VwGH 2013/10/0002

VwGH2013/10/000223.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über den Antrag des JH in S (Belgien), vertreten durch die Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 59 Abs. 2 Z. 1 VwGG, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit hg. Erkenntnis vom 27. November 2012, Zl. 2012/10/0134- 6, wurde der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 14. Juni 2012, Zl. uvs-2012/21/1659-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. des Tiroler Schischulgesetzes 1995, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ein Ausspruch über Aufwandersatz unterblieb mangels darauf gerichteten Antrags.

2. Der Beschwerdeführer beantragt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Geltendmachung von Aufwandersatz unter gleichzeitiger Vorlage einer "Letztfassung" der Bescheidbeschwerde samt Antrag auf Ersatz von Schriftsatzaufwand.

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, die Sekretärin des ausgewiesenen Vertreters habe aufgrund eines bisher einmaligen bzw. erstmaligen Fehlers nicht die vom ausgewiesenen Rechtsanwalt unterfertigte Endfassung der Bescheidbeschwerde, sondern den "ursprünglichen unterschriebenen Entwurf der Bescheidbeschwerde" via eingeschriebenem Brief beim Postamt aufgegeben, obgleich sie im Vorfeld vom ausgewiesenen Rechtsanwalt darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass ausschließlich die Endfassung in doppelter Ausfertigung abzuschicken sei. Die Sekretärin arbeite bereits seit zwanzig Jahren in der Kanzlei; ein solches Missgeschick sei ihr in dieser Zeit noch nicht passiert. Der ausgewiesene Rechtsvertreter habe daher jedenfalls darauf vertrauen können, dass die Letztfassung der Bescheidbeschwerde abgeschickt werde.

3. Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich als unbegründet:

3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2012, Zl. 2012/04/0140, mwN).

Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad der Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. etwa die Nachweise aus der hg. Rechtsprechung bei Mayer, B-VG4, Anm. IV.1. und IV.2. zu § 46 VwGG).

3.2. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass der Beschwerdeführervertreter jene Fassung der Bescheidbeschwerde unterfertigt hat, die keinen Antrag auf Aufwandersatz enthalten hat.

Die Vorgangsweise des Anwaltes, - seinem eigenen Vorbringen zufolge - nicht nur den für die Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof bestimmten Beschwerdeschriftsatz zu unterfertigen, sondern auch einen "Entwurf", der sich nach seinem äußeren Erscheinungsbild (insbesondere wegen der Verwendung des Briefpapiers der Rechtsanwaltskanzlei) von der zur Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof bestimmten Ausfertigung bis auf das fehlende Aufwandersatzbegehren nicht unterschied, lässt - schon mit Blick auf die damit herbeigeführte Verwechslungsgefahr - die Annahme eines nur minderen Grades des Versehens nicht zu.

4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2013

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