VwGH 2013/07/0236

VwGH2013/07/023624.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der B SE, Zweigniederlassung B in W, vertreten durch die Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. September 2013, Zl. MA 22-2079/2011, betreffend Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Normen

32008L0098 Abfall-RL;
AWG 2002 §1 Abs3 Z2;
AWG 2002 §1 Abs3 Z4;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §2 Abs2;
AWG 2002 §2;
AWG 2002 §73;
AWGNov 2010;
EURallg;
VwRallg;
32008L0098 Abfall-RL;
AWG 2002 §1 Abs3 Z2;
AWG 2002 §1 Abs3 Z4;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §2 Abs2;
AWG 2002 §2;
AWG 2002 §73;
AWGNov 2010;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. September 2013 erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 den Auftrag, folgende Maßnahmen auf der Liegenschaft R.-Gasse 48 in Wien hinsichtlich des durch Kohlenwasserstoffe kontaminierten Erdreiches und sonstigen Untergrundes, welche Abfall im Sinn des AWG 2002 darstellten, zu treffen:

1. Das kontaminierte Bodenmaterial sei binnen 12 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides in jenem flächenmäßigen Umfang, der auf dem Lageplan vom 27. Dezember 2010 - welcher einen Bestandteil des Bescheides bilde - rot und orange dargestellt sei, bis in eine Tiefe von 10 m abzutragen. Über diesen Bereich hinaus, sei das darunter und seitlich liegende Material repräsentativ auf den Parameter Kohlenwasserstoff (Eluat und Gesamtgehalt) zu beproben und soweit zu entfernen, bis das Bodenmaterial nicht mehr kontaminiert sei. Letzteres sei durch eine unabhängige Fachperson auf dem Gebiet der Abfallchemie zu beurteilen. Als kontaminiert gelte Bodenmaterial, das den Sanierungszielwert von 500 mg/kg Gesamtkohlenwasserstoffe ("SKW") in der Trockensubstanz bzw. 0,2 mg/I SKW im Eluat aufweise.

2. Die Ausführung sämtlicher Baugrubensicherungs-, Erkundungs- , Erd- und Entsorgungsarbeiten sei durch eine unabhängige Fachperson auf dem Gebiet der Geotechnik (z.B. Zivilingenieur für Bauwesen, Prüfingenieur) und eine unabhängige Fachperson auf dem Gebiet der Abfallchemie, die von der Beschwerdeführerin zu beauftragen seien, zu überwachen. Beide Fachpersonen seien der Behörde schriftlich zwei Wochen vor Aushubbeginn bekannt zu geben.

3. Beim Aushub seien die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit der umliegenden Bauwerke und Einbauten, einschließlich der U-Bahn-Trasse, zu gewährleisten. Zulässige Böschungsneigungen, Stützbermen und vertikale Baugrubenwände innerhalb des Baufeldes seien hinsichtlich ihrer Ausführung (Ausmaß, Art der Ausführung, Dauer, Neigung, Erosionsschutz etc.) nachweislich mit der Fachperson für Geotechnik abzustimmen. Bestünden trotz der getroffenen Stütz- und Sicherungsmaßnahmen fachlich begründete Bedenken betreffend die Sicherheit umliegender Bauwerke und Einbauten, einschließlich der U-Bahn-Trasse, sei von der weiteren Auskofferung des Bodens Abstand zu nehmen. Gründe für einen Aushubstopp seien zu dokumentieren. Der Behörde sei regelmäßig, mindestens jedoch einmal im Monat, über den Fortgang des Aushubes zu berichten.

4. Damit es im Bereich des U-Bahn-Bauwerkes zu keinen Aufweichungen des Baugrundes durch Schicht- und Oberflächenwässer und vor allem zu keinem Schadstofftransport der KW-Verunreinigungen in tiefere Schichten komme, sei für eine vollständige Oberflächenwasserentsorgung während der gesamten Aushub- und Verfüllphase Sorge zu tragen. Versickerungen in den Untergrund dürften in diesem Bereich generell nicht erfolgen. Die Baugrubensohle sowie allenfalls notwendige Baugrubenböschungen seien großflächig mittels wind- und wetterfest zu verankernder bzw. zu beschwerender Folie abzudecken. Die auf der Abdeckung gesammelten Niederschlagswässer seien in den Kanal abzuleiten oder außerhalb des Kontaminationskegels zur Versickerung zu bringen. Auch jene (Schicht‑)Wässer, die im Falle einer aufgelösten Baugrubensicherung (Vertikalelemente mit Bodenlücken) aufträten, müssten in einem geschlossenen System abgeleitet ("abgeschlaucht") werden.

