VwGH 2013/09/0093

VwGH2013/09/009324.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der S SRL in S, Rumänien, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Unterauerstraße 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. August 2012, Zl. 08114/ABB-Nr. EUEB3545313, 3545311, 3545309, 3545308, 3545306, 3545305, 3545304, 3545301, 3534300, 3545299, 3545297, 3545295, betreffend Zurückweisung in einer Angelegenheit von EU-Entsendungen, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §18 Abs12;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVRAG 1993 §7b Abs4 Z6;
AVRAG 1993 §7b Abs4;
B-VG Art8 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwGG §52 Abs1;
VwGG §53 Abs1;
VwRallg;
AuslBG §18 Abs12;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVRAG 1993 §7b Abs4 Z6;
AVRAG 1993 §7b Abs4;
B-VG Art8 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwGG §52 Abs1;
VwGG §53 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, eine rumänische Kapitalgesellschaft, meldete am 19. April 2012 die Entsendung zwölf näher bezeichneter rumänischer Arbeitnehmer nach Österreich als Forstarbeiter gemäß § 7b Abs. 3 und 4 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG).

Mit Bescheiden vom 13. Juni 2012 wies das Arbeitsmarkservice Bruck/Mur die Anträge auf Bestätigung der EU-Entsendung für die rumänischen Staatsangehörigen für die berufliche Tätigkeit als Forstarbeiter gemäß § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab und untersagte die Entsendung.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

Im Berufungsverfahren forderte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 18. Juli 2012 im Hinblick auf wiedergegebene Bestimmungen des von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Rahmenvertrags für forstwirtschaftliche Dienstleistungen zwischen dieser als Auftragnehmerin und der Österreichischen Bundesforste AG als Auftraggeberin und unter Verweis auf dargestellte Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) zur Vorlage folgender Unterlagen auf:

"Nachweis darüber, dass es sich bei dem von Ihnen herzustellenden Werk um ein Solches handelt, welches von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweicht, unterscheidbar und Ihnen zurechenbar ist bzw. das Sie an der Herstellung eines solchen Werkes mitwirken.

Nachweis darüber, dass die Arbeiten nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet wird. In diesem Zusammenhang werden Sie aufgefordert, eine Liste sämtlicher Geräte, Maschinen und Fahrzeuge zu erstellen und vorzulegen, welche Sie im Rahmen der Abwicklung des gegenständlichen Vertrages einsetzen, außerdem den Nachweis zu erbringen, dass Sie Eigentümer/Besitzer dieser Gerätschaften sind."

Der beschwerdeführenden Partei wurde abschließend die Gelegenheit eingeräumt, zu den in diesem Schreiben ebenfalls dargelegten Feststellungen bis 2. August 2012 schriftlich Einwendungen anzubringen, und gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, die oben angeführten Unterlagen in dieser Frist vorzulegen, andernfalls ihre Anträge zurückgewiesen werden müssten.

Mit Schreiben vom 1. August 2012 nahm die beschwerdeführende Partei zum Vorhalt der belangten Behörde Stellung und legte weitere Unterlagen vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Anträge gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 18 Abs. 12 AuslBG sowie § 4 AÜG zurück.

Begründend führte sie in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass das Wesen der Arbeitskräfteüberlassung in der Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte liege. Ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege, ergebe sich aus dem Inhalt der zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträge und deren praktischer Durchführung. Bei einem Widerspruch zwischen der schriftlichen Vereinbarung und der tatsächlichen Umsetzung der Verträge sei jedenfalls die tatsächliche Durchführung das entscheidende Kriterium. Da im vorgelegten forstwirtschaftlichen Dienstleistungsvertrag Preise für Arbeitsstunden vereinbart worden seien und nicht klar gewesen sei, ob die beschwerdeführende Partei ein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und ihr zurechenbares Werk herstelle, oder an dessen Herstellung mitwirke, sowie weiters um die in der gegenständlichen Angelegenheit entscheidungsrelevante Abgrenzung zwischen Entsendung und Überlassung vornehmen zu können, sei die beschwerdeführende Partei gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Vorlage der genannten Nachweise aufgefordert worden. Die beschwerdeführende Partei habe daraufhin Buchhaltungsunterlagen, Rechnungen verschiedener Auftraggeber und diverse Kassabons über Kleinbeträge, jedoch ohne Nennung des Käufers, sowie zwei Rechnungen über den Erwerb von forstwirtschaftlichem Kleingerät (Axt, Schnittschutz-Gummistiefel, etc.) vorgelegt. Diese Buchhaltungsunterlagen betreffend im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehender Motorsägen, Rückenspritzen und anderer Werkzeuge seien jedoch kein Beweis für die Besitzbzw. Eigentumsverhältnisse an den erforderlichen Betriebsmitteln. Dass die beschwerdeführende Partei nach der Abnahme von Arbeiten auch Rechnungen an die Österreichischen Bundesforste gelegt habe, stehe einer allfälligen zusätzlichen Überlassung von Arbeitskräften nicht entgegen. Auch das vorgelegte EU-Formular A1 könne nicht als Beleg dafür angesehen werden, dass die beschwerdeführende Partei sämtliche Forstdienstleistungen mit eigenem Werkzeug und eigenen Maschinen durchführe. Die beschwerdeführende Partei habe daher jedenfalls nicht den Nachweis erbracht, dass es sich bei dem von ihr herzustellenden Werk um ein solches handle, das von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweiche, unterscheidbar und ihr zurechenbar sei, oder dass sie an der Herstellung eines solchen mitwirke. Vielmehr habe die beschwerdeführende Partei sogar selbst eingeräumt, dass die Österreichischen Bundesforste den Großteil der Arbeiten an Unternehmer - wie die beschwerdeführende Partei - vergeben würden, weil deren (eigene) Kapazitäten besonders zu Spitzenzeiten zu gering seien. Auch nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei bestehe in diesem Fall kein Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen. Die beschwerdeführende Partei habe weiters keine Nachweise darüber vorgelegt, dass die Arbeiten vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet würden. Sie habe die in diesem Zusammenhang geforderte Liste sämtlicher Geräte, Maschinen und Fahrzeuge, welche sie im Rahmen der Abwicklung des gegenständlichen Vertrags einsetze, und den Nachweis, dass sie Eigentümerin/Besitzerin dieser Gerätschaften sei, nicht erbracht.

