VwGH 2013/15/0155

VwGH2013/15/015525.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M E in L, vertreten durch Mag. Alfred Holzinger, Steuerberater in 4101 Feldkirchen, Am Rauschberg 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 1. März 2013, Zl. RV/0912-L/11, betreffend unter anderem Einkommensteuer 2006 bis 2008, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §162;
BAO §184;
BAO §162;
BAO §184;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Aufgrund von Kontrollmitteilungen der V-GmbH ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 1. Juni 2010 um Übermittlung vollständiger Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2009. Der Beschwerdeführer übermittelte daraufhin Aufstellungen über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Prospekt- und Zeitungsverteilung) für die Jahre 2006 bis 2008; für 2009 wurde eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung abgegeben (keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb). In den Aufstellungen über gewerbliche Einkünfte verzeichnete der Beschwerdeführer als Betriebsausgaben insbesondere "Fremdleistungen". Dazu gab der Beschwerdeführer an, die Fremdleistungen seien von verschiedenen Personen erbracht worden, für die keine Dokumente vorlägen. Auch die Auszahlungen seien nicht durch Belege dokumentiert. Es würden aber Berechnungen existieren, welche zeigten, dass für die Ausführung der Verteilungen einer hohen Anzahl an Prospekten in kurzer Zeit eine größere Anzahl von Personen habe tätig gewesen sein müssen. Auch sei der Beschwerdeführer selbst in einem Vollzeitdienstverhältnis tätig gewesen, sodass er an vielen Tagen, an denen nachweislich verteilt worden sei, selbst nicht habe tätig sein können. Die nötige Anzahl an Personen multipliziert mit Pauschalen (zwischen 40 EUR und 50 EUR pro Person und Verteilung) würden die angesetzten Fremdleistungskosten ergeben.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 mit Bescheiden vom 29. Oktober 2010 - abweichend von den erklärten Daten - fest. Begründend führte das Finanzamt aus, wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen seien die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt worden, wobei die Einnahmen entsprechend den Kontrollmitteilungen angesetzt worden seien.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung und machte geltend, die Festsetzung der Einkünfte durch das Finanzamt weiche von den vorgelegten begründeten Berechnungen ohne nähere Begründung wesentlich ab.

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer sodann auf, weitere Angaben nachzureichen, insbesondere die Fremdleistungen nachzuweisen. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers wurde niederschriftlich festgehalten, dass der Beschwerdeführer Listen für die drei Jahre vorgelegt habe, aus denen sich ergebe, wann an wie viele Haushalte (bzw. Rayons) wie viele Prospekte verteilt worden seien, wie viele Verteilerpersonen eingesetzt und welche Beträge ausbezahlt worden seien. Auszahlungsbelege seien nicht vorhanden; auch die Namen der Verteilungshelfer seien nicht genannt worden. Dem Beschwerdeführer seien Namen der Verteilungshelfer bekannt; dabei handle es sich nach seinen Angaben um Vornamen, die Nachnamen seien ihm nicht bekannt.

Mit Vorhalt vom 20. November 2012 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter anderem auf, die vollen Namen samt Adressen der "Provisionsempfänger" zu nennen. Es wurde auch um Bekanntgabe ersucht, wie die behauptete Weitergabe der "Provisionen" an die Helfer erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer erklärte hiezu unter anderem, es würde sich bei den Fremdleistungen nicht um "Provisionsempfänger", sondern um Dienstleister handeln, welche die Verteilungen in bestimmten Gebieten durchgeführt hätten. Die V-GmbH habe nicht viele kleine Dienstleister haben wollen. Für den Beschwerdeführer seien nahezu ausschließlich Asylwerber tätig gewesen, welche von der V-GmbH keinesfalls beauftragt worden wären. Die Weitergabe der Honorare (nicht Provisionen) erfolge ausschließlich bar unmittelbar nach Durchführung der Verteilungen. Die Helfer seien vom Beschwerdeführer nicht identifiziert worden. Deren Wohnadressen seien ihm auch nicht bekannt gewesen. Er nehme an, dass die meisten von ihnen in Asylunterkünften gewohnt hätten. Er habe die ersten Leute in einem Kulturverein kennengelernt. In der Folge habe er die Leute von einer Bushaltestelle abgeholt oder sie seien direkt zur V-GmbH gekommen. Die Asylwerber hätten auch selbst neue Leute mitgebracht. Dem Beschwerdeführer sei es nicht wichtig gewesen, die Leute genau zu kennen. Viele seien nur ein einziges Mal gekommen. Es seien Angehörige verschiedener Nationalitäten gewesen, mit manchen habe er mit "Händen und Füßen" kommunizieren müssen. An schriftliche Abrechnungen mit den Personen habe niemand der Beteiligten gedacht oder geglaubt, dass er diese benötigen würde. An das Finanzamt habe er "damals leider nicht gedacht". Auch rückwirkend betrachtet wäre es sehr schwierig gewesen, Belege in der Art zu erstellen, wie sie vom Finanzamt gefordert würden. Wenn er sich vorstelle, von den Asylwerbern auf der Bushaltestelle oder am Parkplatz der V-GmbH Ausweise und Meldezettel zu kopieren, Vertragsurkunden zu erstellen, diese dann in Fremdsprachen zu dolmetschen usw., müsse er auch heute noch feststellen, dass dies kaum gelungen wäre. Nicht nur die fehlenden Büroausstattungen wären das Problem gewesen, sondern auch die Tatsache, dass viele der Leute die Urkunden nicht mitgehabt hätten; Asylwerber hätten Angst gehabt, viele Dokumente vorlegen zu müssen oder Unterschriften zu leisten.