5. Von den beigezogenen Fachpersonen seien nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen ein Gutachten darüber, dass die gesetzten Sanierungsziele - soweit sicherheitstechnisch möglich - erreicht worden seien, sowie eine Dokumentation (Ablauf der Arbeiten, vorhandene Schadstoffkonzentrationen, Ausmaß der Verunreinigung, Menge des entsorgten Schadstoffes usw.) erstellen zu lassen und dem Magistratischen Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk unverzüglich zu übermitteln.

6. Das abgetragene, kontaminierte Bodenmaterial sei nachweislich einem zur Sammlung und/oder Behandlung dieser Abfälle Berechtigten zu übergeben. Die Nachweise über die Übergabe seien dem Magistratischen Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk binnen einem Monat nach Beendigung der Aushubarbeiten vorzulegen.

7. Die Verfüllung der Baugrube dürfe nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Behörde und nur mit einwandfreiem Material (entsprechend der Klasse A2 oder A2-G im Sinne des Bundesabfallwirtschaftsplanes 2011 Kapitel 7.15.2 "Verwertung von Bodenaushubmaterial") erfolgen.

Ein näher bezeichneter Lageplan bilde einen Bestandteil dieses Bescheides.

2 Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe auf dem gegenständlichen Grundstück in der R.-Gasse 48 im Jahr 1968 den Betrieb einer Treibstoff-Tankanlage übernommen und die Tankstelle bis zu deren Auflassung im Jahr 1982 betrieben.

3 Im Zuge der Erweiterung der Strecke der U-Bahn-Linie 3 sei im November 1995 kontaminiertes Erdreich im Bereich unterhalb der ehemaligen Betriebsanlage festgestellt worden, wobei die Hauptkontamination im Tanksohlenbereich des 1968 genehmigten Super-Benzin-Tanks (für 13.000 l) geortet worden sei. Die höchste Konzentration - und damit das Zentrum der Kontamination - liege im Bereich des Einstiegsdomes des 13.000 l-Benzinbehälters sowie nach rund 1,50 m des Laufes der Zuleitung vom Tank zur Zapfsäule. Die Leitung und der Super-Benzin-Behälter seien immer im ausschließlichen Eigentum der Beschwerdeführerin gestanden. Aufgrund der eingeholten Gutachten stehe fest, dass die Beschwerdeführerin die in Frage stehende Bodenverunreinigung verursacht habe.

4 Bei dem kontaminierten Erdreich handle es sich um Abfall im Sinn des AWG 2002, woran auch nichts ändere, dass gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG "kontaminierte, nicht ausgehobene Böden" aus deren Anwendungsbereich ausgenommen seien. Österreich habe zulässigerweise insofern strengere Vorschriften beibehalten.

5 Das Vorliegen einer Verunreinigung werde in der (von der Beschwerdeführerin erhobenen) Berufung nicht bestritten. Deren weitere Ausbreitung könne - unter Zugrundelegung von Stellungnahmen eines Amtssachverständigen - nicht ausgeschlossen werden: Zwar sei nach der Stellungnahme des Amtssachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Grundwasser unter dem Schadensherd vorhanden und auch kein nennenswerter Sickerwasserzutritt erfolgt; er weise jedoch auf eine mögliche Mobilisierung der Kontamination bei Bautätigkeiten hin.

6 Da der Boden bereits über das unvermeidliche Maß hinaus verunreinigt sei und eine weitere Ausdehnung der Kontamination bis in den Grundwasserbereich nicht ausgeschlossen werden könne, sei die Sammlung und Behandlung des verunreinigten Bodens im öffentlichen Interesse jedenfalls geboten.

7 Ausgelaufenes Benzin sei jedenfalls Abfall im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002, weil seine Versickerung in den Untergrund eine Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus zur Folge habe und weiters eine Gefährdung von Wasser oder Boden bzw. Beeinträchtigung der nachhaltigen Nutzung von Wasser oder Boden (Hinweis auf § 1 Abs. 3 Z. 2 bis 4 AWG 2002) nach sich ziehen könne. Sobald die Kohlenwasserstoffe in den Boden eingedrungen seien, könne man von einer "die Umwelt beeinträchtigenden Verbindung mit dem Boden" sprechen, sodass der kontaminierte Untergrund Abfall im Sinn des § 2 Abs. 2 AWG 2002 darstelle.

