VwGH 81/06/0190

VwGH81/06/01901.7.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des Dr. GS in G, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Dr. Lothar Troll, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 34/III, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 19. November 1981, Zl. A 17‑K‑24.454/I‑1981, betreffend Zurückweisung eines Bauansuchens, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §58 litc
BauO Stmk 1968 §60
EO §367 Abs1
WEG 1975 §26 Abs1 Z7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981060190.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.738,96 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß vom 11. März 1980, 6 Nc 8/79, faßte das Bezirksgericht für ZRS Graz über Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer des Hauses Graz, R Straße 25, als Antragsgegner in einem Verfahren nach § 13 Abs. 2 WEG 1975 (Wohnungseigentumsgesetz 1975, BGBl. Nr. 417) nachstehenden Beschluß:

„I. Die antragstellende Partei ist berechtigt, folgende Änderungen an ihrer Eigentumswohnung Top Nr. 77 im 12. Obergeschoß des Hauses 8010 Graz, R Straße 25 durchzuführen:

1. Entfernung der südwestlich gelegenen Loggienwand bis auf Parapetshöhe und Ersatz derselben durch eine Metallstütze.

2. Aufschweißen eines Formrohres auf dem Balkongeländer im Abstand von 1,1 m zum verbleibenden Ziegelbelag.

3. Anbringung eines AVI-Gitters an der Innenseite der Drahtkonstruktion der verbleibenden Assmanitbrüstungverkleidung.

Diesen Änderungen liegt der mit Schriftsatz vom 17. 9. 1979 vom Antragsteller vorgelegte Plan des Baumeisters Ing. HM, 8010 Graz, M Gasse 14 zugrunde.

Diese Änderungen müssen von den anderen Miteigentümern (Antragsgegner) geduldet werden und diese dürfen auch, sofern eine behördliche Bewilligung erforderlich ist, ihre Zustimmung dazu nicht verweigern.“

Im Punkt II wurden weitere Anträge des Beschwerdeführers abgewiesen. Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft.

Am 3. Dezember 1980 suchte der Beschwerdeführer unter Vorlage einer auszugsweise beglaubigten Fotokopie des genannten Beschlusses und der darin genannten Baupläne des Ing. HM um Bewilligung dieser baulichen Veränderungen an.

Nachdem der Beschwerdeführer vergeblich aufgefordert worden war, auch die Unterschriften aller Miteigentümer beizubringen, der Beschwerdeführer vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen hatte, daß diese Unterschriften durch den vorgelegten Beschluß rechtskräftig ersetzt worden seien, wurde das Bauansuchen mit Bescheid des Stadtsenates vom 28. Juli 1981 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, daß nach § 58 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung dem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmungserklärungen aller Grundmiteigentümer anzuschließen seien und nach § 60 Abs. 1 leg. cit. die Baupläne und Baubeschreibungen vom Grundmiteigentümer unter Beisetzung seiner Eigenschaft unterfertigt sein müsse. Das Fehlen dieser Unterschriften nehme der Behörde die Möglichkeit, eine Sachentscheidung über das Ansuchen zu treffen.

In der Berufung wies der Beschwerdeführer ausdrücklich auf die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes hin, wonach das Gericht ohnehin die erforderliche Zustimmung der Mit- und Wohnungseigentümer ersetzt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß nach § 58 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung 1968 dem Ansuchen um Baubewilligung unter anderem die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen sei, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer ist. In Fällen des Wohnungseigentums sei daher die Zustimmungserklärung der übrigen Miteigentümer erforderlich, sofern es sich nicht um bauliche Maßnahmen ausschließlich innerhalb von Räumen handle. Die Unterbehörde sei auf Grund des Umfanges und der Eigenart der geplanten baulichen Maßnahmen zur Auffassung gelangt, daß eine Zustimmung der übrigen Miteigentümer erforderlich sei. Im Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz seien die Miteigentümer lediglich verhalten worden, die vom Beschwerdeführer beabsichtigten „Änderungen“ am Haus zu dulden, weiters sei ausgesprochen worden, daß die übrigen Miteigentümer, sofern eine behördliche Bewilligung erforderlich sei, ihre Zustimmung dazu nicht verweigern dürften. Der Gerichtsbeschluß stelle nicht die Zustimmungserklärung der Miteigentümer selbst dar, sondern verhalte diese nur dazu, die erforderliche Zustimmungserklärung abzugeben. Im Fall der aber dennoch erfolgten Verweigerung könne die Abgabe auf dem Exekutionsweg durchgesetzt werden. Dies ergebe sich auch aus der Textierung des § 58 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung, da dort nicht etwa von der Zustimmung des Grundeigentümers, sondern von der Zustimmungserklärung des Grundeigentümers die Rede sei. Dies bedeute, daß es in jedem Fall nicht nur des Nachweises durch den Konsenswerber bedürfe, daß die Miteigentümer, aus welchen Gründen immer, zur Abgabe einer Zustimmungserklärung verpflichtet seien, sondern es formellen Nachweises einer tatsächlichen Zustimmungserklärung. Die Baubehörde habe nämlich nicht zu prüfen, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung des Grundeigentümers bestehe. Der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz stelle aber nicht mehr als eine solche Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung dar. Überdies aber müßten auch gemäß § 60 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die Baupläne, die Baubeschreibung und allfällige weitere Nachweise vom Grundeigentümer unterfertigt werden; auch dies sei ebenso wie die Zustimmungserklärung ein gesetzliches Formalerfordernis eines Baubewilligungsansuchens, daß der bzw. die Miteigentümer die eingereichten Pläne und Unterlagen unterfertigten. Damit würde auch die Möglichkeit unterbunden, daß ein Bauwerber etwa durch Vorlage neuer, den zustimmenden Miteigentümern niemals zu Gesicht gekommener Pläne ein Bauvorhaben verwirkliche, welches des Konsenses der Miteigentümer entbehre. Die Vorschriften hätten den durchaus nachvollziehbaren Zweck, Art und Umfang des verliehenen „subjektiven Baurechtes“ ein für allemal unmißverständlich zu bestimmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinen Ausführungen in seinem Recht verletzt, daß über das Bauansuchen meritorisch entschieden wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, ist dem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer ist; gemäß § 60 Abs. 1 leg. cit. sind die Baupläne, die Baubeschreibung und allfällige weitere Nachweise vom Grundeigentümer, vom Bauwerber, von den Verfassern und vom Bauführer unter Beisetzung ihrer Eigenschaft zu unterfertigen.

