Normen
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25 Abs2;
EURallg;
FrPolG 2005 §88 Abs1 Z6;
FrPolG 2005 §88 Abs2 Z2 idF 2009/I/122;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25 Abs2;
EURallg;
FrPolG 2005 §88 Abs1 Z6;
FrPolG 2005 §88 Abs2 Z2 idF 2009/I/122;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Somalias, war in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm wiederholt, eine - zuletzt bis zum 22. November 2012 befristete - Aufenthaltsberechtigung erteilt worden.
Mit Eingabe vom 20. Juni 2011 beantragte er die Ausstellung eines Fremdenpasses. Er brachte dazu vor, seine schwer (an Diabetes und einem Nierenleiden) erkrankte Mutter, die sich zum Zweck einer bevorstehenden risikoreichen (in Somalia nicht durchführbaren) Operation in einem Krankenhaus in Äthiopien befinde, wiedersehen und sich um sie kümmern zu wollen. Gleichzeitig könnte er bei dieser Reise seine Ehefrau, die sich seit Mai 2011 in Äthiopien aufhalte, und vier Geschwister besuchen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 88 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab. Begründend führte sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, der Wunsch, die erkrankte Mutter zu besuchen und - wie der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren ergänzt habe - sie vor der Operation sowie während des anschließenden Heilungsverlaufs "mental und physisch" zu unterstützen, rechtfertige nicht die Annahme humanitärer Gründe im Sinne der zitierten Bestimmung. Dies gelte umso mehr, weil laut Mitteilung seines Rechtsvertreters vom 17. Juli 2012 "die Operation bereits durchgeführt wurde und demnach die anschließende Pflege (der) Mutter offenbar in … Abwesenheit (des Beschwerdeführers) anderweitig gewährleistet sein muss bzw. wird". Eine substantiierte Darlegung der im Zeitraum danach für die Ausstellung eines Fremdenpasses sprechenden schwerwiegenden humanitären Gründe sei ebenso unterblieben wie die Behauptung, dass sich die Mutter "in einem lebensbedrohlichen Zustand" befinde. Ebenso vermöge der Wunsch, die Ehefrau und seine vier Geschwister zu besuchen, "keine humanitäre Gründe zu begründen". Die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 Z 2 FPG seien somit insgesamt nicht erfüllt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 88 Abs. 2 Z 2 FPG, zuletzt geändert durch das FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122, können Fremdenpässe auf Antrag für Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, ausgestellt werden, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten.
Der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach ein bloßer Verwandtenbesuch, selbst wenn es sich um die eigene (auch nach ihrer Operation unbestritten kranke und fortdauernd pflegebedürftige) Mutter handle, keinen humanitären Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 Z 2 FPG darstelle, ist nicht zuzustimmen. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0373 (ergangen zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005) bereits ausgesprochen, dass "humanitäre Gründe" im Sinne dieser Bestimmung gegeben sein können, wenn der Besuch der erkrankten Mutter beabsichtigt ist. Auch im hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zl. 2009/22/0232, wurde festgehalten, dass der Wunsch, einen erkrankten Verwandten (in jenem Fall den Vater) besuchen zu können, jedenfalls bei entsprechend intensivem Naheverhältnis einem humanitären Bedürfnis entspringen und die Ausstellung eines Fremdenpasses rechtfertigen könne (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, Zl. 2010/22/0139, zum Anspruch eines nicht sorgeberechtigten Elternteiles auf Besuche und Kontakt mit seinen Kindern, sowie das hg. Erkenntnis vom 6. September 2012, Zl. 2012/18/0030, zum Besuch der erkrankten Mutter). Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter - unter Berücksichtigung der langen Trennung - kein Naheverhältnis bestehe, ergeben sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus den Verfahrensakten.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass § 88 Abs. 2 Z 2 FPG lediglich auf das Vorliegen "humanitärer Gründe" abstellt und daher über den durch Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG vorgegebenen Mindeststandard ("schwerwiegende humanitäre Gründe") geringfügig hinausgegangen ist (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zl. 2009/22/0232, mwN).
Dass die Ausstellung eines Fremdenpasses "aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten wäre", hat die belangte Behörde nicht ins Treffen geführt; dafür ergeben sich auch keine Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt.
Indem die belangte Behörde dennoch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses verneinte, hat sie die Rechtslage unrichtig beurteilt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4, 5 und 6 VwGG unterbleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 19. März 2013
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