VwGH 81/05/0076

VwGH81/05/007623.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des Mag. NW in G, vertreten durch Dr. Gerhard Benn - Ibler, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. März 1981, Zl. II/2- V 80213, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. XY-Genossenschaft, reg. Genossenschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, Hauptplatz 17, 2. Marktgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §22 Abs5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg impl;
ROG NÖ 1976 §15 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §22 Abs5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg impl;
ROG NÖ 1976 §15 Abs3;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.585,-- hinnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nachdem auf Grund von Rechtsmitteln des Beschwerdeführers mit den Berufungsbescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Mai 1979 und 22. Februar 1980 die vom Bürgermeister dieser Gemeinde der erstmitbeteiligten Partei über deren Ansuchen vom 26. Jänner 1979 erteilten Baubewilligungen vom 13. Februar 1979 und 25. April 1979 zur Errichtung einer Wohnhausanlage in G, H-straße gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und die Angelegenheiten jeweils zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen worden waren, legte die erstmitbeteiligte Partei mit Eingabe vom 18. Juni 1980 "Auswechslungspläne für die Baupläne zum Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung vom 26. Jänner 1979" vor. Nach diesen Plänen und der angeschlossenen Baubeschreibung sollten fünf in einer E-Form angeordnete zweigeschossige Wohnhäuser in offener Bauweise mit insgesamt 30 Wohnungen sowie 22 Pkw-Abstellplätze, 10 Garagenplätze, ein Kinderspielplatz und eine vollbiologische Kläranlage mit Einmündung der vorgeklärten Abwässer in den G-bach errichtet werden. Über dieses Bauvorhaben beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Ladung vom 26. Juni 1980 eine mündliche Verhandlung an, zu der unter anderem der Beschwerdeführer als Eigentümer eines im Westen gelegenen, durch eine öffentliche Verkehrsfläche (L-gasse) von den durch das Bauvorhaben betroffenen Grundstücken getrennten Grundstückes unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 42 AVG 1950 geladen wurde. In dieser am 2. Juli 1980 durchgeführten mündlichen Verhandlung erhob der Beschwerdeführer eine Reihe von Einwendungen. Die vom Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens weiter verfolgten Einwendungen können, wie folgt, kurz zusammengefasst werden: Durch die Einleitung der Abwässer aus der vorgesehenen vollbiologischen Kläranlage in den Gbach würde die Wassergüte dieses Gewässers beeinträchtigt und entstünde für die Anrainer eine unzumutbare Geruchsbelästigung; die quergestellten (Nord-Südrichtung) Bauten stellten für die östlich und westlich gelegenen Anrainer eine Beeinträchtigung des Lichtrechtes dar; durch die Ein- und Ausfahrt von etwa 60 Autos käme es auf der H-straße (Landesstraße) zu großen Gefahrenmomenten; das Bauvorhaben stünde im Widerspruch mit den bei "Sprengelsitzungen" für den neu zu erstellenden Flächenwidmungsplan gemachten Vorschlägen; die vorgesehene Bebauung entspräche nicht dem Orts- und Landschaftsbild; die Grundstücke seien vor allem für die nördlich angeordneten Wohnblöcke wegen der Hochwassergefahr nicht zur Bebauung geeignet und würden Niveauveränderungen im Falle eines Hochwassers mit schwersten Auswirkungen für die in der L-gasse wohnenden Anrainer verbunden sein.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 1980 wurde der erstmitbeteiligten Partei die angestrebte Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage samt Nebenanlagen und einer vollbiologischen Kläranlage gemäß § 92 Abs. 1 und 2 der NÖ Bauordnung erteilt. Zu den Einwendungen der Anrainer, darunter auch des Beschwerdeführers, wurde einiges "festgestellt"; aus der Begründung ist dazu ersichtlich, dass die Einwendungen der Beschwerdeführer abgewiesen werden sollten.

Mit Eingabe vom 8. August 1980 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid rechtzeitig die Berufung. In dieser Berufung wurden die oben wiedergegebenen Einwendungen wiederholt, während andere bei der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1980 vorgebrachte - oben nicht dargestellte - Einwendungen nicht mehr genannt würden; neu ausgeführt wurde die Rüge, dem Bauvorhaben stünde ein "verordneter Baustopp wegen Ausarbeitung des Flächenwidmungsplanes" entgegen. Diese Berufung ergänzte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 29. September 1980 dahingehend, das Bauvorhaben widerspräche in Bezug auf die Bauklasse bzw. Bauhöhe der NÖ Bauordnung 1976. Wie den §§ 5 und 22 der NÖ Bauordnung zu entnehmen sei, dürfe bei der Bauklasse II die Bauhöhe 7 m betragen, wobei eine Überschreitung von maximal einem Meter zulässig sei. Aus den Bauplänen sei zu entnehmen, dass das Bauvorhaben wegen des Niveauunterschiedes von 2 m deutlich die zulässige Höhe von 8 m über dem verglichenen Gelände überschreite.

