VwGH 2013/16/0041

VwGH2013/16/004120.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des N P in M, bei Beschwerdeerhebung vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 10. Jänner 2013, Zl. ZRV/0465-Z1W/10, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art201 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art201 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Rechtsmittelverfahren die dem Beschwerdeführer vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt mit Bescheid vom 24. Juni 2009 mitgeteilten Beträge der nachträglichen buchmäßigen Erfassung an Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer in näher angeführtem Ausmaß herab und konkretisierte den Spruch des erwähnten Bescheides des Zollamtes.

Die belangte Behörde stellte fest, dass dem Verwaltungsverfahren die Einfuhr von aus China und von chinesischen Versendern stammenden Textilien, Schuhen und anderen Waren zugrunde liege. Die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr dieser Waren sei zwischen 28. September 2007 und 9. Dezember 2008 auf Antrag einer näher angeführten Spedition oder deren Rechtsnachfolgerin als Vertreterin des im Feld 8 der Zollanmeldungen jeweils genannten Beschwerdeführers erfolgt. Diesen Verzollungen sei eine Vereinbarung zugrunde gelegen, wonach der Beschwerdeführer eingewilligt habe, gegen ein monatliches Honorar in Höhe von 2.000 EUR in den betreffenden Zollanmeldungen jeweils als Warenempfänger aufzutreten und sich um die Verzollung zu kümmern. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer weder Waren aus China bestellt noch Zahlungen nach China geleistet. Die Wirtschaftsgüter seien also nicht für den Beschwerdeführer bestimmt gewesen.

Im Rahmen der nach diesen Verzollungen durchgeführten Ermittlungen sei das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt zum Schluss gekommen, dass die den angeführten Zollabfertigungen zugrunde gelegten Fakturen gefälscht gewesen seien und eine massive Unterfakturierung vorgelegen habe.

Zu der im Verwaltungsverfahren eingewandten Unzuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz hielt die belangte Behörde fest, das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt sei erstmals in der Lage gewesen, die Abgaben zu berechnen, weil es zum Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen ein Schätzungsgutachten habe erstellen lassen und die "Betriebsprüfung/Zoll" dieses Zollamtes auf der Grundlage dieser Schätzwerte in einem sehr aufwendigen und umfangreichen Verfahren (mit 217 Berechnungsblättern) die Eingangsabgaben berechnet habe.

Der Beschwerdeführer sei in allen 1.849 Fällen dieser Verzollungen in einem Gesamtschuldverhältnis zu einem näher genannten J L gestanden, welcher die unrichtigen Angaben geliefert habe. Bei der Ausübung des Ermessens, den Beschwerdeführer als einen der beiden Gesamtschuldner heranzuziehen, berücksichtigte die belangte Behörde, dass dem Beschwerdeführer ein wesentlicher Tatbeitrag vorzuwerfen sei, denn ohne seine Mitwirkung wäre die eine Zollschuld begründende Überführung der eingeführten Waren in den freien Verkehr nicht möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe wissentlich und willentlich die Zollbehörde über die den Einfuhren zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte getäuscht. Es sei vorrangig dem Handeln des Beschwerdeführers selbst, der sich damit eine fortlaufende Einnahme habe sichern wollen, zuzuschreiben, dass er in allen Fällen die Rechtsposition des Vertretenen eingenommen habe. Unter dem Zweckmäßigkeitsgesichtspunkt sei auch zu beachten, dass sich J L der Aktenlage nach nicht mehr in Österreich aufhalte und dass über das Vermögen der Rechtsnachfolgerin der Spedition das Konkursverfahren eröffnet worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf "keine nachträgliche buchmäßige Erfassung" von Eingangsabgaben und im Recht darauf, "nicht zur Entrichtung von EUSt und Zoll herangezogen zu werden," sowie im Recht auf "Abstandnahme von der buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 ZK" verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Nach Einleitung des Vorverfahrens hat der Vertreter des Beschwerdeführers, durch den die Beschwerde eingebracht worden war, dem Verwaltungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 18. Juni 2013 bekannt gegeben, dass er die Vollmacht gekündigt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird.