Im vorliegenden Fall ist nun wegen der Bedeutung der Änderung für die Fassadengestaltung unbestritten, daß eine liquide Zustimmungserklärung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer für die Bauführung unbeachtet des bestehenden Wohnungseigentums, das auch die hier gegenständliche Loggia umfaßt, erforderlich ist. Die belangte Behörde verkannte jedoch das Wesen des Beschlusses des Bezirksgerichtes im Verfahren nach § 13 Abs. 2 WEG 1975. Trotz der vorliegenden, nicht ganz glücklichen Fassung des Spruches ergibt sich aus diesem eindeutig, daß damit die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer des Hauses als Antragsgegner verpflichtet wurden, einer konkreten Bauführung des Beschwerdeführers unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen bestimmten Plan zuzustimmen; eine derartige Verpflichtung zur Zustimmung nimmt ja auch die belangte Behörde an. Gemäß § 367 Abs. 1 EO in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Z. 7 WEG 1975 (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981) gilt eine Erklärung, zu der der Verpflichtete nach Inhalt das Exekutionstitels verpflichtet ist, als abgegeben, sobald das Urteil bzw. ein gleichzuhaltender Beschluß, wie hier nach § 26 WEG 1975, die Rechtskraft erlangt hat. Dabei macht es auch keinen Unterschied aus, ob der Verpflichtete im Titel zu einer Zustimmung oder zu einer Unterfertigung einer Urkunde verpflichtet wird. In der Regel wird daher die Unterfertigung im Sinn des § 367 Abs. 1 EO als geschehen zu erachten sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Erklärung an den aus dem Exekutionstitel Berechtigten oder an einen Dritten, etwa an eine Behörde, zu richten ist (vgl. den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 22. Dezember 1981, 5 Ob 47/81).

Damit liegen aber - entgegen der Annahme der belangten Behörde - die Zustimmungserklärungen der im Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz genannten Miteigentümer in Form des in Rechtskraft erwachsenen Beschlusses vor. Die belangte Behörde hat aber auch zu Unrecht angenommen, daß ungeachtet des vorliegenden Beschlusses der Bauplan von allen Miteigentümern persönlich hätte unterfertigt werden müssen. Kann doch kein Zweifel bestehen, daß die Unterfertigung des Bauplanes wie der Zustimmungserklärungen durch einen Vertreter unter Anschluß der Vollmacht allen Vorschriften des § 58 und § 60 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 genügte; nach Ansicht des Gerichtshofes reicht daher die Unterfertigung des Bauwerbers, der ja Miteigentümer ist, auf Bauansuchen, Bauplan und Baubeschreibung aus, wenn dies im Zusammenhang mit einem Gerichtsbeschluß erfolgt, der die fehlenden Zustimmungserklärungen der Miteigentümer bewirkt und ihn dadurch zur Setzung dieser Handlungen ermächtigt. Wie nämlich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid völlig zutreffend ausgeführt hat, soll die Anordnung der notwendigen Unterfertigung des Bauplanes durch die Grundeigentümer in § 60 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 festlegen, welche Baumaßnahme den Konsens der Miteigentümer gefunden hat und daher - vorbehaltlich einer behördlichen Bewilligung - auch tatsächlich realisiert werden dar. Diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, der sogar im Spruch ausdrücklich auf den Plan des Baumeisters Ing. HM Bezug nimmt und dadurch Art und Umfang der genehmigten Bauarbeiten eindeutig fixiert. Es kann daher keine Rede davon sein, daß ein Bauwerber etwa durch Vorlage neuer, den zustimmenden Miteigentümern niemals zu Gesicht gekommener Pläne ein Bauvorhaben verwirklicht, welches des Konsenses der Miteigentümer entbehrt, da nachträgliche Änderungen des Planes nicht von der Genehmigung des Gerichtes erfaßt wurden.

Die belangte Behörde vermengt im angefochtenen Bescheid ebenso wie in der Gegenschrift offenbar das vom Verwaltungsgerichtshof stets vorausgesetzte Erfordernis einer liquiden Zustimmung der Miteigentümer bzw. des Eigentümers, wie sie in Form des mehrfach zitierten Beschlusses nach § 13 Abs. 2 WEG 1975 vorliegt, und einer lediglich aus dem Gesetz oder aus einer behaupteten Vereinbarung entspringenden Verpflichtung, über die noch kein rechtskräftiger Titel besteht.

Da die belangte Behörde - wie schon die erste Instanz - zu Unrecht das Vorliegen der erforderlichen Zustimmungserklärungen der Miteigentümer zu Bauansuchen und Bauplan verneint und von dieser unrichtigen Rechtsansicht ausgehend der Berufung nicht Folge gegeben hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, wobei jedoch Kosten nur in dem verzeichneten Umfang zuzusprechen waren.

Wien, am 1. Juli 1982

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