Da diese entscheidungsrelevanten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, sei - so führte die belangte Behörde abschließend aus - wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Juni 2013, B 1184/2012-7, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Über die im Verfahren auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie einer Erwiderung darauf durch die beschwerdeführende Partei erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - aus dem Grunde des § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandener Fassung.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich im Recht auf eine inhaltliche Entscheidung über ihre Meldungen über EU-Entsendungen im Sinn des § 18 Abs. 12 AuslBG verletzt; ein Verbesserungsauftrag mit den Konsequenzen des § 13 Abs. 3 AVG hätte nicht ergehen dürfen.

Nach § 18 Abs. 12 AuslBG ist für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung nach Österreich entsandt werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 7b Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 2 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.

Gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG haben Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR als Österreich, die Arbeitnehmer zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsenden wollen, diese Beschäftigung spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden.

Gemäß § 7b Abs. 4 AVRAG hat die Meldung nach Abs. 3 folgende Angaben zu enthalten:

  1. 1. Name und Anschrift des Arbeitgebers,
  2. 2. Name des im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten,
  3. 3. Name und Anschrift des inländischen Auftraggebers (Generalunternehmers),

    4. die Namen, Geburtsdaten und Sozialversicherungsnummern sowie die Staatsangehörigkeit der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer,

    5. Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in Österreich,

  1. 6. die Höhe des dem einzelnen Arbeitnehmer gebührenden Entgelts,
  2. 7. Ort der Beschäftigung in Österreich (auch andere Einsatzorte in Österreich),
  3. 8. die Art der Tätigkeit und Verwendung des Arbeitnehmers,
  4. 9. sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, jeweils die ausstellende Behörde sowie die Geschäftszahl, das Ausstellungsdatum und die Geltungsdauer oder eine Abschrift der Genehmigung,

    10. sofern die entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen, jeweils die ausstellende Behörde sowie die Geschäftszahl, das Ausstellungsdatum und die Geltungsdauer oder eine Abschrift der Genehmigung.

    Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Behörde nur dann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen "Mangel" aufweist, also von der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben im Sinn des § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2012/09/0120, mwN).

    Wie in dem, dem zitierten Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2012/09/0120, - auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird - zu Grunde liegenden Beschwerdefall handelt es sich auch im vorliegenden Fall bei den von der belangten Behörde aufgetragenen Vorlagen und Ergänzungen nicht um nach § 7b Abs. 4 AVRAG vorgesehene Angaben für eine Meldung nach § 7b Abs. 3 leg. cit. Der Auftrag der belangten Behörde vom 18. Juli 2012 stellt sich somit als (zulässiger) Überprüfungsschritt des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen einer Entsendung im Sinn des § 18 Abs. 12 AuslBG dar, nicht aber als Mängelbehebungsauftrag mit den Konsequenzen des § 13 Abs. 3 AVG. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und ihr Vorbringen wären demnach nur in eine Beurteilung dahingehend einzubeziehen gewesen, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung der EU-Entsendung vorliegen oder nicht.

    Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, wodurch die beschwerdeführende Partei in dem von ihr geltend gemachten Recht auf eine inhaltliche Entscheidung über ihre Meldungen verletzt wurde.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Dass mit dem angefochtenen Bescheid zwölf Verwaltungssachen erledigt wurden, ändert - entgegen der Beschwerdeansicht - nichts daran, dass der Schriftsatzaufwand für eine dagegen erhobene Bescheidbeschwerde nur in einfacher Höhe gebührt, kommt es doch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Anwendbarkeit des § 52 Abs. 1 VwGG grundsätzlich nur darauf an, ob sich die Beschwerde gegen einen oder mehrere Bescheide im formellen Sinn richtet (vgl. den Beschluss vom 26. Jänner 2012, Zl. 2011/21/0173, mwN).

    Wien, am 24. Jänner 2014

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