Zollschuldner ist gemäß Art. 201 Abs. 3 ZK der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird. Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinne des Abs. 1 Angaben zugrunde, die dazu führen, dass die gesetzlich geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie unrichtig waren.

Gemäß § 71 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) entsteht nach Maßgabe des Art. 201 Abs. 3 zweiter Unterabsatz ZK die Zollschuld in dem nach Art. 201 Abs. 2 ZK genannten Zeitpunkt auch für jeden, der dem Anmelder unrichtige oder unvollständige Angaben oder Unterlagen geliefert hat, die der Anmeldung zugrunde gelegt wurden.

Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind gemäß Art. 213 ZK diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.

Anmelder ist gemäß Art. 4 Nr. 18 ZK die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird.

Die im ZK vorgesehene Vertretung kann gemäß Art. 5 Abs. 2 ZK direkt sein, wenn der Vertretene im Namen und für Rechnung eines anderen handelt, und indirekt sein, wenn der Vertreter in eigenem Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt.

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des nachzuerhebenden Restbetrages innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).

Die angeführten Bestimmungen des Zollkodex, der Zollkodex-Durchführungsverordnung und des Zollrechts-Durchführungsgesetzes sowie der in dessen Durchführung ergangenen Verordnungen gelten gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG auch in Angelegenheiten der Einfuhrumsatzsteuer.

Mit § 3 Abs. 5 der Wirtschaftsraum-Zollämter-Verordnung, BGBl. II Nr. 383/2006 wurde die Zuständigkeit zur buchmäßigen Erfassung von Abgabenbeträgen u.a. nach Art. 220 Abs. 1 Zollkodex, zur Mitteilung solcher Abgabenbeträge und zur Einhebung dem Zollamt übertragen, das erstmals in der Lage ist, den betreffenden Abgabenbetrag zu berechnen und den Zollschuldner zu bestimmen.

Die Rechtsrüge der Unzuständigkeit des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt begründet der Beschwerdeführer damit, dieses Zollamt sei nicht in der Lage gewesen, den "betreffenden Abgabenbetrag zu berechnen", weil von der ursprünglich behaupteten Nachforderung gerade einmal ein Viertel sich bei der belangten Behörde habe halten können.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass es nach der Bestimmung des § 3 Abs. 5 der genannten Verordnung darauf ankommt, dass das Zollamt objektiv in der Lage ist, auf Grund der ihm vorliegenden Unterlagen und Kenntnisse, den Abgabenbetrag zu berechnen. Dass es im Beschwerdefall nach Ansicht der belangten Behörde diesen Abgabenbetrag zu Unrecht zu hoch berechnet haben mag, ändert an der objektiven Möglichkeit des Zollamtes zur Abgabenberechnung indes nichts. Die behauptete Unzuständigkeit des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt liegt daher im Beschwerdefall nicht vor.

Die Verfahrensrüge der Unvollständigkeit des festgestellten Sachverhaltes begründet der Beschwerdeführer damit, die Ausführungen zum Sachverhalt im angefochtenen Bescheid würden sich auf zwei Absätze beschränken, welche er wörtlich wiedergibt. Diese Sachverhaltsfeststellungen seien zu kurz geraten.

Die Vollständigkeit von Sachverhaltsfeststellungen bemisst sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht nach dem Umfang, sondern nach der Aussagekraft der Feststellungen, ob nämlich diejenigen Sachverhaltselemente festgestellt sind, welche für die zum Spruch eines Bescheides führende rechtliche Beurteilung erforderlich sind.

Der Beschwerdeführer trägt vor, es sei unberücksichtigt geblieben, dass er Geschäfte bloß vermittelt habe, hingegen nie als Ankäufer und Verkäufer aufgetreten sei. Allerdings legt er nicht dar, inwieweit diese Sachverhaltsfeststellung rechtlich relevant gewesen wäre. Zutreffend weist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hin, dass eine solche Feststellung für die anhand des festgestellten Sachverhaltes vorgenommene rechtliche Würdigung, der Beschwerdeführer sei Zollschuldner nach Art. 201 Abs. 3 ZK, bedeutungslos wäre.

