VwGH 2013/09/0105

VwGH2013/09/010517.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der OS in F, vertreten durch Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2 (Hauptpostgebäude), gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Tirol, Landesgeschäftsstelle Innsbruck, vom 17. Juni 2013, Zl. LGSTi/II/08 114-3583849-702/2013-R, betreffend Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung (Oberbehörde: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 16. November 2012 einen Antrag auf Sicherungsbescheinigung für die Arbeitnehmerin TA.

Die Behörde erster Instanz (regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. November 2012 ab. Dieser Bescheid wurde laut Übernahmebestätigung der Beschwerdeführerin am 6. Dezember 2012 zugestellt.

Die dagegen erhobene Berufung langte laut im vorgelegten Akt ersichtlichen Eingangsstempel der Behörde erster Instanz am 7. Dezember 2012 bei ihr ein.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe am 12. Juni 2013, sohin nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist, einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gestellt.

Die belangte Behörde erließ den gegenständlichen Bescheid vom 17. Juni 2013, er wurde laut Übernahmebestätigung (erst) am 18. Juni 2013 zugestellt.

Diese Angaben werden von der belangten Behörde in der Gegenschrift bestätigt.

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erließ den Bescheid vom 24. Juli 2013, womit er die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 29. November 2012 gemäß § 66 Abs. 4 und § 73 Abs. 2 AVG abwies. Diesen Bescheid legte die belangte Behörde mit den Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung für den Übergang der Entscheidungspflicht im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG ist, dass der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wurde. "Erlassung" eines Bescheides bedeutet Erzeugung einer Rechtsnorm bestimmter Art; als Norm rechtlich existent wird ein intendierter Bescheid daher nur und erst dann, wenn das Erzeugungsverfahren abgeschlossen, das heißt, wenn das zeitlich letzte Erzeugungstatbestandsmerkmal - das ist in der Regel die Mitteilung des behördlichen Willensaktes nach außen - verwirklicht worden ist. Ein (schriftlicher) Bescheid ist erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 866, Anm. 2 zu § 56 AVG, sowie die aao. auf Seite 1100, E1 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im gegenständlichen Fall lief die sechsmonatige Entscheidungsfrist der belangten Behörde am 7. Juni 2013 ab.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Devolutionsantrag zulässig war. Unstrittig ist, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist zum Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrages am 12. Juni 2013 beim Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides abgelaufen war. Der Devolutionsantrag wurde vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz daher zu Recht als zulässig erachtet. Der Berufungsbescheid wurde der Beschwerdeführerin dagegen erst am 18. Juni 2013 zugestellt.

Liegen die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vor, so geht mit dem Einlagen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag an diese Behörde über, ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob die Unterbehörde tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG war, sowie ohne Rücksicht darauf, wann die Unterbehörde von der Anrufung der Oberbehörde Kenntnis erlangt und wann das zuständige Organ den Bescheidentwurf durch seine Unterschrift genehmigt hat, rechtswidrig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1995, Zl. 95/17/0248).

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erst nach Einlangen des zulässigen Devolutionsantrages beim Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erlassen hat, erweist er sich daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2013

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