VwGH 2012/22/0266

VwGH2012/22/026619.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde der S in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. August 2012, Zl. 162.133/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) die erstinstanzliche Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Kamerun, vom 3. Oktober 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 8. Oktober 2005 illegal eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag eingebracht, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19. Oktober 2009 abgewiesen worden sei.

Am 3. Oktober 2011 habe die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag eingebracht und damit begründet, dass sie sich seit 2005 in Österreich befinde. Derzeit würde sie an der M-Universität ihrem Studium nachgehen. Außerdem wäre die Beschwerdeführerin sozial integriert und würde über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügen. Ebenso habe die Beschwerdeführerin eine Einstellungszusage der Firma S.F. vorgelegt, wonach sie nach Ausstellung eines geeigneten Aufenthaltstitels als Reinigungskraft mit einem monatlichen Nettoverdienst von EUR 1.053,98 eingestellt werden würde.

Die Behörde führte weiters aus, dass seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich illegal sei. Mit der Ablehnung des Asylantrages sei auch die Ausweisung der Beschwerdeführerin ausgesprochen worden. Es sei nicht erkennbar, dass familiäre Bindungen zum österreichischen Bundesgebiet bestünden, zumal sich sämtliche Familienangehörige in Kamerun befänden.

Die Beschwerdeführerin habe zwar an der M-Universität ein Studium begonnen, welchem sie bis zum Sommersemester 2011 nachgegangen sei, allerdings sei eine Inskription für das Wintersemester 2011/2012 nicht aktenkundig.

In Ermangelung eines gültigen Reisedokumentes habe die Bundespolizeidirektion Leoben im März 2011 bei der Vertretung von Kamerun ein Ersatzreisedokument beantragt. In weiterer Folge habe sich jedoch herausgestellt, dass von der zuständigen Behörde Kameruns bereits im September 2010 ein gültiges Reisedokument für die Beschwerdeführerin ausgestellt worden sei. Dieses Reisedokument sei der Beschwerdeführerin auch tatsächlich ausgefolgt worden, zumal sie es im Zuge der Antragstellung am 3. Oktober 2011 vorgelegt habe. Es sei ihr somit möglich gewesen, das österreichische Bundesgebiet selbstständig zu verlassen und es sei ihr dies mehrmals durch die zuständige Bundespolizeidirektion zur Kenntnis gebracht worden. Den Besitz des Reisedokumentes habe die Beschwerdeführerin verschwiegen und somit die Behörde über die tatsächlichen Verhältnisse getäuscht.

Im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK führte die Behörde im Ergebnis aus: "Aufgrund der Tatsache, dass kein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung festgestellt werden konnte, war Ihre Berufung abzulehnen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im August 2012 sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011, anzuwenden.

Die Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG erfordert u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Festzuhalten ist, dass die erstinstanzliche Behörde den Antrag nicht gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückgewiesen hat.

Gemäß dieser Bestimmung ist ein Antrag wie der gegenständliche u.a. dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Die belangte Behörde bestätigte den erstinstanzlichen Ausspruch über die Abweisung des gegenständlichen Antrages.

In der Bescheidbegründung führte die Behörde zwar aus, dass die erstinstanzliche Behörde die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung gemäß Art. 8 EMRK erkannt habe. Im Gegensatz dazu verwies sie in der Bescheidbegründung abschließend darauf, dass "seit Erlassung der Ausweisung" kein maßgeblich geänderter Sachverhalt habe festgestellt werden können und deswegen die Berufung abzuweisen sei. Mit diesem ausdrücklichen Ausspruch hat sie die Rechtslage verkannt, weil bei einer Gesamtbeurteilung alle relevanten Umstände seit der Einreise zu berücksichtigen sind.

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Das Mehrbegehren in Bezug auf den Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand, in dem die begehrte Umsatzsteuer enthalten ist, abzuweisen.

Wien, am 19. November 2014

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