Gegen seine Eigenschaft als Zollschuldner wendet der Beschwerdeführer auch ein, es lägen Scheingeschäfte vor. Er stützt dies auf die der Zollabfertigung zugrunde gelegten Scheinrechnungen. Solche Scheinrechnungen führen zum Ergebnis, dass die den Rechnungen entnehmbaren Preise zur Zollwertermittlung nicht heranzuziehen sind, haben ihre Bedeutung somit zum einen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen. Zum anderen können sie bei der Frage eine Rolle spielen, ob eine Person Zollschuldner nach Art. 201 Abs. 3 dritter Satz ZK iVm § 71 ZollR-DG ist. Sie lassen aber die Existenz der tatsächlich angemeldeten und in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren und die für diese Waren abgegebenen Anmeldungen unberührt. Der Beschwerdeführer verkennt, dass der Tatbestand der Entstehung der Zollschuld nach Art. 201 ZK in der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr besteht und vom Bestehen von Rechtsgeschäften über die Waren unabhängig ist, worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen hat.

In seinem Mängelbehebungsschriftsatz vom 2. April 2013 hält der Beschwerdeführer ausdrücklich fest, er sei in allen Fällen "Anmelder im indirekten Vertretungsverhältnis" für die Spedition gewesen. Er habe aber die Ware weder zu Gesicht bekommen noch habe er nach dem Plan des oben genannten J L mit ihr in Berührung kommen sollen.

Dass die in Rede stehenden Zollanmeldungen jedoch in dem von ihm offenbar angesprochenen Fall der indirekten Vertretung, in dem allerdings die Spedition, nicht der indirekt vertretene Beschwerdeführer Anmelder wäre, nicht für seine Rechnung abgegeben worden wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. In den von der belangten Behörde angenommenen Fällen der - insoweit vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich bekämpften - direkten Vertretung war der Beschwerdeführer tatsächlich Anmelder. Ob er die Waren "zu Gesicht bekommen" habe oder "mit ihr in Berührung kommen" hätte sollen, ist für die hier allein rechtserhebliche Frage bedeutungslos, ob der Beschwerdeführer Anmelder war oder die Anmeldung für seine Rechnung abgegeben wurde.

Der Beschwerdeführer bekämpft auch die Auswahl der Zollbehörde, ihn als Gesamtschuldner heranzuziehen und macht geltend, das Zollamt hätte es in der Hand gehabt, frühzeitig im Wege eines Sicherstellungsauftrages gegen den Gesamtschuldner J L dafür zu sorgen, dass zumindest ein Teil der Abgaben bei jenem einbringlich gemacht würde. Weiters sei er selbst vermögenslos. Damit zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass der belangten Behörde unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer unbekämpften Gesichtspunkte bei der Auswahl des Gesamtschuldners ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorzuwerfen wäre.

Es ist daher nicht für rechtswidrig zu befinden, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer als Zollschuldner nach Art. 201 Abs. 3 ZK - soweit er von der Spedition direkt vertreten wurde, als Anmelder nach Art. 201 Abs. 3 erster Satz ZK, in den Fällen der indirekten Vertretung nach Art. 201 Abs. 3 zweiter Satz ZK - in Anspruch genommen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden ist, sondern nur ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Wird der Beschwerdepunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang einer Beschwerde nicht zugänglich (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2013/16/0241, mwN).

Mit der Rüge, die belangte Behörde habe bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen das Verfahren zur Ermittlung der Zollwerte nach Art. 181a Abs. 2 ZK-DVO (Zollkodex-Durchführungsverordnung - Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zur der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft, ABlEG Nr. L 253 vom 11. Oktober 1993 idF der Verordnung (EWG) Nr. 3254/94 vom 19. Dezember 1994, ABlEG Nr. L 346 vom 31. Dezember 1994) nicht eingehalten, verlässt der Beschwerdeführer den von ihm durch den Beschwerdepunkt abgesteckten Rahmen

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. November 2014

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