VwGH 81/03/0188

VwGH81/03/018820.4.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Varga, über die Beschwerde des Dr. AD in I, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt, in Innsbruck, Marktgraben 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Juni 1981, Zl. IIb2‑V‑1047/3‑81, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §99 Abs3 lita
StVO 1960 §99 Abs3 liti
VStG §44 litb
VStG §44a litc
VStG §44a Z2 implizit
VStG §44a Z3 implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1981030188.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck sprach mit dem Straferkenntnis vom 3. März 1981 aus, der Beschwerdeführer habe am 24. Juli 1980 „in der Zeit von 15.35 Uhr“ in Innsbruck, Sillgasse, auf der Höhe der Hagebank, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws während seiner Fahrt in südlicher Richtung beim Herannahen an eine Frau und zwei Kinder, die die Fahrbahn der Sillgasse in westlicher Richtung überquerten, durch die Betätigung einer Hupe lautstarke Signale abgegeben, obwohl für den Bereich des Ortsgebietes Innsbruck ein gemäß § 52 Z. 14 kundgemachtes Hupverbot bestehe und zur Abwendung einer Gefahr von diesen Personen das ohnehin gebotene Anhalten des Fahrzeuges ausgereicht hätte. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 14 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 15 Stunden) verhängt. Zur Begründung führte die Behörde aus, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung seien durch die von einem Straßenaufsichtsorgan auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erstattete Anzeige und die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen worden. Für das Stadtgebiet Innsbruck (Ortsgebiet) sei gemäß § 52 Z. 14 StVO ein Hupverbot verordnet. Die Betätigung der Vorrichtung zur Abgabe von Schallzeichen sei verboten, wenn zur Abwendung einer Gefahr von einer Person ein anderes Mittel ausreiche. Nach Ansicht der Behörde hätte die Verringerung der Geschwindigkeit und das Anhalten des Fahrzeuges ausgereicht, um eine eventuelle Gefahr für die die Straße überquerenden Personen abzuwenden. Gemäß § 29 a StVO habe der Lenker eines Fahrzeuges, wenn er zu erkennen vermöge, daß Kinder die Fahrbahn einzeln oder in Gruppen, sei es beaufsichtigt oder unbeaufsichtigt, überqueren, ihnen das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Er habe zu diesem Zweck, falls erforderlich, vor den die Fahrbahn überquerenden Kindern anzuhalten. Auf Grund dieser Bestimmung sei der Beschwerdeführer ohnedies zum Verringern der Fahrgeschwindigkeit und Anhalten vor den die Fahrbahn überquerenden Kindern verpflichtet gewesen, weshalb die zusätzliche Abgabe eines Schallzeichens nicht notwendig gewesen sei, weil durch das rechtzeitige Verringern der Fahrgeschwindigkeit und Anhalten des Fahrzeuges für die die Fahrbahn überquerenden Kinder keine Gefahr mehr bestanden habe. Zudem sei die Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkte des Erblickens der Fußgänger den Sichtverhältnissen angepaßt gewesen und er habe daher das Fahrzeug rechtzeitig ohne Gefährdung der Fußgänger anhalten können. Der Ansicht des Beschwerdeführers, daß die Frau mit ihren beiden Kindern unachtsam und grob fahrlässig die Fahrbahn an dieser Stelle überquert habe, könne nicht gefolgt werden, weil sich die Aufsichtsperson nach Aussage des Meldungslegers vor Betreten der Fahrbahn durch das Umsichschauen sich ausreichend vergewissert habe, daß sie die Fahrbahn mit ihren Kindern für die Lenker herankommender Fahrzeuge nicht überraschend betrete. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkte mit seinem Fahrzeug noch nicht im Bereich der unübersichtlichen leichten Rechtskurve gefahren. Die Verkehrslage habe laut Aussage des Meldungslegers eine Überquerung der Straße durch die Fußgänger zugelassen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte darin aus, daß er ein Schallzeichen abgegeben habe, um die Fußgängerin, die mit zwei Kleinkindern unachtsam die Fahrbahn überquert habe, auf seinen herankommenden Pkw aufmerksam zu machen. Es stehe keinesfalls fest, daß das Abbremsen allein genügt hätte, um die Fußgänger vor einer Gefährdung bzw. Verletzung zu schützen. Es sei gleichgültig, wenn nachträglich festgestellt werde, oh der Beschwerdeführer sein Fahrzeug hätte zeitgerecht vor den Fußgängern anhalten können oder nicht, weil es sich bei der Abgabe von Schallzeichen um eine notwendige Vorsichtsmaßnahme handle. Gerade dann, wenn eine Frau mit zwei Kleinkindern an einer nicht gesicherten Stelle (nicht an einem Schutzweg) die Fahrbahn überquere, erscheine besondere Vorsicht geboten, die sich auch dadurch äußern könne und müsse, daß erforderlichenfalls Schallzeichen abgegeben werden.

