VwGH 2013/10/0228

VwGH2013/10/022826.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M C in Wien, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. August 2013, Zl. UVS-SOZ/53/14612/2011-14, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Z2 litd;
EURallg;
MSG Wr 2010 §5 Abs2 Z2;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §52 Abs1 Z1;
NAG 2005 §52 Abs1 Z2;
NAG 2005 §52 Abs1 Z3;
NAG 2005 §53a;
NAG 2005 §54;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. August 2013 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Ecuador, auf Gewährung von Mindestsicherungsleistungen gemäß § 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG, LGBl. Nr. 38/2010, abgewiesen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde zum festzustellenden Sachverhalt auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19. Oktober 2012. Nach dieser Stellungnahme sei die Beschwerdeführerin seit 14. Dezember 2005 in Österreich aufhältig. Sie habe zunächst zwei Jahre bis Dezember 2007 im gemeinsamen Haushalt mit ihrer älteren Tochter sowie deren portugiesischem Ehegatten gelebt und vom Schwiegersohn Unterhalt bezogen. Von Dezember 2007 bis Jänner 2009 habe die Beschwerdeführerin dann bei ihrer jüngeren Tochter und deren österreichischem Ehegatten gelebt und von diesen Personen Unterhalt bezogen. Die Ehe mit dem Österreicher sei jedoch bereits im November 2008 geschieden worden. Am 27. Februar 2009 habe die jüngere Tochter der Beschwerdeführerin einen portugiesischen Staatsangehörigen geheiratet. Die Beschwerdeführerin sei seit Jänner 2009 mit einer für zehn Jahre gültigen Daueraufenthaltskarte in Österreich niedergelassen.

Dazu führte die Behörde aus, es sei mangels gegenteiliger Beweisergebnisse von diesem vorgebrachten Sachverhalt auszugehen.

Unbestritten sei, dass die Beschwerdeführerin selbst in Österreich nicht erwerbstätig sei. Sie begründe den Rechtsanspruch auf Mindestsicherung ausschließlich mit ihrem Status als Familienangehörige eines EWR-Bürgers. Für die Angehörigeneigenschaft sei jedoch erforderlich, dass ihr vom EWR-Bürger bereits im Heimatstaat Unterhalt geleistet worden sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht als Angehörige des portugiesischen Mannes ihrer älteren Tochter, bei dem sie bis 2007 gelebt habe, anzusehen, weil dieser nach der Scheidung Österreich auf Dauer verlassen habe. Ein Mindestsicherungsanspruch auf Grund der Angehörigeneigenschaft zum österreichischen Schwiegersohn, bei dem sie bis zur Ehescheidung im November 2008 gelebt habe, komme nicht in Betracht, weil weder vorgebracht worden sei, dass sie von diesem Schwiegersohn schon in ihrem Heimatland Unterhalt bezogen habe, noch dass der Schwiegersohn von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe. Sie bringe auch nicht vor, vom nunmehrigen portugiesischen Ehegatten ihrer jüngeren Tochter bereits vor ihrer Einreise im Heimatland Unterhalt erhalten zu haben.

Die Beschwerdeführerin verfüge zwar über einen Daueraufenthaltstitel, jedoch unstrittig nicht über einen solchen im Sinn von § 5 Abs. 2 Z. 3 WMG, der für die Gleichstellung in Bezug auf den Anspruch auf Mindestsicherungsleistungen erforderlich wäre.

 

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG, LGBl. Nr. 38/2010, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 5. Personenkreis

(1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

...

2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3. Personen mit einem Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' oder 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger', denen dieser Aufenthaltstitel nach § 45 oder § 48 NAG erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV) weiter gilt;

..."

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, über keinen der in § 5 Abs. 2 Z. 3 WMG genannten Aufenthaltstitel zu verfügen, sie macht vielmehr geltend, dass sie gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. einer österreichischen Staatsbürgerin gleichgestellt sei. Dazu bringt sie zusammengefasst vor, für die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung reiche es aus, dass sie über eine Daueraufenthaltskarte verfüge. Auf die Unterhaltsgewährung durch einen EWR-Bürger komme es dabei nicht an.

Dazu ist auszuführen, dass nach § 5 Abs. 2 Z. 2 WMG Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz (im Folgenden - fallbezogen - als EWR-Bürger bezeichnet), wenn sie (u.a.) das Recht auf Daueraufenthalt gemäß § 53a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 68/2013, erworben haben, für den Bezug von Mindestsicherungsleistungen Österreichern gleichgestellt sind. Wenn der EWR-Bürger diese Voraussetzungen erfüllt, so sind auch seine Familienangehörigen gleichgestellt. Der Begriff "Familienangehörige" wird im WMG nicht definiert. Da § 5 Abs. 2 Z. 2 WMG mehrfach auf das NAG Bezug nimmt, liegt es nahe, die Definition des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG heranzuziehen, wonach Familienangehörige Ehegatten, eingetragene Partner und minderjährige ledige Kinder (Kernfamilie) sind. Der für Angehörige von EWR-Bürgern, die - wie die Beschwerdeführerin - selbst keine EWR-Bürger sind, einschlägige § 54 NAG erweitert (durch den Verweis auf § 52 Abs. 1 Z. 1 bis 3 leg. cit.) diesen Kreis jedoch - in Übereinstimmung mit Art. 2 Z. 2 lit. d der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürgerrichtlinie) - u.a. auf Verwandte des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird.

Die Beschwerdeführerin wäre daher nur dann gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 WMG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, wenn ihr portugiesischer Schwiegersohn die Voraussetzungen dieser Bestimmung (u.a. Erwerbstätigkeit in Österreich) erfüllte und sie von diesem Unterhalt bezöge, was sie jedoch gar nicht behauptet.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen führt das Erfordernis der Unterhaltsgewährung durch den EWR-Bürger nicht zu einer "Schlechterstellung gegenüber Drittstaatsangehörigen, die keine Familienangehörigen eines EWR-Bürgers sind". Zum einen wird durch die hier vertretene Auslegung die Möglichkeit der Beschwerdeführerin, die Gleichstellung auf andere Weise als durch die Angehörigeneigenschaft zu erlangen, in keiner Weise eingeschränkt. Zum anderen wäre sie als Schwiegermutter eines "Zusammenführenden" gemäß § 47 NAG, der kein EWR-Bürger ist, mangels einer dem § 54 NAG vergleichbaren Erweiterung des Angehörigenbegriffs gar nicht als Familienangehörige anzusehen.

Der Verweis auf ein unmittelbar aus der Unionsbürgerrichtlinie ableitbares Gebot der Gleichstellung für Familienangehörige von EWR-Bürgern in Bezug auf Mindestsicherungsleistungen ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerdeführerin - wie dargestellt - auch gemäß Art. 2 Z. 2 lit. d der genannten Richtlinie nur unter der Voraussetzung der Unterhaltsleistung durch ihren portugiesischen Schwiegersohn als dessen Angehörige angesehen werden könnte.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Juni 2014

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