8 Auch nach ständiger hg. Rechtsprechung stelle verunreinigter Boden Abfall dar (Hinweis u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 9. November 2006, Zl. 2003/07/0083).

9 Zu den Möglichkeiten, wie der kontaminierte Boden saniert werden könne, habe der Amtsachverständige zwar grundsätzlich die In-Situ-Sanierung (Bodenluftabsaugung) und den Bodenaushub als gleichwertige Methoden angesehen, welche beide dem Stand der Technik entsprächen. Bei genauerer Betrachtung der Bodenverhältnisse um den konkreten Schadstoffherd müsse man jedoch zu dem Schluss kommen, dass hier eine Bodenluftabsaugung nicht zum Ziel führen würde, weil deren Reichweite bei sehr bindigen Böden wie hier nur wenige Zentimeter betrage.

10 Hinsichtlich des Erfordernisses der Sanierung sei auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Bauführung auf dem betroffenen Grundstück die Ausdehnung der Kontamination begünstigen könnte; würden Niederschläge in eine kontaminierte Baugrube gelangen, so sei - einem zugrunde gelegten Gutachten zufolge - eine weitere Verfrachtung von Schadstoffen zusammen mit dem Sickerwasser anzunehmen. Von einem gesicherten Stillstand der Verunreinigung könne daher nicht gesprochen werden.

11 Auch sei zu berücksichtigen, dass bereits sehr geringe Mengen an Benzin geeignet seien, das Grundwasser nachhaltig zu beeinflussen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2003, Zl. 2002/07/0133). Eine weite Auslegung des Gefährdungstatbestands sei bei durch Kohlenwasserstoffe verunreinigtem Boden durchaus angebracht.

12 Die nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 aufzutragenden Maßnahmen müssten der Sachlage angemessen und dürften weder zwecklos noch überschießend sein. Finanzielle Belastungen, die aus der Realisierung der Maßnahmen resultierten, spielten keine Rolle. Die einzige Möglichkeit, die Verunreinigung des Bodens großteils zu beseitigen, liege in der Aushebung des kontaminierten Erdreichs. Um die Beeinträchtigung (hinsichtlich des Bodens) bzw. Gefährdung (hinsichtlich des Grundwassers) der öffentlichen Interessen zu vermindern, sei der aufgetragene Bodenaushub das gelindeste zum Ziel führende Mittel.

13 Zur Bestimmtheit des erteilten Behandlungsauftrags führte die belangte Behörde im Kern aus, in dessen Spruchpunkt I. werde der jedenfalls auszuhebende Boden unter Verweis auf die Planbeilage genau beschrieben. Da in einem näher bezeichneten Gutachterlichen Bericht vom 27. Dezember 2010 die Abschätzung der Ausbreitung der Kontamination nicht völlig exakt vorgenommen habe werden können, sei ein zusätzliches Beproben des umliegenden Materials erforderlich; solche Erkundungsmaßnahmen könnten der verpflichteten Partei (also der Beschwerdeführerin) übertragen werden.

14 2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

15 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

17 2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 103/2013, lauten wie folgt:

"Ziele und Grundsätze

§ 1

(...)

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

  1. 1. (...)
  2. 2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

    3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

    4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

    (...)

    Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. (...)

(...)

Ausnahmen vom Geltungsbereich

§ 3. (1) Keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

(...)

8. nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben wurden, sofern sichergestellt ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden.

(...)

Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen."

18 3.1. Die Beschwerde bringt zunächst vor, aufgrund der Bestimmung des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie) sei das AWG 2002 auf "nicht ausgehobene kontaminierte Böden" - wie im vorliegenden Fall - gar nicht mehr anwendbar; dementsprechend werde "im Einleitungssatz des § 3 Abs. 1 AWG 2002 festgelegt", dass die in Art. 2 Abfallrahmenrichtlinie genannten Stoffe und Gegenstände keine Abfälle im Sinn des AWG 2002 seien. Jedenfalls sei bei richtlinienkonformer Interpretation das AWG 2002 nur dann auf nicht ausgehobene verunreinigte Böden anzuwenden, wenn die Kontamination auf eine unsachgemäße Lagerung oder Behandlung von Abfällen zurückzuführen sei. Ein Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 sei daher mangels Abfalleigenschaft des kontaminierten Erdreichs nicht zu erteilen.

