VwGH 2013/08/0060

VwGH2013/08/00603.7.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der M H in W, vertreten durch Mag. Christoph Rappold, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 29. November 2012, LGS600/SfA/0566/2012-Dr.Si/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §46 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §46 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG den Bezug der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum von 7. März 2007 bis 29. Februar 2012 und verpflichtete sie gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 31.563,84.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice D. (in der Folge: AMS) habe mit Bescheid vom 19. September 2012 die im genannten Zeitraum bezogene Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zurückgefordert, da die Beschwerdeführerin in dieser Zeit laut Ermittlungen der Fremdenpolizei keinen rechtmäßigen Wohnsitz in Österreich gehabt habe und tatsächlich im Ausland wohnhaft gewesen sei.

In ihrer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung habe die Beschwerdeführerin eingewendet, dass sie seit 7. März 1996 keinen rechtmäßigen Wohnsitz mehr in Slowenien habe und seit Juni 1996 österreichische Staatsbürgerin sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstellen des AMS richte sich nach dem Wohnsitz des Arbeitnehmers bzw. Arbeitslosen. Nach gängiger Rechtsprechung sei der Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen habe, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der Begriff des Wohnsitzes setze zwar keinen tatsächlichen ununterbrochenen Aufenthalt, aber den Willen voraus, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Beim gewöhnlichen Aufenthalt handle es sich nach der Rechtsprechung um einen räumlich-personalen Bezug, für den einerseits der Wille, seine Lebensbeziehungen bis auf weiteres mit einem bestimmten Ort zu verbinden, und andererseits der Umstand charakteristisch sei, dass diese Beziehungen auch tatsächlich mit dem Aufenthaltsort verknüpft würden.

Die Beschwerdeführerin habe sich am 31. Mai 2000 arbeitslos gemeldet und nach einer Unterbrechung wegen des Kinderbetreuungsgeldbezuges für ihre Tochter A. J. am 6. November 2003 Notstandshilfe beantragt. Damals habe sie in G. in W. (Österreich) gewohnt, als Familienstand habe sie "geschieden" angegeben. Anlässlich der Antragstellung am 1. Februar 2007 habe sie die Adresse A. in W., als Familienstand wieder "geschieden" und als im selben Haushalt lebend zwei Kinder angegeben: die Tochter K. H., geboren 1993, und die Tochter A. J., geboren 2001.

S. J., der Vater ihrer Tochter A. J., scheine als Unterkunftgeber und Eigentümer der Wohnung (an der Adresse A. in W.) im Grundbuch auf. Erhebungen des Bundespolizeikommandos (BPK) hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin und der Eigentümer sich selten in der Wohnung (an der Adresse A. in W.) aufhielten, denn Parteien aus dem Haus sähen sie kaum und an den allgemeinen Reinigungsarbeiten beteiligten sie sich nicht. Das Auto der Marke Seat mit näher genanntem Kennzeichen sei auf den Namen der sehbehinderten Tochter der Beschwerdeführerin, A. J., angemeldet, weil sie auf diese Weise eine begünstigte Versicherung erhalten hätte. Mit diesem Auto werde die Tochter von der Beschwerdeführerin oder S. J. in die Schule nach W. gebracht. Die Beschwerdeführerin habe auch ein eigenes Auto.

A. J. habe gegenüber dem BPK bestätigt, dass sie mit der Familie in einem Haus in M., Slowenien, wohne und jeden Tag in der Früh von dort nach Österreich fahre. Die Beschwerdeführerin und S. J. seien zu Hause und arbeiteten nicht, die Oma habe einen Bauernhof mit Tieren, wo sich A. J. zum Spielen aufhalte. In der Wohnung in W. halte sich die Beschwerdeführerin selten auf. A. J. besuche eine Integrationsklasse und könne dem Unterricht über einen speziellen Sehbehindertencomputer, der über Spenden finanziert worden sei, folgen. Die Wohnung sei von S. J. 2006 gekauft worden, die Beschwerdeführerin und ihre Töchter hätten sich damals polizeilich angemeldet. Anfangs sei die Beschwerdeführerin, wie dem Bericht des BPK zu entnehmen sei, auch öfters dort gewesen, aber nur bis sie den Sehcomputer - mit Spendengeldern finanziert - für ihre Tochter bekommen habe.