Mit dem auf Grund des Beschlusses vom 2. Oktober 1980 ergangenen Bescheid vom 24. Oktober 1980 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der vom Beschwerdeführer (und anderen Nachbarn) erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde nach einer kürzen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, in der Gemeinderatssitzung vom 2. Oktober 1980 seien die Berufungen unter Tagesordnungspunkt 29 behandelt worden; es sei beschlossen worden, die Berufungen abzuweisen und den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vollinhaltlich zu bestätigen. Die ausführliche Begründung im Bescheid des Bürgermeisters sei ebenfalls vollinhaltlich bestätigt worden.

In der dagegen erhobenen Vorstellung machte der Beschwerdeführer geltend, der Gemeinderat habe seine Einwendungen betreffend sanitäre Rücksichten, Einordnung in das Orts- und Landschaftsbild, Gewässerverunreinigung, Umweltschutz, Verkehrsunfallgefahren, Hochwassergefahr und Flächenwidmung nicht "zur Kenntnis genommen". Außerdem habe es der Gemeinderat unterlassen, sich mit seiner Einwendung in seiner Eingabe vom 29. September 1980 betreffend Nichtbeachtung der bei der Bauklasse II zulässigen Gebäudehöhe auseinander zu setzen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25. März 1981 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 3 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides führte die Gemeindeaufsichtsbehörde nach einer kurzen Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 im wesentlichen aus, die Einwendungen betreffend erhöhte Gefahr von Verkehrsunfällen wegen des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens, die Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes, die Wohnungsgröße, die Hochwassergefahr und die zu geringe Anzahl von Parkplätzen stützten sich nach Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht auf Bestimmungen der NÖ Bauordnung, welche im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer dienten, und seien daher nicht geeignet, subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers zu begründen. Es handle sich hiebei um die Einhaltung baurechtlicher Bestimmungen, die allein den öffentlichen, von der Baubehörde wahrzunehmenden Interessen dienten und daher nicht den Einwendungen der Anrainer unterlägen. Zum behaupteten Widerspruch zum künftigen örtlichen Raumordnungsprogramm bzw. einem verordneten Bauverbot - gemeint sei offenbar eine Bausperre - müsse zunächst festgestellt werden, dass ein Bauvorhaben jedenfalls nur nach dem im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides geltenden Flächenwidmungsplan beurteilt werden könne und demnach allfällige Zielsetzungen, eines künftigen örtlichen Raumordnungsprogrammes nicht als Entscheidungsgrundlage durch die Baubehörde herangezogen werden könnten. Hinsichtlich der verordneten Bausperre müsse festgehalten werden, dass aus einer derartigen Verordnung bzw. der ihre Grundlage bildenden gesetzlichen Bestimmung (§ 19 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-0) - hiebei handelt es sich wohl um ein Fehlzitat -, sich eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Anrainerrechtes gleichfalls nicht ableiten lasse, da die Einhaltung einer derartigen Verordnung allein den durch die Baubehörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen diene und daher nicht den Einwendungen der Anrainer unterliege. Die Behauptung der mit der Abwasserbeseitigung - Einleitung über eine vollbiologische Kläranlage in den G-bach - verbundenen Geruchsbelästigung und damit einer Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse erweise sich derzeit als unbegründet, da im vorliegenden Fall für die vorgesehene Form der Beseitigung der Abwässer, abgesehen von der baubehördlichen Bewilligung, die Erteilung einer Bewilligung nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes durch die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung erforderlich sei. In diesem Zusammenhang könne es jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass im Falle der Erteilung dieser Bewilligung durch die Wasserrechtsbehörde für die vorgesehene Abwasserbeseitigungsanlage auch eine gesonderte baubehördliche Bewilligung nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung (§ 92 Abs. 1 Z. 2) erforderlich sei und hiebei auf Grund des Ergebnisses des rechtskräftigen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens die Frage einer allfälligen Geruchsbelästigung einer Überprüfung durch die Baubehörde zu unterziehen sein werde. Die am 29. September 1980 an die mitbeteiligte Gemeinde gerichtete Eingabe betreffend die Überschreitung der zulässigen Bebauungshöhe sei eindeutig nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist (12. August 1980) eingebracht und daher durch den Gemeinderat als Baubehörde zweiter Instanz nach Ansicht der Aufsichtsbehörde zu Recht nicht berücksichtigt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Berufung innerhalb der Berufungsfrist vollständig eingebracht sein, so daß in der Nichtbehandlung dieses Vorbringens durch die Berufungsbehörde keine Rechtswidrigkeit erblickt werden könne. Die Aufsichtsbehörde sei auf Grund der vorstehenden Erwägungen daher der Auffassung, dass durch den angefochtenen, auf durchaus schlüssige Feststellungen der Behörde I. Instanz gestützten Bescheid eine Verletzung von baurechtlich geschützten subjektiv-öffentlichen Rechten des Beschwerdeführers nicht eingetreten sei.

