. Er beantrage daher, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den angefochtenen Zusammenlegungsplan aufzuheben und ihn gesetzmäßig abzufinden.
Zu dieser Berufung holte die belangte Behörde vorerst eine agrartechnische Stellungnahme ihres fachkundigen Mitgliedes ein, welche zu dem Ergebnis gelangte, daß die Abfindung des Beschwerdeführers dem Gesetz entspreche und sich für ihn, mit Rücksicht auf eine innerhalb der Gesetzmäßigkeit liegende Wertdifferenz zwischen Altbestand und Abfindung und unter Bedachtnahme auf die auf ihn entfallende Interessentenleistung für gemeinsame Maßnahmen und Anlagen und auf seinen Beitrag für Vermessung und Vermarkung, ein Anspruch auf einen Geldausgleich in der Höhe von S 12.869,-- ergebe.
Hierauf wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, in dieses Gutachten Einsicht zu nehmen, wovon er am 24. November 1980 Gebrauch machte. Zu einer Verhandlung über die Berufung des Beschwerdeführers kam es vorerst nicht, weil diesem über seinen Antrag eine Frist bis zum 31. Mai 1981 zur Einholung eines Gegengutachtens gewährt wurde. Am 27. Mai 1981 langte bei der belangten Behörde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung dieser Frist bis zum 30. Juni 1981 ein. Ohne über diesen Antrag zu entscheiden, beraumte die belangte Behörde hierauf die mündliche Berufungsverhandlung für den 2. Juli 1981 an; die Ladung zu dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juni 1981 zugestellt. Noch vor dieser Verhandlung lief bei der belangten Behörde ein mit 26. Juni 1981 datiertes Gutachten des vom Beschwerdeführer beauftragten Sachverständigen Dr. HK ein, nach dessen Inhalt die Wertdifferenz zwischen den Altgrundstücken des Beschwerdeführers und der ihm zugewiesenen Abfindung das gesetzlich zulässige Ausmaß überstiegen hätte.
Aus der Verhandlungsniederschrift der belangten Behörde vom 2. Juli 1981 geht hervor, daß zu dieser Berufungsverhandlung Parteien nicht erschienen waren. Nach Eröffnung der Verhandlung legte nach diesem Protokoll der Berichterstatter den Sachverhalt dar und verlas den angefochtenen Bescheid sowie die maßgebenden Aktenstücke, insbesondere die schriftliche Berufung und das Gutachten des Dr. K vom 26. Juni 1981, worauf der Vorsitzende die Verhandlung schloß.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1981 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides folgte die belangte Behörde den sachverständigen Ausführungen ihres fachkundigen Mitgliedes sowohl hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der dem Beschwerdeführer zugewiesenen Grundabfindung als auch hinsichtlich des sich daraus ergebenden Anspruches des Beschwerdeführers auf einen Geldausgleich. Unter Zugrundelegung der fachtechnischen Feststellungen und Schlußfolgerungen des Senatsmitgliedes Dipl. Ing. HN gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer durch Zuweisung der Abfindung Gp. 2143 in den von ihm behaupteten Rechten nicht verletzt worden sei. Daran könne auch das vorgelegte Privatgutachten nichts ändern, weil es in wesentlichen Teilen Behauptungen aufstelle, die sich nicht auf eine im Gutachten dargelegte ausreichende fachkundige Befundaufnahme stützten. Die fachlichen Gründe, welche nach Ansicht der belangten Behörde gegen das vorgelegte Privatgutachten im einzelnen sprächen, werden in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich mit dem Ergebnis dargestellt, daß aus diesem Gutachten keine zweckdienlichen Feststellungen entnommen werden könnten, welche die im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen und Schlußfolgerungen und die daraus zu ziehenden rechtlichen Schlüsse in Frage stellen könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Zuweisung eines ziffernmäßig bestimmten Geldausgleiches und einer dem Gesetz entsprechenden Grundabfindung verletzt und weist dazu insbesondere auf das seines Erachtens unzutreffende Ergebnis der Abwägung der beiden vorliegenden Gutachten hin. Das Gutachten des Dr. K liege auf dem Niveau einer wissenschaftlichen Darstellung und habe daher höheren Beweiswert als die Stellungnahme des fachkundigen Mitgliedes der belangten Behörde. Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, daß der Begründungsteil des angefochtenen Bescheides, welcher die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Privatgutachten enthalte, eine zum Teil polemische Äußerung darstelle. Die belangte Behörde hätte überdies dieses Gutachten durch das fachkundige Senatsmitglied einer Prüfung unterziehen und das Ergebnis dieser Überprüfung gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 dem Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 AgrVG 1950 entscheiden die Agrarsenate nach mündlicher Verhandlung unter Zuziehung der Parteien. Ein Fall nach § 9 Abs. 2 AgrVG 1950, wonach unter bestimmten Voraussetzungen von der Zuziehung der Parteien abgesehen werden kann, liegt im Beschwerdefall nicht vor. Die belangte Behörde hat im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung anberaumt und durchgeführt, in der es allerdings, da der Beschwerdeführer nicht erschienen war, zu der in § 10 Abs. 2 AgrVG 1950 vorgesehenen Klarstellung des Gegenstandes durch Entgegennahme von Parteienerklärungen, Einvernahme von Zeugen und eingehende Erörterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht kam.
Nach § 9 Abs. 4 AgrVG 1950 hat die Anberaumung der Verhandlung und die Verständigung der Parteien im Agrarverfahren unmittelbar durch den Vorsitzenden des Senates oder seinen Stellvertreter derart zu erfolgen, daß zwischen der Zustellung der Verständigung und der Verhandlung ein Zeitraum von zwei Wochen liegt. In dringenden Fällen kann diese Frist bis auf fünf Tage abgekürzt werden.
Die belangte Behörde hat die Anberaumung der Berufungsverhandlung für den 2. Juli 1981 am 17. Juni 1981 verfügt; eine Zustellung der Ladung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erfolgte jedoch erst am 29. Juni 1981, somit nur drei Tage vor dem Verhandlungstermin. Schon dadurch, daß die belangte Behörde durch diese Vorgangsweise die Vorschrift des § 9 Abs. 4 AgrVG 1950, deren Zweck unmißverständlich darin zu erblicken ist, den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zwischen Zustellung der Ladung zur Verhandlung und deren Termin auf diese Verhandlung vorzubereiten, weitere Beweismittel zu sammeln und allfällige Anträge zu stellen, mißachtet hat, hat sie eine Verfahrensvorschrift außer acht gelassen; bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
In der Beschwerde wird im Rahmen der Verfahrensrüge ausdrücklich bemängelt, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, das Gutachten des Privatsachverständigen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens dem Gutachten des fachkundigen Senatsmitgliedes gegenüberzustellen und diese Erörterung bzw. deren Ergebnis dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen, Diesem Vorgang hätte gemäß § 10 Abs. 2 AgrVG 1950 die mündliche Berufungsverhandlung dienen sollen, doch wurde diese Verhandlung, wie bereits ausgeführt, unter Verletzung der im Gesetz vorgesehenen Mindestvorbereitungsfrist anberaumt. Den Verwaltungsakten ist ferner zu entnehmen, daß die belangte Behörde vor der Schließung dieser Verhandlung durch den Vorsitzenden am 2. Juli 1981 keine weiteren Äußerungen ihres fachkundigen Mitgliedes zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Privatgutachten eingeholt hat. Es trifft daher der in der Beschwerde erhobene Vorwurf zu, daß die belangte Behörde erstmals im angefochtenen Bescheid das Ergebnis weiterer Feststellungen über die Aussagekraft dieses Privatgutachtens verwertet hat, ohne dem Beschwerdeführer in einer dem Gesetz (§§ 1 AgrVG 1950, 45 Abs. 3 AVG 1950) entsprechenden Weise Gelegenheit gegeben zu haben, von dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 26. Jänner 1982
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