Die Tiroler Landesregierung wies mit dem Bescheid vom 9. Juni 1981 die Berufung als unbegründet ab, änderte den Schuldspruch jedoch dahingehend ab, daß das Eigenschaftswort „lautstarke“ ersatzlos gestrichen werde. Nach Ergänzung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens durch eine Erhebung, auf welche Entfernung der Beschwerdeführer die die Straße überquerende Fußgängerin jedenfalls habe erkennen können, sei die Berufungsbehörde - so wurde in der Begründung dargelegt - zur Auffassung gelangt, daß es dem Beschwerdeführer angesichts des Straßenverlaufes möglich gewesen sei, die die Straße überquerende Fußgängerin samt Kindern auf eine Entfernung von mindestens 30 m zu erkennen. Da die Fußgängerin aus der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers gesehen die Straße von links nach rechts überquert habe, könne es ausgeschlossen werden, daß diese die Fahrbahn für den Beschwerdeführer völlig überraschend betreten habe. Er sei daher verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit so zu wählen, daß er vor den die Straße überquerenden Fußgängern zum Stillstand komme, was auch tatsächlich geschehen sei, weshalb die Betätigung von Schallzeichen ungerechtfertigt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Aktenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführerin darin, daß ihm eine Übertretung des § 52 Z. 14 StVO angelastet wurde. Eine Übertretung, dieser Bestimmung sei aber nicht möglich, weil den im § 52 StVO angeführten Straßenverkehrszeichen normativer Charakter nicht zukomme. Es liege eine Verordnung gemäß § 43 Abs. 2 StVO vor und die belangte Behörde hätte zutreffenderweise nicht eine Übertretung des § 52 Z. 14 StVO, sondern der auf Grund des § 43 Abs. 2 StVO erlassenen Verordnung feststellen müssen.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 44 a lit. b VStG 1950 hat der Spruch des Straferkenntnisses die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. Gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO hat die Behörde zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere von Lärm- oder Geruchsbelästigungen, wenn es zum Schutz der Bevölkerung oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung zu bestimmen, daß in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßen Vorrichtungen zur Abgabe von Schallzeichen nicht betätigt werden dürfen, es sei denn, daß ein solches Zeichen das einzige Mittel ist, um Gefahren von Personen abzuwenden (Hupverbot). Gemäß § 44 Abs. 1 StVO ist eine derartige Verordnung durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen. Der Beschwerdeführer zieht nicht in Zweifel, daß für das Ortsgebiet von Innsbruck ein generelles Hupverbot erlassen wurde, noch bestreitet er, daß zur Tatzeit das Verbot durch ein Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 Z. 14 StVO kundgemacht war. § 52 Z. 14 lautet nach bildlicher Darstellung des Verbotszeichens „Hupverbot“: „Dieses Zeichen zeigt an, daß die Betätigung der Vorrichtung zur Abgabe von Schallzeichen verboten ist, wenn zur Abwendung einer Gefahr von einer Person ein anderes Mittel ausreicht ......“. Diese Bestimmung enthält in dem mit dem Wort „daß“ beginnenden Nebensatz unmißverständlich, eine straßenpolizeiliche Verwaltungsvorschrift dahingehend, daß ab dem Standort eines dem § 52 Z. 14 StVO entsprechenden Verbotszeichens die Betätigung der Vorrichtung zur Abgabe von Schallzeichen verboten ist. Es handelt sich um einen in der gesetzlichen Bestimmung des § 52 Z. 14 StVO liegenden normativen Gehalt, der unmittelbar das Verhalten von Personen, die mit Fahrzeugen am Straßenverkehr teilnehmen, zum Gegenstand hat. Die einleitende Formulierung der in Rede stehenden Bestinnung „Dieses Zeichen zeigt an“ hat einen auf diesen normativen Gehalt hinweisenden Charakter, woraus erhellt, daß die dargelegte normative Bedeutung des § 52 Z. 14 StVO im Hinblick auf die in dieser Bestimmung enthaltene einleitende Formulierung entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht in Abrede gestellt werden darf. Sohin stellt § 52 Z. 14 StVO die Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 dar, die jedenfalls im Spruch des Strafbescheides angeführt werden muß. Die zusätzliche Zitierung von weiteren Bestimmungen bei der Anführung der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, etwa von Bestimmungen der auf Grund des § 43 Abs. 2 StVO erlassenen Verordnungen (oder des § 99 Abs. 3 lit. i StVO), schadet in diesem Zusammenhang aber nicht. (Vgl. dazu auch die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Unterstellung einer Überschreitung einer durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit unter die Verwaltungsvorschrift des § 52 Z. 10a StVO, etwa im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1972, Zl. 1920/71, vom 10. November 1977, Zl. 2553, 2554/76, und vom 24. Juni 1981, Zl. 81/03/0042, sowie die weitere darin zitierte Vorjudikatur; hinsichtlich der zitierten, nicht veröffentlichten hg. Entscheidungen wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.) Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich - auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen - nicht veranlaßt, hinsichtlich der Bestimmung des § 52 Z. 14 StVO einen anderen Rechtsstandpunkt zu beziehen und von dieser Rechtsansicht abzugehen. Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit haftet somit dem angefochtenen Bescheid nicht an. Ergänzend wird bemerkt, daß die belangte Behörde die verhängte Strafe zu Recht auf § 99 Abs. 3 lit. a StVO gestützt hat. Diese Gesetzesbestimmung stellt die im Sinne des § 44 a lit. c VStG im Spruch des Strafbescheides unerläßlich zu zitierende Vorschrift dar, wobei die Anführung weiterer Bestimmungen - so etwa des § 99 Abs. 3 lit. i StVO - aber ebenfalls eine Rechtswidrigkeit nicht zu bewirken vermag.