Über die Jahre hinweg habe er mit den Verteilungen kaum etwas verdient; deshalb habe er die Tätigkeit auch beendet. Er mache die Ausgaben mit der Begründung geltend, dass sie glaubhaft seien und logischerweise erfolgt sein müssten.

Mit Schreiben vom 15. Jänner 2013 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer - unter Hinweis auf § 162 BAO - auf, die Empfänger der abgesetzten Beträge genau zu bezeichnen. Diese Nennung sei Grundvoraussetzung für die Anerkennung dieser Beträge.

Der Beschwerdeführer antwortete darauf, es sei ihm nicht möglich, die Namen der Leistungsempfänger bekannt zu geben. Bei Ermittlung der Einkünfte unter Anwendung des § 184 BAO seien aber alle Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, geeignet erschienen. Es wäre eine massive Verletzung von Rechten des Abgabepflichtigen, wenn wirtschaftlich unbedingt notwendige Kosten bei einer Schätzung nicht berücksichtigt würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die erstinstanzlichen Bescheide betreffend (unter anderem) Einkommensteuer 2006 bis 2008 ab.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Schilderung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe aufgrund von Kontrollmitteilungen der V-GmbH Kenntnis davon erlangt, dass der Beschwerdeführer im berufungsgegenständlichen Zeitraum als Prospekt- und Zeitungsverteiler Einnahmen erzielt habe. Die dort angeführten Beträge seien auch unstrittig an den Beschwerdeführer überwiesen worden. Der Beschwerdeführer habe nach einem Vorhalt bekannt gegeben, dass er diese Leistungen gemeinsam mit verschiedenen Personen erbracht habe. Diese Personen habe er selbst entlohnt. Die Empfänger der Zahlungen könne er nicht mehr namentlich nennen, da er diese selbst nicht gekannt habe; die meisten würden in Asylunterkünften wohnen.

Die Weitergabe der Honorare sei ausschließlich bar und unmittelbar nach Durchführung der Verteilungen erfolgt. Nachprüfbare Bestätigungen über die Zahlungen hätten nicht vorgelegt werden können. Nach Ansicht des Beschwerdeführers seien 40 EUR bis 50 EUR pro Tag und Person für etwa 13 bis 14 Stunden Arbeit pro Tag bezahlt worden.

Der Beschwerdeführer habe die Leute jeweils von einer Bushaltestelle abgeholt oder diese seien direkt zur V-GmbH gekommen. Die Identität dieser Leute sei nicht festgehalten worden. Dies wäre auch nicht möglich gewesen, da diese Personen oftmals keine Papiere bei sich gehabt hätten.

Da der Beschwerdeführer die Verteilung nicht alleine habe durchführen können, seien nach Ansicht des Beschwerdeführers die "Fremdleistungen" jedenfalls zu berücksichtigen. Auch im Verfahren vor der belangten Behörde hätten keine klaren Nachweise betreffend Fremdleistungen vorgelegt werden können.

Die belangte Behörde stimme der Darstellung des Beschwerdeführers zu, dass dieser die tatsächlich getätigten Verteilungen nicht alleine habe durchführen können, da dies zeitlich gesehen nicht zu schaffen gewesen wäre. Es werde also anerkannt, dass der Beschwerdeführer auf fremde Hilfe angewiesen gewesen sei und er diese auch in Anspruch genommen habe. Nachweise über diese Entlohnung/Zahlung hätten aber nicht vorgelegt werden können.

Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, dass es sehr schwierig gewesen wäre, die Daten der Helfer festzuhalten. Nicht nur die fehlenden Büroausstattungen wären problematisch gewesen, sondern auch die Tatsache, dass viele der Leute die Urkunden nicht mitgehabt hätten. Asylwerber hätten Angst gehabt, viele Dokumente vorlegen zu müssen oder Unterschriften zu leisten. Es sei aber der Beschwerdeführer gewesen, der diesen Leuten die Tätigkeit verschafft habe. Ein Verlangen, die Identität nachzuweisen, wäre nicht unangemessen gewesen. Wenn von der Abgabenbehörde verlangt werde, die Empfänger der zugewendeten Beträge namhaft zu machen, so könne nicht von einem unerfüllbaren Auftrag gesprochen werden. Dem Beschwerdeführer wäre es somit möglich und auch zumutbar gewesen, sich schon vor Beginn der Tätigkeiten über die Identität der Helfer zu informieren und deren Vor- und Familiennamen samt Anschrift festzuhalten.

Bei einer Schätzung müsse auf ein realistisches Ergebnis geachtet werden. Aber auch bei einer Schätzung seien Zahlungen an Fremdpersonen erst dann anzuerkennen, wenn diese den gesetzlichen Bestimmungen entsprächen. Nicht nachweisbare Fremdleistungen seien auch bei einer Schätzung nicht anzuerkennen.

Auf die Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen sei verzichtet worden, weil kein Zweifel an der Mithilfe von anderen Personen an der Verteilung gehegt werde.

Im Zuge des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer glaubhaft darstellen können, dass erhebliche Aufwendungen von ihm selbst getragen worden seien. Hinsichtlich der Aufwendungen für getätigte Fahrleistungen sowie Hilfsmittel werde den Darstellungen in den ursprünglichen Eingaben gefolgt. Es sei auch glaubhaft gemacht worden, dass Fremdleistungen in Anspruch genommen worden seien; nach § 162 Abs. 2 BAO hätten diese aber bei der Steuerberechnung nicht berücksichtigt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 162 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, wenn der Abgabepflichtige beantragt, dass Schulden, andere Lasten oder Aufwendungen abgesetzt werden, verlangen, dass der Abgabepflichtige die Gläubiger oder die Empfänger der abgesetzten Beträge genau bezeichnet. Soweit der Abgabepflichtige die von der Abgabenbehörde gemäß Abs. 1 verlangten Angaben verweigert, sind die beantragten Absetzungen nach § 162 Abs. 2 leg.cit. nicht anzuerkennen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es werde selbst im angefochtenen Bescheid anerkannt, dass die Höhe der geschätzten Einkünfte - mangels Berücksichtigung der Ausgaben für Fremdleistungen - nicht richtig sei. Die Einkünfte und damit die Einkommensteuer würden absichtlich weit zu hoch festgesetzt. Die belangte Behörde stütze sich auf die Bestimmung des § 162 BAO und berücksichtige dabei nicht, dass diese Bestimmung im Anwendungsbereich des § 184 BAO nicht anzuwenden sei. Bei jeder Schätzung sei ein möglichst richtiges Ergebnis zu ermitteln.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen:

§ 162 BAO beruht auf dem Grundsatz, dass das, was bei dem einen Abgabepflichtigen abzusetzen ist, bei dem anderen versteuert werden muss, wenn nicht steuerpflichtige Einnahmen unversteuert bleiben sollen. Es kann daher die Absetzung von Betriebsausgaben (Werbungskosten) trotz feststehender sachlicher Berechtigung abgelehnt werden, solange nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger zu besteuern, dadurch sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige den Empfänger konkret genannt hat. Es dürfen allerdings dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger erteilt werden. "Offenbar unerfüllbar" sind derartige Aufträge aber nur dann, wenn eine unverschuldete, tatsächliche Unmöglichkeit, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen, vorliegt. Es darf jedoch nicht in der Macht des Steuerpflichtigen gestanden sein, die tatsächlichen Umstände, die ihn an der Bezeichnung der Empfänger hindern, abzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2012, 2008/15/0265, mwN).

Dass die Aufforderung nach § 162 Abs. 1 BAO an den Beschwerdeführer rechtswidrig erfolgt wäre, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar. Wie bereits die belangte Behörde ausgeführt hat, wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, die Daten (Namen und Anschriften) seiner Helfer festzuhalten, was es ihm ermöglicht hätte, dem Verlangen des Finanzamtes nach § 162 Abs. 1 BAO nachzukommen.

Bei einer - wie hier also vorliegend - rechtmäßigen Aufforderung zur Empfängerbenennung bleibt für eine Schätzung der Aufwendungen nach § 184 BAO kein Raum, weil durch eine solche Vorgangsweise das in der Versteuerung geleisteter Beträge beim Zahlungsempfänger bestehende Ziel des § 162 BAO nicht erreicht würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1999, 99/13/0150, und vom 22. März 2010, 2006/15/0284).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2013

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