Laut den Grundstücksdatenauszügen besäßen die Beschwerdeführerin und S. J. mehrere Grundstücke in Slowenien. Teilweise scheine sie und S. J. je zur Hälfte als Grundstücksbesitzer auf. Die Beschwerdeführerin, ihre Tochter A. J. und S. J. hätten nach Angaben der slowenischen Polizei den Wohnsitz in M. (Slowenien), seien dort gemeldet und ständig wohnhaft. In R. (Slowenien) werde eine Landwirtschaft betrieben.

Zusammenfassend müsse festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter und deren Vater in Slowenien wohne, dort eine Landwirtschaft betreibe und täglich ihre Tochter A. J. nach W. in die Volksschule bringe. Ab und zu übernachte sie in der Wohnung in W.

Obwohl die Beschwerdeführerin mit dem Vater ihrer Tochter gemeinsam in Slowenien wohne, habe sie anlässlich der Antragstellung immer die Wohnung in W. (Österreich) als Lebensmittelpunkt, an dem sie alleinstehend sei, angegeben. Den Verdacht, dass sie dies mit dem Vorsatz gemacht habe, Sozialleistungen zu beziehen, habe sie auch nicht mit ihren Berufungsangaben, in denen sie sich nur auf die polizeiliche Anmeldung bezogen habe, entkräften können.

Es gelte als erwiesen, dass es sich bei der Adresse in W. nicht um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin handle. Sie habe nicht nur bewusst eine falsche Adresse angegeben, sondern auch verschwiegen, dass sie in einer Lebensgemeinschaft lebe. Da eine Rückforderung für höchstens fünf Jahre möglich sei, werde der gesamte Leistungsbezug von 7. März 2007 bis 29. Februar 2012 widerrufen und zurückgefordert.

Anschließend legte die belangte Behörde die Berechnung des Rückforderungsbetrages in der Höhe von EUR 31.563,84 dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder dessen Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn es sich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 25 Abs. 6 AlVG ist u.a. eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

§ 44 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 179/1999 hat folgenden Wortlaut:

"§ 44. (1) Die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "regionale Geschäftsstellen'' genannt) und der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "Landesgeschäftsstellen'' genannt) richtet sich

1. soweit Rechte und Pflichten des Arbeitgebers betroffen sind, nach dem Sitz des Betriebes;

2. soweit Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers betroffen sind,

a) in Angelegenheiten der Sondernotstandshilfe nach dem Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994) und

b) in den übrigen Angelegenheiten nach dessen Wohnsitz, mangels eines solchen nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort.

(2) Ist auf Grund internationaler Verträge bei einem Wohnsitz im Ausland der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe im Inland zulässig, so ist die regionale Geschäftsstelle zuständig, in deren Bezirk der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war. Dies gilt auch für die Geltendmachung des Anspruches (§ 46), die Einhaltung der Kontrollmeldungen (§ 49) und die Erfüllung der Meldepflicht (§ 50). Das gleiche gilt für den Bezug eines Pensionsvorschusses gemäß § 23. Für die Krankenversicherung des Leistungsbeziehers (§ 40 Abs. 1) ist die nach dem Sitz der regionalen Geschäftsstelle örtlich zuständige Gebietskrankenkasse zuständig."

Gemäß § 58 AlVG ist die letztgenannte Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Die belangte Behörde stützt den Widerruf und die Rückforderung des Notstandshilfebezuges auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin - entgegen den Angaben anlässlich der Antragstellung, wonach die Wohnung in W. der Lebensmittelpunkt sei - mit ihrer Tochter und deren Vater in Slowenien wohne, dort eine Landwirtschaft betreibe und täglich ihre Tochter nach W. in die Volksschule bringe. Der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt liege daher nicht im Zuständigkeitsbereich der regionalen Geschäftsstelle und daher sei die bisherige Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle nicht mehr gegeben.

3. Die Beschwerde macht geltend, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet sei bzw. Sachverhaltsfeststellungen fehlten, die die Annahme der mangelnden Zuständigkeit der belangten Behörde untermauern.

Damit zeigt sie im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit auf.

Gemäß § 60 AVG, der gemäß § 67 AVG auch für Berufungsbescheide gilt, sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben.

Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente eines ordnungsgemäß begründeten Bescheides bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2012/08/0024).

Lässt ein Bescheid die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides schon aus diesem Grund (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2013, 2013/08/0113).