19 3.2. Art. 1 der Abfallrahmenrichtlinie regelt deren "Gegenstand und Anwendungsbereich". Danach werden mit der genannten Richtlinie "Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festgelegt, indem die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden". Von dem so umschriebenen Anwendungsbereich der Richtlinie sind gemäß deren Art. 2 Abs. 1 lit. b (unter anderem) "Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude" ausgenommen.

20 Ob eine Sache Abfall ist, ist nach österreichischem Recht anhand des § 2 AWG 2002 zu beurteilen, wobei die hg. Rechtsprechung zum Abfallbegriff vor der AWG-Novelle 2010 weiterhin herangezogen werden kann (vgl. Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG2 K 6 zu § 2). So bestimmt sich auch im vorliegenden Fall der Abfallbegriff nach § 2 AWG 2002, insbesondere dessen Absätze 1 und 2. Wenn nach diesen Bestimmungen auch Sachen, welche vom Anwendungsbereich der Abfallrahmenrichtlinie ausgenommen sind, als Abfälle zu qualifizieren sind, so macht dies die nationale Regelung - sofern nicht ihr entgegenstehende Regelungen des Unionsrechts bestehen - nicht unionsrechtswidrig. Einen derartigen Widerspruch zum Unionsrecht vermögen auch die Beschwerdeausführungen zur Abfallrahmenrichtlinie nicht herzustellen, weshalb sie sich nicht als zielführend erweisen.

21 4.1. Im Weiteren zieht die Beschwerde die Erforderlichkeit der von der belangten Behörde nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 aufgetragenen Sanierungsmaßnahmen in Zweifel und bringt dazu mit Blick auf den von der Behörde bejahten objektiven Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AWG 2002 Folgendes vor:

22 Soweit die belangte Behörde mit dem kontaminierten Erdreich argumentiere, könne dieses selbst - wenn es Abfall sei - nicht gleichzeitig auch als Schutzinteresse herangezogen werden, weil nach § 73 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 eindeutig zwischen den zu behandelnden Abfällen einerseits und den zu schützenden öffentlichen Interessen andererseits zu unterscheiden sei. Zum Schutz des Grundwassers wiederum sei die aufgetragene Sanierung durch Aushub des kontaminierten Erdreichs nicht nach § 73 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 geboten, weil auch nach den von der belangten Behörde zugrunde gelegten Ausführungen des Amtssachverständigen für Gewässerschutz von einer "konkreten Gefahr der Beeinträchtigung des Grundwassers" keine Rede sein könne. Hinsichtlich der vom Amtssachverständigen als einzige Gefahrenquelle angesehenen Mobilisierung der Kontamination im Falle einer Baugrube durch Zutritt von Niederschlagswasser sei es ausreichend, die Baugrubensohle mit Folie abzudecken und die Niederschlagswässer abzuleiten, was - wie auch vom Amtssachverständigen ausdrücklich bestätigt - dem Stand der Technik entspreche.

23 4.2. Voraussetzung für die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist, dass die in Rede stehenden Materialien Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind. Abfall liegt vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2011/07/0080, mwN).

24 Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid (auch) auf das Vorliegen des objektiven Abfallbegriffs.

25 Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 aus. Es kommt daher nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. März 2013, Zl. 2010/07/0175, mwN, sowie vom 23. April 2015, Zl. 2013/07/0043).

26 Angesichts dessen, dass die belangte Behörde auf sachkundiger Grundlage schlüssig dargelegt hat, dass eine weitere Ausdehnung der Kontamination mit Kohlenwasserstoffen (auch) in den Grundwasserbereich jedenfalls möglich ist, begegnet die Annahme der belangten Behörde, die schadlose Behandlung der Abfälle sei zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen im Sinn des § 1 Abs. 3 AWG 2002 geboten, schon mit Blick auf das öffentliche Interesse am Schutz der Umwelt vor einer möglichen Verunreinigung "über das unvermeidliche Ausmaß hinaus" im Sinn des § 1 Abs. 3 Z. 4 AWG 2002 keinen Bedenken (vgl. das zu insofern vergleichbaren Bestimmungen ergangene hg. Erkenntnis vom 9. November 2006, Zl. 2003/07/0083). Dies gilt auch für die von der belangten Behörde angenommene Möglichkeit einer Gefährdung des Grundwassers (vgl. § 1 Abs. 3 Z. 2 AWG 2002), sind doch schon sehr kleine Verluste an Benzin geeignet, das Grundwasser nachhaltig zu beeinflussen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2003, Zl. 2002/07/0133).

