Normen
AVG §38;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68;
BGdAG 1967 §7 Abs5;
BGdAG 1967 §7;
BGdAG 1967 §8 Abs1;
BGdAG 1967 §8;
B-VG Art119a Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68;
BGdAG 1967 §7 Abs5;
BGdAG 1967 §7;
BGdAG 1967 §8 Abs1;
BGdAG 1967 §8;
B-VG Art119a Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. April 2009 verpflichtete der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde (in weiterer Folge: der Bürgermeister) die mitbeteiligte Partei, gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 für ihre Liegenschaft mit der Grundstücksnummer 20, KG S, die Hausleitung für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage der Marktgemeinde W herzustellen.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und beantragte zugleich die Erlassung eines Bescheides gemäß § 2 Abs. 2 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 (Nichtbestehen des Anschlusszwanges).
Daraufhin setzte der Gemeindevorstand der Marktgemeinde W (in weiterer Folge: der Gemeindevorstand) das Berufungsverfahren mit Bescheid vom 29. Juni 2009 gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung über den Antrag gemäß § 2 Abs. 2 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 (Nichtbestehen des Anschlusszwanges) aus.
Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 wurde dieser Antrag schließlich, soweit die Feststellung des Nichtbestehens des Anschlusszwanges im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 (Deckung des Wasserbedarfes durch eine eigene Wasserversorgungsanlage) begehrt worden war, zurückgewiesen, und soweit sich der Antrag auf § 2 Abs. 1 Z 4 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 bezogen hatte (Liegenschaften, deren Anschluss aus technischen Gründen nicht möglich ist oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten hergestellt werden kann), abgewiesen. Eine von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand als unzulässig zurückgewiesen, weshalb der erstinstanzliche Bescheid in Rechtskraft erwuchs.
Hierauf setzte der Gemeindevorstand das ausgesetzte Berufungsverfahren über die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Herstellung der Hausleitung fort und wies die Berufung mit Bescheid vom 14. Mai 2013 ab. Seinen Berufungsbescheid begründete der Gemeindevorstand mit dem rechtskräftig abgewiesenen Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens des Anschlusszwangs.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung mit dem Vorbringen, es habe sich bautechnisch nichts verändert und der Anschluss sei nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den Bescheid des Gemeindesvorstandes vom 14. Mai 2013 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde.
Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, die im Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 vertretene Rechtsansicht, wonach sich der in § 2 Abs. 1 Z 4 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 normierte Ausnahmetatbestand vom Anschlusszwang der "unverhältnismäßig hohen Kosten" nur auf die von der Gemeinde herzustellende Anschlussleitung, nicht aber auf die vom Liegenschaftseigentümer herzustellende Hausleitung beziehe, sei verfehlt.
So ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes kein Anhaltspunkt für die vom Bürgermeister vertretene Rechtsansicht. Ganz im Gegenteil spreche der § 2 Abs. 2 Wasserleitungsanschlussgesetz 1978, wonach erst über Antrag des Liegenschaftseigentümers über die Ausnahme vom Anschlusszwang zu entscheiden sei, gegen die vom Bürgermeister zu § 2 Abs. 1 Z 4 Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 vertretene Rechtsansicht. In weiterer Folge zitierte die belangte Behörde auch den Kommentar der Niederösterreichischen Studiengesellschaft für Verfassungs- und Verwaltungsrechtsfragen zu § 2 Abs. 1 Z 4 Wasserleitungsanschlussgesetz 1978, welcher zur dort geregelten Ausnahme vom Anschlusszwang auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit für den Liegenschaftseigentümer abstelle.
Die mitbeteiligte Partei - so die belangte Behörde weiter - sei durch die verfehlte Auslegung des § 2 Abs. 1 Z 4 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 als in ihren Rechten verletzt anzusehen, sodass der Vorstellung Folge zu geben gewesen sei.
Demzufolge werde der Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009, mit dem der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Feststellung, dass der Anschlusszwang für ihre Liegenschaft nicht bestehe, abgewiesen worden sei, gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben sein. Sodann werde der von der mitbeteiligten Partei in ihrer Berufung wie auch in der Vorstellung vorgebrachte Einwand der "unverhältnismäßig hohen Kosten" im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 neuerlich zu prüfen sein.
Danach werde über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 17. April 2009, mit welchem die mitbeteiligte Partei zur Herstellung der Hausleitung für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage verpflichtet worden sei, neuerlich zu entscheiden sein.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
Für die Entscheidung der Vorstellungsbehörde ist jene Sachlage und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides bestanden hat (vgl. dazu unter vielen das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0131, mwN). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit eines Vorstellungsbescheides anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides zu überprüfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, Zl. 2013/05/0025).
