Normen
FrÄG 2011;
FrG 1993 §88 Abs5;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 ;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §44;
FrPolG 2005 §125 Abs16 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §62 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §63 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 Abs1 Z2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §69 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwRallg;
FrÄG 2011;
FrG 1993 §88 Abs5;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 ;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §44;
FrPolG 2005 §125 Abs16 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §62 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §63 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 Abs1 Z2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §64 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §69 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die - im Devolutionsweg zuständig gewordene - belangte Behörde (nach Durchführung einer Verhandlung) den Antrag des Beschwerdeführers, eines bosnischen Staatsangehörigen, der zuvor auf Grund eines unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden - vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) erlassenen, seit 25. Juli 2006 rechtskräftigen - Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab.
Dies begründete sie - auf das hier Entscheidungswesentliche kurz zusammengefasst - damit, dass der Beschwerdeführer - näher dargestellte - strafbare Handlungen (aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass es sich dabei um insgesamt 28 im Dezember 2004 und Jänner 2005 erfolgte Raubüberfälle gehandelt hat, wobei in einem Fall das Opfer durch einen Messerstich in den Brustkorb schwer verletzt wurde) begangen habe. Im Hinblick auf die Tathandlungen sei selbst unter Berücksichtigung der seit den Taten vergangenen Zeit und des nunmehr (wegen der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin) heranzuziehenden Maßstabes des § 67 Abs. 1 FPG das (Weiter‑)Bestehen der darin genannten Gefährdung zu bejahen. Der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Freiheit von etwa einem Jahr sei noch zu gering, um vom Wegfall oder von einer maßgeblichen Minderung der von ihm herrührenden Gefahr ausgehen zu können.
Auch die familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprächen nicht gegen die Aufrechterhaltung der fremdenpolizeilichen Maßnahme.
Im Rahmen der Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK wies die belangte Behörde auch darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1988 geboren und im Jahr 1992 nach Österreich gekommen sei. Seit der zu dieser Zeit erfolgten Einreise habe er sich, abgesehen von einem etwa einjährigen zwischenzeitlichen Aufenthalt bei seiner Großmutter in Bosnien, durchgehend in Österreich aufgehalten. Bei diesen Feststellungen ging die belangte Behörde zweifelsfrei erkennbar von der Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers aus, wonach sie selbst im Jahr 1991 als "Kriegsflüchtling" nach Österreich gekommen sei und im Jahr 1992 ihre drei Kinder - darunter auch den Beschwerdeführer - nachgeholt habe. Aus ihren Ausführungen ergibt sich weiters, dass sie zwar den genauen Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers nicht angeben konnte. Jedoch sei der Beschwerdeführer ihren Angaben zufolge zur Zeit seiner Einreise in das Bundesgebiet (bereits) vier Jahre alt gewesen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (20. März 2012) das FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 zur Anwendung gelangt.
§ 64 Abs. 1 und § 69 Abs. 2 FPG (jeweils samt Überschrift)
lauten:
"Aufenthaltsverfestigung
§ 64. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf
Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält,
darf eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß
§ 63 nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen
Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des
Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen
hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier
langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
…
Gegenstandslosigkeit und Aufhebung
§ 69. …
(2) Eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot sind auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind."
Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass er im Jahr 1992 nach Österreich gekommen sei und sich seitdem - abgesehen von einer kurzen Unterbrechung - durchgehend in Österreich aufgehalten habe. Somit sei auf Grund der "nunmehr bestehenden gesetzlichen Bestimmungen (…) ein Aufenthaltsverbot gar nicht mehr möglich gewesen". Dies hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen.
Zunächst ist festzuhalten, dass § 64 FPG trotz seines nur auf § 62 und § 63 FPG Bezug nehmenden Wortlautes - zur Vermeidung von nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen - auch auf § 67 FPG unterliegende Fälle Anwendung zu finden hat (vgl. Pkt. 7.3. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 9. November 2011, 2011/22/0264).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267, Pkt. 4.2. der Entscheidungsgründe).
Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass sich die belangte Behörde mit den Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 FPG - hier von der Beschwerde ihrem Inhalt nach ins Treffen geführt: § 64 Abs. 1 Z 2 FPG - hätte befassen müssen.
§ 64 Abs. 1 FPG nimmt nach seinem Wortlaut Bezug auf sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde. Insoweit läge diese Voraussetzung, bezöge man sie auf den Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde, nicht vor, weil der Beschwerdeführer sich zu dieser Zeit entgegen des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Der ihm früher erteilte unbefristet gültige Aufenthaltstitel war mit der am 25. Juli 2006 eingetretenen Rechtskraft des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 10 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ungültig geworden.
Es stellt sich allerdings - vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes über einen unbefristet gültigen Aufenthaltstitel verfügt hat - die Frage, auf welchen Zeitpunkt die in § 64 Abs. 1 FPG enthaltene Wendung "auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält" tatsächlich Bezug nimmt, und ob im vorliegenden Fall schon das Nichterfüllen dieses Tatbestandselementes einer auf § 64 Abs. 1 FPG gegründeten Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes entgegenstand.
Die Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG ist letztlich auf § 38 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 - FrG (dieses Gesetz ist am 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten) zurückzuführen. Danach durfte gegen rechtmäßig niedergelassene Fremde ein Aufenthaltsverbot (in Bezug auf Ausweisungen fand sich eine gleichartige Bestimmung in § 35 Abs. 4 FrG) nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen war. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FrG (abgedruckt etwa in Jelinek/Szymanski, Fremdengesetz 1997, Asylgesetz 1997, Bosniergesetz, 2. Auflage, 84) hielten zur Neuschaffung dieser Vorschrift Folgendes fest:
"Das neue Aufenthaltsverbot - Verbot der Z 4 soll den besonderen Umständen Rechnung tragen, wenn ein Fremder von klein auf im Inland aufgewachsen ist und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. In diesen Fällen würde ein Aufenthaltsverbot überaus nachhaltig in die Lebensbasis des Fremden eingreifen, wobei solche Fremde - auch in ihrem 'Heimatstaat' - kaum wieder eine Heimat finden werden können. Von klein auf im Inland aufgewachsen werden Fremde sein, deren Aufenthaltsrecht noch im Kleinkindalter (2. bis 3. Lebensjahr oder früher) begründet wurde.
Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, daß viele Fremde der zweiten Generation entweder bereits in Österreich geboren wurden, oder mit ihren Eltern als Kind nach Österreich gekommen sind. Im einzelnen wird festgelegt, daß Fremde, die hier von klein auf langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, dann nicht mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden dürfen, wenn sie mindestens die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und vor Begehung der Tat, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde, mindestens seit drei Jahren im Bundesgebiet niedergelassen waren. Zur Erklärung sei ein Beispiel angeführt:
(…)"
Mit Einführung des FPG (Inkrafttreten am 1. Jänner 2006, BGBl. I Nr. 100/2005) wurde diese Anordnung in § 61 Z 4 FPG im Wesentlichen beibehalten. Es wurde lediglich die Einschränkung ergänzt, dass, selbst wenn die Kriterien "von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen" erfüllt waren, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes doch wieder zulässig war, wenn der Fremde wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt oder einer der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 FPG beschriebenen Tatbestände verwirklicht wurde.
Die grundsätzliche Beibehaltung, aber gleichzeitige Einschränkung dieses "Aufenthaltsverbot-Verbot"-Grundes wird in den Erläuterungen der RV zur Stammfassung des § 61 FPG (RV 952 BlgNR 22. GP 100) wie folgt begründet:
"Das Aufenthaltsverbotsverbot der Z 4 sollte bereits im Fremdengesetz 1997 den besonderen Umständen Rechnung tragen, wenn ein Fremder von klein auf im Inland aufgewachsen ist und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. In diesen Fällen würde ein Aufenthaltsverbot überaus nachhaltig in die Lebensbasis des Fremden eingreifen, wobei solche Fremde auch in ihrem 'Heimatstaat' nur unter erschwerenden Bedingungen wieder eine Heimat finden werden können. Zur Beurteilung wann ein Fremder langjährig im Bundesgebiet niedergelassen ist, wird auf § 55 Abs. 4 2. Satz verwiesen. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass viele Fremde der zweiten Generation entweder bereits in Österreich geboren wurden oder mit ihren Eltern als Kind nach Österreich gekommen sind.
Der Entwurf sieht im Gegensatz zum Fremdengesetz 1997 keine absolute Aufenthaltsverfestigung mehr vor. Fremde, die schwere Straftaten begehen - es muss eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren oder ein terroristischer Tatbestand vorliegen (§ 60 Abs. 2 Z 12 bis 14) - sollen künftig auch mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden können. Im Rahmen der Einzelfallprüfung (ist) das Vorliegen der Kautelen des Art. 8 EMRK zu prüfen und eine Verhältnismäßigkeitsabwägung vorzunehmen."
Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) wurde der hier in Rede stehende "Aufenthaltsverbot-Verbot"- Grund im nunmehrigen § 64 FPG geregelt. Im Wesentlichen - in erster Linie abgesehen von legistischen Anpassungen an die mit dem FrÄG 2011 eingeführte Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen - entspricht die nunmehrige Fassung des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG wieder der Rechtslage des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG.
Zu § 64 enthalten die Erläuterungen der Regierungsvorlage zum FrÄG 2011 (RV 1078 BlgNR 24. GP 34) lediglich folgende Ausführungen:
" Mit § 64 wurden die Aufenthaltsverfestigungstatbestände der geltenden Rechtslage in die neue Systematik des 8. Hauptstückes übergeleitet. In sachgerechter Weise wurden die Aufenthaltsverfestigungstatbestände der bisherigen §§ 55 und 56 und die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 61 der geltenden Rechtslage für diese Personengruppe zusammengeführt und wurde der Inhalt angepasst. Siehe ausführlich die Erläuterungen zu RV 952 XXIV. GP und RV 485 XXIV. GP."
Aus diesen Erläuterungen zum FrÄG 2011 und dem darin enthaltenen Hinweis auf die Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 (beim diesbezüglichen Anführen der 24. GP handelt es sich um ein offenkundiges Redaktionsversehen; die weiters erwähnte RV 485 BlgNR 22. GP betraf die Schaffung des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes und bloße damit verbundene legistische Anpassungen des FPG) ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber, ausgehend davon, dass auch schon die Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 auf die Gründe zur Schaffung des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG verwiesen haben, mit dem nunmehrigen § 64 Abs. 1 Z 2 FPG genau jenes Ziel verfolgt, das schon mit der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG - und mit Einschränkungen auch mit § 61 Z 4 FPG idF vor dem FrÄG 2011 - verfolgt wurde. Dabei hat der Gesetzgeber aber mit dem FrÄG 2011 jene zu Lasten Fremder gehenden Einschränkungen des zuvor geltenden § 61 Z 4 FPG, wonach unter bestimmten Umständen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dennoch zulässig war, wieder beseitigt.
Vor diesem Hintergrund ist zum Ergebnis zu kommen, dass der nunmehrige "Aufenthaltsverbot-Verbot"-Grund des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG - so wie die Vorgänger-Regelungen - den besonderen Umständen Rechnung tragen soll, wenn ein Fremder von klein auf im Inland aufgewachsen ist und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. In diesen Fällen würde - so die Wortwahl in den Materialien - ein Aufenthaltsverbot überaus nachhaltig in die Lebensbasis des Fremden eingreifen, wobei solche Fremde - auch in ihrem (bloß nach ihrer Staatsangehörigkeit bestimmten) "Heimatstaat" - kaum wieder eine Heimat finden werden können. Bei der Beurteilung, ob dieser "Aufenthaltsverbot-Verbot"-Grund zur Anwendung gelangt, kommt es nunmehr, anders als nach § 61 Z 4 FPG in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung, nicht mehr darauf an, ob der Fremde Verurteilungen in bestimmtem Ausmaß oder näher beschriebene Verhaltensweisen zu verantworten hat.
Ausgehend von diesem Ziel, das der Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgt, kann aber nun nicht gesagt werden, im Fall der Beurteilung, ob ein nach dem FPG in der bis 30. Juni 2011 geltenden Fassung erlassenes Aufenthaltsverbot auch nach der nunmehrigen Rechtslage aufrechterhalten werden darf, hätte sich das hier in Rede stehende in § 64 Abs. 1 FPG enthaltene Tatbestandsmerkmal "auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält" auf die Zeit nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu beziehen. Vielmehr muss, um das Ziel des Gesetzgebers, jene Personen, denen ihr nach ihrer Staatsangehörigkeit bestimmtes Heimatland wegen ihres auf Grund (nahezu) ausschließlichen Aufenthaltes in Österreich tatsächlich keine "Heimat" darstellt, vor einer Aufenthaltsbeendigung zu schützen, nicht zu unterlaufen, davon ausgegangen werden, dass dieses Tatbestandsmerkmal bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu prüfen ist. Andernfalls könnten diese Fremden an sich nie (wohl nur dann, wenn ihnen entgegen § 11 Abs. 1 Z 1 NAG ein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre) in den Genuss dieser Regelung kommen, was aber zur Folge hätte, dass auch solchen Fremden, die der Gesetzgeber nunmehr "absolut" vor einer Aufenthaltsbeendigung aus den oben genannten Gründen schützen wollte, die Außerlandesschaffung in ein Land, das nicht als ihre "Heimat" betrachtet werden kann, drohen würde.
Dieser Sichtweise stehen auch weder die mit dem FrÄG 2011 geschaffenen noch die - allenfalls für die Interpretation der nunmehrigen Bestimmungen zu berücksichtigenden - früheren Übergangsbestimmungen des FrG entgegen.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG oder Rückkehrverbote gemäß § 62 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Dies bezieht sich auch auf nach dem vormaligen § 86 FPG erlassene Aufenthaltsverbote (vgl. zur Frage der Weitergeltung von vor dem Inkrafttreten des FrÄG 2011 erlassenen Aufenthaltsverboten ausführlich das hg. Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2012/21/0159).
Dies bedeutet aber für die hier zu klärende Frage lediglich, dass solche Aufenthaltsverbote rechtlich existent bleiben, solange sie nicht in ihrer Gültigkeit abgelaufen sind, nach § 69 Abs. 2 FPG aufgehoben wurden oder nach sonstigen - fallbezogen aber nicht relevanten - gesetzlichen Vorschriften als nicht (mehr) bestehend anzusehen sind. Für die Interpretation der in § 64 Abs. 1 FPG enthaltenen Tatbestandsmerkmale im Rahmen eines Verfahrens nach § 69 Abs. 2 FPG ist somit aus § 125 Abs. 16 FPG nichts zu gewinnen.
Aber auch die Einbeziehung der früher geltenden Bestimmung des § 114 Abs. 3 FrG führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Nach dieser Bestimmung galten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FrG noch nicht abgelaufen waren, als nach dem FrG erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote waren auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergab, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen des FrG nicht hätten erlassen werden können.
Allein bezogen auf die bloße Frage, ob ein Aufenthaltsverbot auf Grund der Bestimmungen des FrG nicht weiter aufrecht erhalten werden durfte, hätte es dieser Vorschrift an sich nicht bedurft, weil bereits § 44 FrG vorsah, dass das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben war, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind (vgl. dazu die Hinweise auf schon zum Fremdengesetz 1992 - auch dieses enthielt in § 26 eine § 44 FrG vergleichbare Bestimmung - ergangene Rechtsprechung, in der ebenfalls Änderungen in der Rechtslage als für die Frage der Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblich angesehen wurde, im bereits angeführten hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012).
Nicht außer Acht gelassen werden darf aber in diesem Zusammenhang, dass § 114 Abs. 3 FrG einerseits eine weitergehende behördliche Pflicht, sich von Amts wegen mit der Frage der Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes nach den Bestimmungen des FrG auseinandersetzen zu müssen, vorsah (arg.: "wenn sich aus anderen Gründen ein Anlaß für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen"). Andererseits knüpfte der Gesetzgeber des FrG aber auch an eine (unter anderem auch) nach § 114 Abs. 3 FrG erfolgte Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes eine besondere Rechtsfolge. § 16 Abs. 2 FrG legte nämlich fest, dass ein Aufenthaltstitel von Gesetzes wegen wieder auflebte, sofern innerhalb seiner ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung anders als gemäß § 44 FrG - somit etwa nach § 114 Abs. 3 FrG - behoben wurde. Vor diesem Hintergrund hat auch der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass § 114 Abs. 3 FrG - anders als § 44 FrG nicht auf eine Änderung der maßgeblichen Umstände nach Erlassung des Aufenthaltsverbots, sondern ausschließlich darauf abgestellt hat, ob der von der belangten Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG diese Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Verhängung gerechtfertigt hätte. § 114 Abs. 3 FrG wollte somit sicherstellen, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG (mit 1. Jänner 1998) Aufenthaltsverbote, die nicht auf der Grundlage dieses Gesetzes hätten erlassen werden können, aufgehoben werden. Dementsprechend war daher bei der Beurteilung nach § 114 Abs. 3 FrG, anders als bei jener nach § 44 FrG, nicht auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen, gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 2004, Zl. 2002/18/0306, mwN).
Auf Grund dieser § 114 Abs. 3 FrG innewohnenden besonderen Stellung einer Aufhebungsanordnung kann aber nun auch nicht gesagt werden, das Unterbleiben der neuerlichen Schaffung einer gleichartigen Bestimmung mit dem FrÄG 2011 würde darauf hindeuten, der Gesetzgeber hätte eine Anwendung des § 64 Abs. 1 FPG in Verfahren zur Aufhebung von vor dem FrÄG 2011 erlassenen Aufenthaltsverboten nach dem nunmehrigen § 69 Abs. 2 FPG ausschließen wollen.
Zusammengefasst kann somit im Hinblick auf das vom Gesetzgeber mit § 64 Abs. 1 Z 2 FPG verfolgte Ziel das dort enthaltene Tatbestandselement "auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält" nur so verstanden werden, dass es nicht nur im Fall der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sondern auch in Verfahren zur Aufhebung eines vor dem FrÄG 2011 erlassenen Aufenthaltsverbotes auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu beziehen ist.
Diese Rechtslage hat die belangte Behörde verkannt und demgemäß das Vorliegen des "Aufenthaltsverbot-Verbot"-Grundes des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG, den der Beschwerdeführer zur Gänze als erfüllt erachtet, nicht näher geprüft.
Dies führt fallbezogen aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Beschwerdeführer verfügte bei Erlassung des hier verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes über einen unbefristet gültigen Aufenthaltstitel und hielt sich zu dieser Zeit auf Grund desselben rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Insoweit ist hier die im Sinn des oben Gesagten darauf Bezug nehmende Voraussetzung des § 64 Abs. 1 FPG erfüllt.
Nach der Rechtsprechung kommt es für die Frage, welches Lebensalter der Wendung "von klein auf" zu subsumieren ist, maßgeblich auf die Integration in das in Österreich gegebene soziale Gefüge sowie auf die Kenntnis der deutschen Sprache an. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises, wie sie für die vom Schutzzweck der hier relevanten Bestimmung geforderte Vertrautheit mit dem sozialen Gefüge eines Staates maßgeblich ist, beginnt aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die "Phase der ersten Verselbständigung" - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die Wendung "von klein auf" so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich eingereist bzw. in Österreich geboren ist, sich jedoch danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht bereits im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen ist" - nicht als erfasst ansehen können. Im Falle von "Heimataufenthalten" des Fremden kommt es darauf an, ob diese in ihrer Gesamtheit dazu geführt haben, dass der Fremde mit diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist und es somit tatsächlich als seine Heimat angesehen werden kann. Dabei kommt es jedenfalls primär auf die Dauer dieser Aufenthalte (in Relation zum Lebensalter des Fremden) an; nicht unwesentlich ist aber auch, in welchen Lebensabschnitt diese Aufenthalte fallen (vgl. zum Ganzen das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, mwN).
Ausgehend von dieser Rechtslage kann nun nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer wäre im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG "von klein auf im Inland aufgewachsen". Nach den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers ist er nämlich im Zeitpunkt seiner Einreise bereits vier Jahre alt gewesen; die Einreise also während seines fünften Lebensjahres erfolgt. Davon ging auch die belangte Behörde erkennbar im Rahmen ihrer Feststellungen aus. Dies steht nach den vorgelegten Verwaltungsakten auch im Einklang mit den im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes getroffenen Feststellungen, aus denen sich ebenfalls ergibt, dass der Beschwerdeführer erst nach Vollendung des vierten Lebensjahres erstmals in das Bundesgebiet eingereist ist. Der Beschwerdeführer erfüllt sohin das Kriterium, von klein auf im Inland aufgewachsen sein zu müssen, nicht. Eine auf § 64 Abs. 1 Z 2 FPG gestützte Aufhebung des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes kam somit nicht in Betracht.
Dass die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG erfüllt gewesen wären, wurde vom Beschwerdeführer - auch der Sache nach - nicht behauptet und ist auch sonst anhand der - nicht bekämpften - behördlichen Feststellungen nicht erkennbar.
Soweit der Beschwerdeführer abschließend noch zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Gefährdungsprognose auf die während seiner Haft durchgeführte Suchtgifttherapie hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die positive Absolvierung der Therapie, sondern auch auf einen entsprechend langen - fallbezogen zweifellos auf Grund der erheblichen und wiederholten Delinquenz des Beschwerdeführers bei Weitem noch zu kurzen - Zeitraum des Wohlverhaltens ankommt, um davon ausgehen zu können, die vom Fremden herrührende Gefährdung sei weggefallen oder als maßgeblich gemindert anzusehen (vgl. auch dazu etwa das schon genannte hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, mwN).
Dass der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zulässig, sonst Fehler unterlaufen wären, zeigt die Beschwerde nicht auf. Solche Fehler sind auch nicht ersichtlich.
Da somit dem angefochtenen Bescheid sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 7. November 2012
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