27 Zu dem in der Beschwerde erkennbar auch mit Blick auf die (wirtschaftliche) Zumutbarkeit und Adäquanz der aufgetragenen Maßnahmen erstatteten Vorbringen zu einer alternativen Möglichkeit des Schutzes vor Kontamination durch Niederschlagswässer aus einer Baugrube ist zunächst auszuführen, dass zwar bei einem Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 nach der hg. Rechtsprechung eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und Adäquanz vorzunehmen ist; es handelt sich dabei aber nicht um eine subjektive, auf die finanzielle Situation des Verpflichteten abstellende, sondern um eine objektive Zumutbarkeit im Sinn einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg (vgl. etwa den Beschluss vom 25. September 2014, Zl. Ro 2014/07/0080, sowie das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2011/07/0080).

28 In eine solche Prüfung der Verhältnismäßigkeit könnte hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin präferierten Variante (bloß) einer Sicherung einer allfälligen Baugrube mittels Abdeckung durch eine Folie und Ableitung der Niederschlagswässer nur dann eingetreten werden, wenn auf diese Weise der anzustrebende Erfolg der Vermeidung von Beeinträchtigungen der in § 1 Abs. 3 (Z. 2 und 4) AWG 2002 genannten öffentlichen Interessen im gleichen Maß hergestellt werden könnte wie durch die von der belangten Behörde angeordneten Maßnahmen. Davon ist allerdings angesichts der von der belangten Behörde gestützt auf das Gutachten des Amtsachverständigen vom 2. März 2012 vertretenen Auffassung, im konkreten Fall sei die Sanierung durch Bodenaushub fachlich geboten, nicht auszugehen.

29 5.1. Im Weiteren bringt die Beschwerde vor, der erteilte Auftrag sei nicht ausreichend bestimmt gefasst; insbesondere lasse er offen, bis in welche Tiefe ein Aushub durchzuführen sei. Auch bleibe völlig offen, welche konkreten Maßnahmen getroffen werden müssten, um die Sicherheit der umliegenden Bauwerke und Einbauten zu gewährleisten. Außerdem hätte die belangte Behörde in Punkt 7. des Bescheidspruchs nicht vorgegeben, ob und bis zu welchem Ausmaß und mit welchem Verfüllmaterial die Aushubgrube wieder verfüllt werden müsse.

30 5.2. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der vorliegend erteilte Auftrag in seinem Punkt 1. den abzutragenden Bereich grundsätzlich auch unter Hinweis auf den einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Lageplan genau umschreibt und durch Festlegung eines Parameters weiters bestimmt, welches Bodenmaterial darüber hinaus als kontaminiert zu entfernen ist. Hinsichtlich der zum Schutz umliegender Bauwerke und Einbauten erforderlichen Maßnahmen (Spruchpunkt 3.) sieht der Spruch des angefochtenen Bescheides die Abstimmung mit einer zu bestellenden unabhängigen Fachperson aus dem Gebiet der Geotechnik vor. Die Beschwerdeausführungen geben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der insoweit maßgebliche Inhalt des Bescheidspruchs unter Zuziehung dieser Fachperson objektiv eindeutig erkennbar ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 92, sowie etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, Zl. 2000/07/0254 = VwSlg. 15.561A).

31 Soweit die Beschwerde mangelnde Bestimmtheit des Punktes 7. des Spruchs des angefochtenen Bescheides behauptet, sei darauf verwiesen, dass mit diesem Spruchpunkt kein Leistungsbefehl ausgesprochen, sondern lediglich die Modalität für eine Verfüllung der Baugrube festgelegt wird.

32 6. Schließlich behauptet die Beschwerde, es sei unmöglich, den in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides erteilten Auftrag, Bodenmaterial bis zu einer Tiefe von 10 m abzutragen, zu erfüllen, weil die Tunnelröhre der U-Bahn in lediglich 8 m Tiefe führe. Dieser Vorwurf verfängt mit Blick auf die in Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides getroffene Vorsorge für die Sicherheit auch der U-Bahn-Trasse nicht.

33 7. Die sich aus diesen Gründen als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Mai 2016

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