VwGH 2017/03/0003

VwGH2017/03/000317.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer über den Antrag der Dr. H K in G, vertreten durch Mag. Georg Morent, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, auf Wiederaufnahme des mit hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, 2012/03/0163, abgeschlossenen Verfahrens über die Beschwerde gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 21. Mai 2012, Zl. BMVIT-220.101/0006-IV/SCH2/2011, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbG (mitbeteiligte Parteien: 1. AG der W L, 2. W C GmbH, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3/3/29), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §45 Abs1 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:2017030003.X00

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, 2012/03/0163, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Wiederaufnahmewerberin gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 21. Mai 2012, Zl. BMVIT- 220.101/0006-IV/SCH2/2011, mit dem gemäß § 11 EisbG festgestellt worden war, dass die Eisenbahnstrecke der Erstmitbeteiligten von Wien/Matzleinsdorferplatz nach Baden/Josefsplatz im Bereich der Fgasse zwischen den Straßen A (Beginn) und S (Ende) in der Marktgemeinde Guntramsdorf eine öffentliche Eisenbahn, nämlich eine Nebenbahn gemäß § 1 Z 1 lit. b EisbG sei, als unbegründet abgewiesen.

2 Nachdem ein von der Wiederaufnahmewerberin mit Schriftsatz vom 11. September 2017 gestellter Wiederaufnahmeantrag mit hg. Beschluss vom 5. Oktober 2017, 2017/03/0002, abgewiesen worden war, stellte die Antragstellerin den nunmehr verfahrensgegenständlichen, mit 15. Dezember 2017 datierten und am 20. Dezember 2017 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VwGG.

3 § 45 VwGG lautet auszugsweise:

"§ 45. (1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder

Beschluss abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei

zu bewilligen, wenn

1. das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine gerichtlich

strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden

ist oder

2. das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von

der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in

diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche

Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem

Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache

begründet hätte, oder

4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über

das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass

sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte oder

5. das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung

oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlassten Zurückziehung der Revision eingestellt wurde und der Grund für die Klaglosstellung nachträglich weggefallen ist.

(2) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

(3) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.

(4) Wenn der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entschieden hatte, gilt für die Wiederaufnahme § 69 AVG sinngemäß.

..."

4 Eine Wiederaufnahme nach § 45 VwGG ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich, sie dient nicht der Überprüfung abgeschlossener Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs oder einer Korrektur seiner Entscheidungen (vgl. VwGH 5.10.2017, 2017/03/0002, mwN).

5 Der von der Antragstellerin nunmehr geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nach § 45 Abs. 1 Z 1 VwGG verlangt objektiv unrichtige Angaben der Partei (einschließlich des Verschweigens wesentlicher Umstände) in Irreführungsabsicht und liegt nur dann vor, wenn der betreffende Tatbestand (die gerichtlich strafbare Handlung bzw. die Erschleichungshandlung) während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof und nicht etwa im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens oder des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erfolgt ist. Von einem "Erschleichen" der Entscheidung kann nur dann gesprochen werden, wenn diese seitens der Partei durch eine verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung veranlasst wurde, wenn also die Entscheidung derart zustande gekommen ist, dass von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (vgl. zum Ganzen VwGH 27.1.2015, Ro 2014/11/0023, 22.3.2012, 2011/07/0228, 19.11.2009, 2009/07/0127, und 8.11.1995, 93/12/0276).

6 Die Antragstellerin macht - auf das Wesentliche zusammengefasst - geltend, sie habe Anfang Dezember 2017 im Österreichischen Staatsarchiv sowie in der Österreichischen Nationalbibliothek sowie im Stadtmuseum Traiskirchen neue Dokumente aufgefunden, die im Bescheidbeschwerdeverfahren ohne ihr Verschulden - mangels Kenntnis ihrer Existenz und demgemäß ihres Inhalts - nicht vorgelegt bzw. nicht geltend gemacht werden konnten. Diese neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel hätten in Verbindung mit den bereits vorliegenden Beweismitteln ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt, wäre doch bei deren Vorliegen als Entscheidungsgrundlage die gegenständliche Eisenbahnstrecke als Straßenbahn und nicht als Nebenbahn qualifiziert worden. Die Erstmitbeteiligte habe sich entgegen besseren Wissens nach außen den Anschein einer vernetzten Nebenbahn gegeben und sich dadurch entscheidende Maßnahmen der zuständigen Behörden (wie etwa die Erhöhung der Achslast bzw. die Darstellung als Vernetzung) "quasi erschlichen". Dem Verwaltungsgerichtshof seien daher bei seiner Entscheidungsfindung "quasi erschlichene Entscheidungen der zuständigen Behörden" vorgelegen, die bei Kenntnis des richtigen Sachverhalts zu einem anderen Spruch geführt hätten. Die Erstmitbeteiligte habe zudem die Bescheide über die "Verleihung der Österreich- sowie Europakonzessionen quasi erschlichen", welche Urkunden Eingang in das wiederaufzunehmende Verfahren gefunden hätten, weshalb auch das Erkenntnis des wiederaufzunehmenden Verfahrens erschlichen worden sei. Die Antragstellerin bezieht sich dazu im Wesentlichen auf Urkunden, aus den ihrer Auffassung noch abzuleiten sei, dass sich schon aus den ursprünglichen Konzessionsurkunden der Erstmitbeteiligten ergebe, diese sei traditionell als Straßenbahn konzessioniert gewesen, dass eine Vernetzung nicht bestehe, sondern nur eine Übergangsstelle ohne Abfertigungsbefugnis, und dass sich auch aus den im Bereich der Fgasse konkret angebrachten Schienen die Eigenschaft als Straßenbahn ergebe.

7 Von der Antragstellerin wird aber - sachverhaltsbezogen - kein Vorbringen erstattet, wonach Organe der seinerzeit belangten Behörde oder die Erstmitbeteiligte im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof eine gerichtlich strafbare Handlung oder eine Erschleichungshandlung gesetzt hätten. Im Übrigen (soweit wiederum das Hervorkommen neuer Tatsachen bzw. Beweismittel als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht wird), reicht ein Hinweis auf die Begründung der Vorentscheidung vom 5. Oktober 2017, wonach der damit geltend gemachte Tatbestand in den in § 45 Abs. 1 VwGG genannten Tatbeständen nicht enthalten ist, eine Wiederaufnahme also nicht rechtfertigt.

8 Der Wiederaufnahmeantrag erweist sich daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 VwGG als unbegründet und war deshalb abzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 2018

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