Die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften des Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 123/1967, lauten:
"§ 3. (1) (...)
(2) Die Aufsichtsbehörde hat, soweit es dieses Bundesgesetz zulässt, unter möglichster Bedachtnahme auf die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde und unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter vorzugehen. Stehen im Einzelfall verschiedene Aufsichtsmittel zur Verfügung, so ist das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden.
(...)
§ 7. (1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges (Artikel 118 Abs. 4 B.-VG.) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.
(...)
(5) Die Aufsichtsbehörde hat, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
(...)
§ 8. (1) Außer im Falle des § 7 kann ein rechtskräftiger Bescheid eines Gemeindeorgans von der Aufsichtsbehörde nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172, aufgehoben werden.
(...)"
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) idF
BGBl. Nr. 471/1995 lautet:
"§ 68. (1) (...)
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
- 2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
- 3. tatsächlich undurchführbar ist oder
- 4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(...)"
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes 1978, LGBl. 6951-2, lauten:
"§ 1
Anschlusszwang
(1) Der Wasserbedarf in Gebäuden mit Aufenthaltsräumen ist im Versorgungsbereich (§ 8 Abs. 2 Z. 1) eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens nach Maßgabe folgender Bestimmungen ausschließlich aus dessen Wasserversorgungsanlage zu decken (Anschlusszwang).
(...)
§ 2
Nichtbestehen des Anschlusszwanges
(1) Der Anschlusszwang im Sinne des § 1 besteht nicht für
(...)
4. Liegenschaften, deren Anschluss aus technischen Gründen nicht möglich ist oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten hergestellt werden kann;
(...)
(2) Die Behörde hat auf Antrag des Liegenschaftseigentümers mit Bescheid festzustellen, ob im Sinne des Abs. 1 der Anschlusszwang nicht besteht.
(...)
§ 6
Pflichten der Liegenschaftseigentümer
(1) Der Eigentümer einer Liegenschaft, für die Anschlusszwang besteht, hat die Hausleitung innerhalb angemessener Frist nach Maßgabe der Wasserleitungsordnung (§ 8 Abs. 4) herzustellen und zu erhalten. Die Frist kann von der Behörde unter Bedachtnahme auf die im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid für die Wasserversorgungsanlage festgesetzte Fertigstellungsfrist bestimmt werden.
(...)
(4) Unter Hausleitung ist jener Teil der Wasserversorgungsanlage zu verstehen, der sich innerhalb der angeschlossenen Liegenschaft befindet. Wassermesser gehören nicht zur Hausleitung.
(...)"
Die beschwerdeführende Marktgemeinde bringt zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde die Aufhebung des - mit Vorstellung angefochtenen - Bescheides des Gemeindevorstandes vom 14. Mai 2013 nicht mit Rechtsverletzungen durch diesen, sondern mit Rechtsverletzungen durch einen anderen Bescheid, nämlich jenen des Bürgermeisters vom 30. September 2009, begründet habe. Dies widerspreche § 7 Abs. 5 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, der die Aufhebung eines mit Vorstellung angefochtenen Bescheides nur bei Rechtsverletzungen durch diesen vorsehe. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde der Gemeinde der Auftrag erteilt, den rechtskräftig gewordenen Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009, der im Hinblick auf den mit Vorstellung angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2013 einen den Gemeindevorstand bindenden Vorfragebescheid darstelle, gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde beinhalte im Ergebnis den Auftrag, einen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ergangenen rechtskräftigen Bescheid aufzuheben und bewirke dadurch eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde. Die Rechtsansicht der belangten Behörde sei daher rechtswidrig.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.
Gemeindeaufsichtsbehörden zählen gegenüber Organen der Gemeinde, soweit diese im eigenen Wirkungsbereich tätig werden, nicht zu den sachlich in Betracht kommenden Oberbehörden. Daher sind Gemeindeaufsichtsbehörden nicht befugt, rechtskräftige Bescheide, die von Gemeindeorganen im eigenen Wirkungsbereich erlassen wurden, in unmittelbarer Anwendung des § 68 AVG aufzuheben oder als nichtig zu erklären. Diese Möglichkeit haben nur die Gemeindeorgane selbst (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 71ff). Nach dem Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz kann aber eine Aufsichtsbehörde einen rechtskräftigen Bescheid der Gemeinde entweder gemäß § 7 leg. cit. oder gemäß § 8 leg. cit., in dem Umfang, in welchem darin auf das AVG verwiesen wird (§ 68 Abs. 3 und 4 AVG), aufheben.
Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass gemäß § 7 Abs. 5 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz die Aufsichtsbehörde einen Bescheid der Gemeinde aufzuheben hat, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters (hier: der mitbeteiligten Partei) verletzt werden. Nun begründet aber die belangte Behörde die Aufhebung des bei ihr mit Vorstellung angefochtenen Bescheides des Gemeindevorstandes nicht mit einer Rechtsverletzung durch diesen, sondern mit einer Verletzung von Rechten der mitbeteiligten Partei durch den bereits rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009.
Mit diesem Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 war der Antrag der mitbeteiligten Partei (u.a.) auf Feststellung des Nichtbestehens des Anschlusszwangs gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung war vom Gemeindevorstand mit Bescheid vom 20. Jänner 2010 als unzulässig zurückgewiesen worden. Der erstinstanzliche Bescheid vom 30. September 2009, der im Ergebnis das Bestehen des Anschlusszwanges für die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei aussprach, erwuchs demnach in Rechtskraft. Er stellte eine rechtskräftig entschiedene und somit bindende Vorfrage für den Gemeindevorstand dar, der die dem Berufungsbescheid vom 14. Mai 2013 zugrundeliegende Hauptfrage zu entscheiden hatte, ob die mitbeteiligte Partei als "Eigentümer einer Liegenschaft, für die Anschlusszwang besteht" (vgl. § 6 Abs. 1 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz) zur Herstellung der Hausleitung verpflichtet ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vorfrage ein vorweg zu klärendes rechtliches Element des zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles dergestalt, dass der Spruch der erkennenden Behörde in der Hauptfrage nur nach Klärung einer in den Wirkungsbereich einer anderen Behörde (eines Gerichts) fallenden Frage gefällt werden kann. Unter einer Vorfrage ist - mit anderen Worten - eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden ist. Präjudiziell ist nur eine Entscheidung, die eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung eine notwendige Grundlage bildet und die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt. Eine Vorfrage liegt also dann vor, wenn der relevante Tatbestand ein Element enthält, das für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidungen der anderen Behörde ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1991, Zl. 89/16/0082).
Eine bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung hat - soweit die Rechtskraft reicht - für die Behörde, für die die Frage, auf die sich die Entscheidung bezieht, eine Vorfrage bildet, entsprechend dem Grundsatz der gegenseitigen Bindung der Behörden an ihre Entscheidungen unter allen Umständen bindende Wirkung. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist in diesen Fällen nicht mehr zulässig, die Behörde ist vielmehr verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner, Zl. 95/03/0290, mwN).
Zutreffend hat der Gemeindevorstand somit das für ihn eine Vorfrage darstellende Tatbestandsmerkmal "Anschlusszwang" des § 6 Abs. 1 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978, über welches mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 als Hauptfrage bereits abgesprochen worden war, seinem eigenen Bescheid vom 14. Mai 2013 zugrunde gelegt.
Indem die belangte Behörde der Gemeinde in der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheids auftrug, den rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. So hat zwar die Aufsichtsbehörde gemäß § 7 Abs. 5 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz einen von der Gemeinde erlassenen Bescheid aufzuheben, wenn durch diesen Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden. Im vorliegenden Fall begründete die belangte Behörde die Aufhebung des bei ihr mit Vorstellung angefochtenen Bescheids jedoch nicht mit Rechtsverletzungen durch diesen, sondern durch einen anderen Bescheid, womit sie sich in Widerspruch zu § 7 Abs. 5 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz setzte.
Anzumerken ist überdies, dass § 8 Abs. 1 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, welcher der Aufsichtsbehörde - außer im Falle des § 7 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz - ebenfalls die Befugnis einräumt, einen rechtskräftigen Bescheid eines Gemeindeorgans aufzuheben, dies nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG zulässt. Ein Fall des § 68 Abs. 3 oder 4 AVG liegt hier jedoch nicht vor. Da nun § 68 Abs. 2 AVG, auf den sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheids bezieht, nicht in § 8 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz genannt ist, war es der belangten Behörde von Vornherein untersagt, selbst den rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2009 gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben. Aber auch die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise, nämlich in der Begründung des von ihr erlassenen Bescheides der Gemeinde den Auftrag zu erteilen, einen in deren eigenen Wirkungsbereich ergangenen und rechtskräftigen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben, ist nicht durch § 8 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz gedeckt.
Im Ergebnis bieten also weder § 7 Abs. 5 noch § 8 Abs. 1 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz eine Rechtsgrundlage für den in der Begründung des angefochtenen Bescheids erteilten Auftrag, die Gemeinde solle einen im eigenen Wirkungsbereich ergangenen und rechtskräftig gewordenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufheben.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 1 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Jänner 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)