Gegen diesen gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Sowohl die belangte Behörde als auch die erstmitbeteiligte Partei erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei dem vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 21. Juli 1980 bewilligten Bauvorhaben um ein Projekt handelt, dass sich schon wegen der unterschiedlichen Situierung der Wohnhäuser ganz erheblich von dem mit den aufgehobenen Bescheiden vom 9. Mai 1979 und 22. Februar 1980 bewilligten Bauvorhaben unterscheidet. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die erstmitbeteiligte Partei die mit Eingabe vom 18. Juni 1980 vorgelegten Pläne in dieser Eingabe als "Auswechslungspläne" bezeichnete und sich auf das ursprüngliche Bauansuchen vom 26. Jänner 1979 bezog. Die Verwaltungsbehörden haben diese Eingabe daher zu Recht als neues Bauansuchen gewertet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im nachbarrechtlichen Verfahren die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde, der Gemeindeaufsichtsbehörde und auch des Verwaltungsgerichtshofes auf jene Rechte beschränkt, die mit den Einwendungen im Zusammenhang stehen, welche bei der von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden (siehe unter anderem die Erkenntisse vom 11. Oktober 1965, 235/64, Slg. N. F. 6777/A, und vom 12. September 1966, 314/66, Slg. N.F. Nr. 6980/A). Entscheidend für die vorliegende Beschwerde sind daher einzig und allein jene Einwendungen, die der Beschwerdeführer bei der am 2. Juli 1980 durchgeführten mündlichen Verhandlung erhoben und auch weiter verfolgt hat.

Eine Einwendung, dem Bauvorhaben stünde ein verordneter Baustopp (richtig wohl: Bausperre) entgegen, wurde in dieser mündlichen Verhandlung nicht erhoben, weshalb der Beschwerdeführer präkludiert ist, eine Verletzung eines solchen subjektivöffentlichen Rechtes geltend zu machen. Sowohl die Baubehörde zweiter Instanz als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde hätten daher in Bezug auf diese Einwendung die Abweisung der vom Beschwerdeführer erhobenen Rechtsmittel auf die eingetretene Präklusion stützen müssen (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, 302/79, Slg. N.F. Nr. 10.317/A). Dadurch, dass die Baubehörde zweiter Instanz auf diese Einwendung überhaupt nicht eingegangen ist und die Gemeindeaufsichtsbehörde auf Grund von - im übrigen nicht zutreffenden - Erwägungen zu dem Schluss gekommen ist, subjektivöffentliche Rechte des Beschwerdeführers seien durch den Berufungsbescheid nicht verletzt worden, könnte der Beschwerdeführer aber dennoch wegen der insoweit im Ergebnis zutreffenden Abweisung nicht beschwert sein.

Über die Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren bestimmt § 118 Abs. 8 erster Satz der NÖ Bauordnung 1976, dass als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950 genießen, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Daraus ergibt sich, dass der Anrainer im Baubewilligungsverfahren nur ein auf die Wahrung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte beschränktes Mitspracherecht hat. Nach § 118 Abs. 9 leg. cit. werden subjektivöffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung; 4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden im Geltungsbereich der NÖ Bauordnung 1976 durch einen Baubewilligungsbescheid dann verletzt, wenn bei dessen Fällung - im Rahmen der rechtzeitig erhobenen Einwendungen gelegene materiell-rechtliche Bestimmungen außer acht gelassen werden, deren Gegenstand der Schutz jener Rechtsgüter ist, die entweder in der beispielsweisen Aufzählung des zitierten § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 ausdrücklich genannt oder aber im Hinblick auf die räumliche Nähe zum Bauvorhaben auch der Rechtssphäre des Anrainers zuzurechnen sind.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur NÖ Bauordnung 1976, aber auch zu früheren niederösterreichischen Bauordnungen und zu Bauordnungen anderer Länder kommt dem Nachbarn ganz allgemein kein Recht auf Einhaltung von Vorschriften zu, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen; dazu zählen unter anderem die Vorschriften über die Beachtung des Orts- und Landschaftsbildes (Erkenntnis vom 15. Dezember 1954, 3323/53, Slg. N. F. Nr. 3600/A, und vom 20. November 1972, 789/72, Slg. N.F. Nr. 8317/A) .

