VwGH 2013/02/0227

VwGH2013/02/022731.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des M T in T, vertreten durch Dr. Erich Pfanzelt, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Griesgasse 5/III, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol 1. vom 17. Dezember 2012, Zlen. uvs- 2012/17/1075 bis 1077-4, (protokolliert zur hg. Zl. 2013/02/0228), betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, und 2. vom 19. Dezember 2012, Zlen. uvs-2012/33/1043-4, 1044-4, 1045- 4 und 1046-4 (protokolliert zur hg. Zl. 2013/02/0227), betreffend Übertretungen der StVO (weitere Parteien: Tiroler Landesregierung und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

I.: Die Beschwerde wird zu 1. hinsichtlich der Bestrafungen nach dem KFG (im Straferkenntnis vom 13. März 2012 zur Zl. VK- 33734-2011) als unbegründet abgewiesen.

II.: Im Übrigen werden der angefochtene Bescheid zu 2. zur Gänze und der angefochtene Bescheid zu 1. hinsichtlich der Bestrafungen nach der StVO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe als Lenker des auf ihn zugelassenen Pkw am 7. August 2011 zwischen 00:32 Uhr und 00:34 Uhr unter anderem insgesamt sieben Übertretungen der StVO begangen.

Den Bestrafungen wegen dieser Übertretungen nach der StVO ging eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG der BH I vom 19. September 2011 voran, in der der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer aufgefordert wurde, bekannt zu geben, wer am 7. August 2011 um 00:32 Uhr sein Fahrzeug gelenkt habe.

Fristgerecht hat der Beschwerdeführer der Behörde seinen Vater als Lenker bekannt gegeben.

Mit - einer hier nicht gegenständlichen - Strafverfügung vom 6. April 2012 wurde der Beschwerdeführer schuldig erachtet, zwar eine Auskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG innerhalb der gesetzlichen Frist erteilt zu haben, jedoch eine Person - seinen Vater - bekannt gegeben zu haben, die das Fahrzeug an diesem Tattag und zu dieser Tatzeit nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht gelenkt habe. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von EUR 160,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.

Das nach Einspruch des Beschwerdeführers bestätigende Straferkenntnis vom 2. April 2012 hat die belangte Behörde auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16. August 2012 behoben und das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

Nach der Begründung habe sich auf Grund der Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Vaters ergeben, dass der Beschwerdeführer zum angefragten Tatzeitpunkt am 7. August 2011 das Fahrzeug nicht gelenkt habe, sondern vielmehr in T. in einem Lokal bei einer Geburtstagsfeier gewesen sei. An diesem Abend habe er sein Fahrzeug nicht in Betrieb genommen. Auf Grund der Lenkeranfrage habe er innerhalb der Familie nachgefragt, wer zu diesem Zeitpunkt mit dem Fahrzeug gefahren sei. Sein Vater habe ihm mitgeteilt, dass er das Fahrzeug an diesem Abend benutzt habe. Dieser habe angegeben, etwas planlos in der Gegend herumgefahren zu sein, weil zu jenem Zeitpunkt sein Vater gerade schwer krank gewesen und kurz nach dem gegenständlichen Vorfall verstorben sei. Den Angaben des Beschwerdeführers und seines Vaters sei deshalb Glauben zu schenken gewesen, da kein Grund ersichtlich sei, warum sich der Vater des Beschwerdeführers selbst belasten und einer verwaltungsbehördlichen Strafverfolgung aussetzen sollte, lediglich um die Angaben seines Sohnes zu decken. Wenn Revierinspektor G. im erstinstanzlichen Verfahren angegeben habe, dass ihm gegenüber der Beschwerdeführer eingestanden habe, seinerzeit das Fahrzeug gelenkt zu haben, so möge dies zutreffen, was jedoch noch nicht bedeute, dass die vom Beschwerdeführer erst danach erteilte Lenkerauskunft falsch gewesen sei.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde nach Durchführung einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung hinsichtlich aller Verfahren die Geldstrafen zu 2. herabgesetzt und im Übrigen den Berufungen hinsichtlich der Gründe der Bestrafungen keine Folge gegeben.