Worin die behauptete Aktenwidrigkeit gelegen sein soll, wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan und vermag auch der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Aktenlage nicht zu erkennen. Zu dem Einwand des Beschwerdeführers aber, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, ob für ihn erkennbar gewesen sei, daß das bloße Anhalten des Fahrzeuges zur Abwendung der Gefahr von den die Fahrbahn überquerenden Fußgängern genügte oder genügt hätte, ist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen, in der sich die belangte Behörde mit dieser Frage ausdrücklich auseinandersetzte und schlüssig darlegte, daß und warum es dem Beschwerdeführer möglich war, die Fußgänger rechtzeitig zu erkennen und sein Fahrverhalten so einzurichten, daß er sein Fahrzeug noch vor den Fußgängern zum Stillstand bringen konnte, was auch tatsächlich der Fall war. Wenn der Beschwerdeführer dem entgegenhält, es könne aus dem Umstand, daß er sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten konnte, (noch) nicht geschlossen werden, daß die Abgabe eines Schallzeichens nicht notwendig gewesen wäre, so ist ihm zwar beizupflichten, doch unterließ es der Beschwerdeführer, konkret darzutun, warum für ihn eine solche Notwendigkeit bestanden haben sollte. Es wurde von ihm in der Beschwerde weder bestritten, die Fußgänger rechtzeitig gesehen zu haben, noch behauptet, geschweige denn ausgeführt, daß und auf Grund welcher Umstände er der Annahme gewesen sei, daß er sein Fahrzeug nicht rechtzeitig vor den Fußgängern werde anhalten können, sodaß diese in Gefahr gewesen wären. In diesem Falle aber war selbst dann die Betätigung der Warnvorrichtung nicht erlaubt, wenn die Fußgänger die Fahrbahn „unaufmerksam“ überquert hätten, wie der Beschwerdeführer behauptet, ganz abgesehen davon, daß diese Behauptung in der Aktenlage keine Deckung findet. Denn entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kann allein aus dem Umstand, daß die Fußgänger die Fahrbahn nicht auf einem Schutzweg, sondern erlaubterweise an einer anderen Stelle überquerten, nicht schon geschlossen werden, daß dies deswegen unaufmerksam geschah. Bei der darstellten Sach- und Rechtslage ist daher die Annahme der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß die Abgabe des Schallzeichens nicht zur Abwendung einer Gefahr notwendig war und sohin im vorliegenden Fall entgegen der Bestimmung des § 52 Z. 14 StVO erfolgte.

Da sich die Beschwerde sohin zur Gänze als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 20. April 1983

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