Die Bestimmungen der NÖ Bauordnung räumen dem Nachbarn weiters keinen Rechtsanspruch darauf ein, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 10. Mai 1955, 2427/53, Slg. N. F. Nr. 3735/A, und vom 26. Jänner 1960, 1641/59, Slg. N.F. Nr. 5182/A), weshalb dem Nachbarn auch kein subjektivesöffentliches Recht auf ungehinderte und gefahrlose Benützung öffentlicher Verkehrsflächen zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. September 1982, Zl. 82/05/0072,0073).

Auch Vorschriften über die erforderliche Eignung eines Bauplatzes begründen keine Nachbarrechte (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 25. April 1962, 1220/60, Slg. N. F. Nr. 5785/A), weshalb die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung genannte Bestimmung des § 15 Abs. 3 des NÖ Raumordnungsgesetzes, wonach Flächen, die auf Grund ihrer natürlichen Gegebenheiten zur Bebauung ungeeignet sind, insbesondere Flächen, die in Hochwasserabflussgebieten liegen, nicht als Baugelände gewidmet werden dürfen, nicht zu jenen Vorschriften zählt, die dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht einräumen. Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Einrede, das an sich hochwassergefährdete Gebiet dürfte vor allem für die nördlich angeordneten zwei Wohnblöcke nicht geeignet sein, ausführt, andererseits "wäre" eine Niveauveränderung mit schwersten Auswirkungen im Falle eines Hochwassers für die in der L-gasse wohnenden Anrainer verbunden, ist ihm entgegenzuhalten, dass den dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 1980 zugrundeliegenden Plänen keine Niveauänderung zu entnehmen ist und daher eine Niveauänderung nicht Gegenstand der Baubewilligung sein konnte, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen ins Leere gingen.

Da ein Bauvorhaben nach den im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen ist, kann der Nachbar auch aus dem Entwurf eines künftigen Flächenwidmungsplanes, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, keine subjektiv-öffentlichen Rechte ableiten.

Im baubehördlichen Bewilligungsverfahren hat der Nachbar weiters kein Recht darauf, dass durch die Einleitung von Abwässern aus einer Abwasserbeseitigungsanlage nicht die Wassergüte eines Gewässers beeinträchtigt werde; ein solches Recht kann der Nachbar allenfalls in einem Verfahren nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 wahrnehmen (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 13. März 1973, 325/72, Slg. N.F. Nr. 8381/A).