In der Begründung ist die belangte Behörde - anders als im eben dargestellten Verfahren nach § 103 Abs. 2 KFG - zu 1. und zu

2. von der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers zu den Tatzeitpunkten am 7. August 2011 zwischen 00:32 Uhr und 00:34 Uhr ausgegangen. Beweiswürdigend legte sie dabei die Aussage des RI G. zu Grunde, wonach dieser zur Ausforschung eines einer anderen Tat beschuldigten Zulassungsbesitzers zur Firma K. gefahren sei. Dort habe er auch den Beschwerdeführer angetroffen, dessen Pkw in der Nähe abgestellt gewesen sei. RI G. habe den Beschwerdeführer gefragt, wer der Fahrzeuglenker dieses Pkws sei und der Beschwerdeführer habe ihm mitgeteilt, dass er der Zulassungsbesitzer sei. Zunächst habe der Beschwerdeführer bestritten, dass er 7. August 2011 abends der Lenker gewesen sei. Dann habe er zugegeben, am 7. August 2011 abends das Fahrzeug gelenkt zu haben.

Die Angaben des Vaters des Beschwerdeführers im oben genannten Verfahren hinsichtlich der Lenkerauskunft wertete die belangte Behörde zu 1. als "wenig hilfreich, nicht aussagekräftig und unglaubwürdig". Die Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers sei im Verfahren auch nicht mehr angeboten worden, sodass diese habe unterbleiben können. Die Einvernahme des als Zeugen namhaft gemachten K. sei abgewiesen worden, da dieser zur Diskussion zwischen dem Beschwerdeführer und RI G. keine Angaben hätte machen können. Im zu 2. angefochtenen Bescheid setzte sich die belangte Behörde mit den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers im Verfahren hinsichtlich der Lenkerauskunft nicht auseinander.

Gegen diese Bescheide hat der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom 16. September 2013, B 230, 231/2013, ihre Behandlung abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde hat der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.: Mit dem im Instanzenzug ergangenen zu 1. angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach angeführten Kraftfahrzeuges wegen Übertretungen des KFG mit Geldstrafen von je EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden) bestraft.

Die vorliegende Beschwerde enthält nur Ausführungen zu den in

1. und 2. bestraften Übertretungen der StVO, bei denen es wiederum ausschließlich um die Frage der Lenkereigenschaft in den vorgeworfenen Zeitpunkten geht, während der zu 1. für die Bestrafungen nach dem KFG (Straferkenntnis vom 13. März 2012 zur Zl. VK-33734-2011) wesentliche Zulassungsbesitz durch den Beschwerdeführer nicht bestritten wurde.

Die Beschwerde war insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

II.: Der Beschwerdeführer ist mit seiner Behauptung, das Unterlassen der Einvernahme seines Vaters sowie des Zeugen K. durch die belangte Behörde stelle einen relevanten

Verfahrensmangel dar, aus folgenden Gründen im Recht:

Die belangte Behörde hat sich zwar zu 1. mit der Aussage des Vaters des Beschwerdeführers im Verfahren zur Lenkeranfrage beschäftigt, hat es allerdings unterlassen, über eine verfahrenswesentliche Frage selbst Beweis aufzunehmen. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit ist nämlich nur nach deren Aufnahme (durch die Behörde) möglich. Die belangte Behörde hätte sich im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht mit einem mittelbaren Beweis zufrieden geben dürfen, wenn der Aufnahme des unmittelbaren Beweises kein tatsächliches Hindernis entgegen steht (vgl. das Erkenntnis etwa vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0282). Unmittelbarkeit im Hinblick auf die Aussage eines Zeugen bedeutet die Einvernahme vor der erkennenden Behörde.

Die belangte Behörde hat vorliegend keine Gründe angeführt, die einer Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers entgegengestanden wären. Wegen der Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes bedurfte es auch keines ausdrücklichen Antrages auf Einvernahme dieses Zeugen.

Auch hätte die belangte Behörde den namhaft gemachten Zeugen K. einvernehmen müssen. Die Begründung der belangten Behörde für die Abstandnahme von der Einvernahme des namhaft gemachten Zeugen K. entspricht nämlich nicht dem Akteninhalt, weil nach dem in der mündlichen Verhandlung bei der belangten Behörde gestellten Beweisantrag keine Rede davon ist, dass der beantragte Zeuge nicht während des gesamten Gespräches mit RI G. anwesend gewesen sei.

Die belangte Behörde hat demnach Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die angefochtenen Bescheide waren daher in dem aus dem Spruchpunkt II. ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß §§ 3 und 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014 auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das darüber hinausgehende Kostenbegehren war mangels gesetzlicher Deckung abzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2014

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