Der vorliegende Bescheid lässt eine Trennung in die drei genannten Begründungselemente nicht erkennen, sondern ist von einer Gemengelage gekennzeichnet. Die an die kurze Darlegung des Verwaltungsgeschehens und die wörtliche Wiedergabe der bezughabenden Bestimmungen des AlVG anschließenden und mit "Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten hat daher folgende Auffassung vertreten:" überschriebenen Ausführungen enthalten zwar grundsätzlich Tatsachenfeststellungen, beweiswürdigende Erwägungen und eine rechtliche Beurteilung. Die einzelnen Elemente sind jedoch weder formal voneinander getrennt, noch bauen sie logisch aufeinander auf.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Behörde darzulegen, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde begründen, weshalb sie einem der Beweismittel den Vorzug gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2014, 2013/08/0204).

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Sachverhaltsfeststellungen lediglich auf die "Ermittlungen des Bundespolizeikommandos" und die Angaben der Tochter der Beschwerdeführerin vor dem BPK gestützt, ohne sich mit diesen Angaben und Ergebnissen beweiswürdigend auseinanderzusetzen. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren mit entsprechendem Sachverhaltsvorbringen bestritten, ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland zu haben. Der angefochtene Bescheid lässt ein Eingehen auf diese - den sonstigen Beweisergebnissen widersprechenden - Ausführungen vermissen. Die belangte Behörde hat es somit verabsäumt, auch diese Behauptungen - nach Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der maßgeblichen Zeugen - zu klären und anschließend entsprechend zu würdigen, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitraum die Beschwerdeführerin sich an der im Antrag von ihr angegebenen Adresse aufgehalten hat. Im Gesamten lässt sich nicht erkennen, welche Erwägungen im Einzelnen angestellt wurden, um aus den Beweisergebnissen zu den tatsächlich getroffenen, wesentlichen Feststellungen zu gelangen. Die bisherige Bescheidbegründung hält deshalb einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand.

Schon aus diesen Gründen war der Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

4. Die Beschwerdeführerin macht aber auch geltend, dass im angefochtenen Bescheid ausreichende Sachverhaltsfeststellungen fehlten, um die Annahme des fehlenden Wohnsitzes bzw. ordentlichen Aufenthalts zu untermauern.

Im angefochtenen Bescheid wird festgestellt, dass die Wohnung in W. im Jahr 2006 vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin gekauft worden sei und die Beschwerdeführerin sich "anfangs" bis zur Anschaffung des Sehcomputers für die sehbehinderte Tochter auch öfters in dieser Wohnung aufgehalten habe. Sie und der Eigentümer würden sich selten in der Wohnung aufhalten.

Für die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle kommt es gemäß § 46 Abs. 1 AlVG (also für die Antragstellung der Notstandshilfe) auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Antragstellung an (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 11. Februar 1997, 96/08/0303, und jüngst vom 12. September 2012, 2011/08/0094 ). Die belangte Behörde hat über die zeitlich nicht näher bestimmte "Anschaffung des Sehcomputers" hinaus keine Feststellungen getroffen, die eine zeitliche Einordnung im oben erörterten Sinn ermöglichen würde. Folglich wird die belangte Behörde daher zur maßgeblichen Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt der Antragstellung am 1. Februar 2007 und danach die notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

5. Soweit die belangte Behörde den Widerruf bzw. die Rückforderung des Leistungsbezugs neben der mangelnden Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle auch darauf stützt, dass die Beschwerdeführerin ihre Lebensgemeinschaft verschwiegen und damit einen Widerrufs- bzw Rückforderungstatbestand geschaffen habe, ist Folgendes auszuführen:

Zutreffend ist, dass grundsätzlich das Einkommen des S. J. zu berücksichtigen ist, wenn er im streitgegenständlichen Zeitraum der mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte war (vgl. § 2 Abs. 2 Satz eins und zwei der Notstandshilfeverordnung, gestützt auf § 36 Abs. 2 Satz zwei und drei AlVG).

Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung eines Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zugrunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn‑)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der Miete oder der Ernährung) beiträgt (vgl. das Erkenntnis vom 3. September 1996, 95/08/0283). Gemeinsames Wohnen allein - auch dazu fehlen vorliegend ausreichende Feststellungen - begründet auch zwischen Personen, die gemeinsame Kinder haben, noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1996, 95/08/0147).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 10. März 1998, 96/08/0339).

Dazu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, so dass auch dieser Rückforderungstatbestand einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich ist.

6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 3. Juli 2015

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