Hingegen erwächst - wie auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eingeräumt hat - aus den Bestimmungen des § 118 Abs. 8 und 9 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf, Schutz vor Geruchsbelästigung (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1982, Zl. 05/2780/80). Der Beschwerdeführer hat demgemäß auf Grund der baurechtlichen Vorschriften einen Anspruch darauf, dass die Abwasserbeseitigungsanlage so beschaffen ist, dass eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Belästigung durch Geruch nicht zu erwarten ist. Die vom Beschwerdeführer bereits in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1980 erhobene Einwendung, durch die vorgesehene vollbiologische Kläranlage werde eine unzumutbare Geruchsbelästigung der Nachbarschaft verursacht, erweist sich daher als eine im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigende subjektive öffentlich-rechtliche Einwendung. Die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde hätte sich daher mit diesem Einwand nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens näher auseinander setzen oder den bei ihr angefochtenen Berufungsbescheid aufheben müssen. Insoweit die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, es bedürfe noch einer gesonderten baubehördlichen Bewilligung für die vorgesehene Abwasserbeseitigungsanlage, hat sie hiebei übersehen, dass mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug aufrecht erhaltenen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 1980 auch die baubehördliche Bewilligung für eine "vollbiologische Kläranlage" erteilt wurde. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Einleitungssatz dieses Bescheides, sondern auch aus dem Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1980, welche ausdrücklich als integrierender Bestandteil dieses Bescheides erklärt wurde. Dadurch, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Rechtsirrig erweist sich aber auch die Auffassung der belangten Behörde, die Baubehörde zweiter Instanz habe zu Recht die die Berufung ergänzende Eingabe des Beschwerdeführers vom 29. September 1980 betreffend die Überschreitung der zulässigen Bebauungshöhe nicht berücksichtigt, weil sie eindeutig nach Ablauf der Berufungsfrist eingebracht worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Berufungsverfahren ein neues Vorbringen auch nach Ablauf der Berufungsfrist zulässig, wenn bereits eine den formalen Erfordernissen entsprechende Berufung vorliegt (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 20. September 1951, Slg. N.F. Nr. 2227/A, vom 6. Februar 1967, Slg. N.F. Nr. 7074/A, vom 18. Februar 1970, Slg. N. F. Nr. 7737/A, und vom 12. September 1978, 1929/77, Slg. N. F. Nr. 9627/A). Wenn sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezog, wonach die Berufung innerhalb der Berufungsfrist "vollständig" eingebracht werden müsse, und daraus den Schluss zog, ein Vorbringen, welches nach Ablauf der Berufungsfrist erhoben werde, sei als verspätet anzusehen, unterlag sie insofern einem Rechtsirrtum, als sich diese Judikatur nur darauf bezieht, dass eine allen Anforderungen des § 63 Abs. 3 AVG 1950 entsprechende Berufung (Bezeichnung des angefochtenen Bescheides und Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages) innerhalb der Berufungsfrist erforderlich ist. Das bedeutet, dass ein einer erhobenen Berufung fehlender wesentlicher Bestandteil nicht nach Ablauf der Berufungsfrist nachgetragen werden kann (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1963, Zl. 1531/62). Liegt jedoch - wie dies unbestrittenermaßen in der vorliegenden Beschwerdesache der Fall ist - eine rechtzeitige, den formalen Erfordernissen entsprechende Berufung vor, so ist, wie bereits ausgeführt wurde, auch noch ein späteres neues Vorbringen des Berufungswerbers zulässig. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es sich hiebei nicht um ein gemäß § 42 AVG 1950 präkludiertes Vorbringen handelt.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1980 machte nun der Beschwerdeführer unter anderem auch geltend, die quergestellten (Nord-Südrichtung) Bauten stellten für die östlich und westlich gelegenen Anrainer eine Beeinträchtigung des "Lichtrechtes" dar. Dazu ist den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer schon in dem den gegenständlichen Baubewilligungsverfahren vorangegangenen Verfahren betreffend ein anderes Bauvorhaben die "Beeinträchtigung des Lichtrechtes" in der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe gesehen hat. In diesem Sinne wandte er entsprechend der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18. April 1979 seinerzeit ein: "Durch die geplante Höhe des Baues (Giebelhöhe 11,75 m) werde ich in meinem Lichtrecht beeinträchtigt". Auch die Baubehörde zweiter Instanz führte in der Begründung ihres Berufungsbescheides vom 22. Februar 1980 aus:

"Das Überschreiten der Bauhöhe stellt aber nicht nur eine materielle Rechtsverletzung dar, sondern kann im Hinblick auf die räumliche Nähe zu anderen Wohnhäusern zu einer Verletzung der subjektiv-öffentlichen Rechte (Lichtrecht) des Anrainers führen."

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Rechtsnormen, welche die Einhaltung einer bestimmten Gebäudehöhe zum Gegenstand haben, auch der ausreichenden Belichtung der Nachbarschaft dienen. Dies ergibt sich für die Niederösterreichische Bauordnung 1976 schon aus der Regelung des § 22 Abs. 5, wonach die Baubehörde bei bestimmten Baulichkeiten unter anderem Ausnahmen hinsichtlich der Bebauungshöhe gewähren kann, wenn die Belichtung anderer Gebäude dadurch nicht beeinträchtigt wird (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 8. November 1976, Slg. N.F. Nr. 9170/A).

Auf Grund dieser Erwägungen ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der in der die Berufung ergänzenden Eingabe vom 29. September 1980 enthaltenen Äußerung betreffend die Höhe des geplanten Bauvorhabens um eine zulässige Ausführung einer rechtzeitig erhobenen, subjektiven öffentlich-rechtlichen Einwendung handelt. Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte und den Berufungsbescheid nicht aufhob, bzw. sich mit der Einwendung der Überschreitung der zulässigen Bebauungshöhe nicht auseinander setzte, ist der angefochtene Bescheid mit einer weiteren Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Soweit auf nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wurde, wird an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens des Beschwerdeführers betrifft entrichtete Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen; zur Rechtsverfolgung war nämlich nur die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides notwendig.

Wien, am 23. Oktober 1984

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte