VwGH 2012/16/0078

VwGH2012/16/007816.10.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde der Aanstalt in Graz, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes Leoben vom 20. Oktober 2011, Zl. 1 Jv 1571/11 t- 33, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GGG 1984 §18 Abs2 Z1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z3;
GGG 1984 §2 Z1 litc;
GGG 1984 §30 Abs2 Z1;
GGG 1984 TP2;
GGG 1984 §18 Abs2 Z1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z3;
GGG 1984 §2 Z1 litc;
GGG 1984 §30 Abs2 Z1;
GGG 1984 TP2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 15. Dezember 2009 beim Landesgericht Leoben eingebrachte Klage der Beschwerdeführerin enthielt ein Leistungsbegehren über EUR 3.241,43 sowie ein mit EUR 7.000,-- bewertetes Feststellungsbegehren, der Gesamtstreitwert war mit EUR 10.241,43 angegeben. Das Erstgericht sprach im Urteil vom 29. Dezember 2010 der Beschwerdeführerin EUR 2.961,11 samt Zinsen zu und stellte die Haftung der beklagten Partei zu einem Drittel für künftige Pflichtaufwendungen der Beschwerdeführerin aus einem Verkehrsunfall fest. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

In der dagegen am 25. Jänner 2011 eingebrachten Berufung gab die Beschwerdeführerin den Berufungsstreitwert mit EUR 4.946,99 an. Auf dieser Grundlage führte die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Leoben am 26. Jänner 2011 einen Gebühreneinzug für die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG in der Höhe von EUR 493,-- durch.

Das Oberlandesgericht Graz gab mit Urteil vom 25. Mai 2011 der Berufung der Beschwerdeführerin Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. In der Kostenentscheidung ging es von einem Berufungsinteresse der Beschwerdeführerin in der Höhe von EUR 2.613,65 aus, welches auf Leistung von EUR 280,32 und Feststellung mit EUR 2.333,30 aufgeschlüsselt wurde.

In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 20. Juni 2011 zu viel entrichtete Pauschalgebühr von EUR 247,-- zurückzuerstatten. Begründend führte sie aus, dass ihr offenkundig ein Berechnungsfehler unterlaufen sei und auf Grund des tatsächlichen Streitwertes laut Berufungsurteil die Pauschalgebühr lediglich EUR 246,-- betragen hätte.

Diesem Antrag gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und führte dazu aus, der Gebühreneinzug sei richtig auf der Grundlage des von der Beschwerdeführerin bewerteten Berufungsinteresses durchgeführt worden. Der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz sei mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift entstanden. Vom Grundsatz, dass die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich bleibe, komme im vorliegenden Fall die Ausnahme nach § 18 Abs. 2 Z 3 GGG zur Anwendung, weil das Rechtsmittelverfahren nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes betroffen habe, der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur ein Geldanspruch sei und eine Bewertung durch den Rechtsmittelwerber in der Rechtsmittelschrift erfolgt sei.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2012, B 1403/11-5, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vorgenommenen Ergänzung der Bescheidbeschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Rückzahlung zu hoch erstatteter Gerichtsgebühren gemäß der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 GGG als verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Dazu erstattete die Beschwerdeführerin noch eine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

Nach § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Betrifft das Rechtsmittelverfahren nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes, so ist in diesem Verfahren gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 GGG für die Berechnung nur der Wert dieses Teiles maßgebend. Ist der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur ein Geldanspruch, so hat ihn der Rechtsmittelwerber in der Rechtsmittelschrift zu bewerten; unterlässt er dies, ist der Bemessung der Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren der ganze Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes zu Grunde zu legen.

Die Pauschalgebühren betragen nach TP 2 GGG (in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010) für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz EUR 246,-- bei einem Berufungsinteresse über EUR 2.000,-- bis EUR 3.500,-- und EUR 493,-

- bei einem Berufungsinteresse über EUR 3.500,-- bis EUR 7.000,--.

Nach § 30 Abs. 2 Z 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.

Aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes zueinander ist davon auszugehen, dass der Begriff des Berufungsinteresses in TP 2 GGG mit jenem des Wertes des (Teiles des ursprünglichen) Streitgegenstandes im Sinn des § 18 Abs. 2 Z 3 GGG (d.h. mit dem Wert des Streitgegenstandes im Rechtsmittelverfahren) gleichzusetzen ist (vgl. die in Wais/Dokalik, MGA Gerichtsgebühren11 unter E 141 zu § 18 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).

Da der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur in einem Geldanspruch bestand, traf die Beschwerdeführerin als Rechtsmittelwerberin die Bewertungspflicht gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 GGG. Für die Ermittlung der Höhe der Pauschalgebühr im Rechtsmittelverfahren ist entweder der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Bewertung des von der Berufung umfassten nicht in Geld bestehenden Streitgegenstandes zu folgen oder - soweit eine solche nicht erfolgt ist - der ganze Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes zu Grunde zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 2000, Zl. 2000/16/0059). Da in der gegenständlichen Berufung der Berufungsstreitwert ausdrücklich mit EUR 4.946,99 angegeben wurde, war der Pauschalkostenbetrag im Sinn der TP 2 GGG somit nach dem im Rechtsmittelschriftsatz angegebenen Betrag zu ermitteln. Daran vermag das vom Berufungsgericht seiner Kostenentscheidung zu Grunde gelegte Berufungsinteresse in Höhe von EUR 2.613,65 nichts zu ändern, weil § 18 Abs. 2 Z 3 GGG darauf nicht abstellt. Mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift, in der das Berufungsinteresse angegeben war, ist die Gebührenschuld im bezeichneten Umfang entstanden. Aus § 18 GGG folgt weiters, dass es zu einer Änderung der Gerichtsgebühren nur in den Fällen des Abs. 2 des § 18 GGG kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1999, Zl. 97/16/0205). Vorliegend ist aber keiner der in dieser Gesetzesstelle angeführten Ausnahmetatbestände gegeben. Im Hinblick auf die Anknüpfung des Gerichtsgebührengesetzes an formale äußere Tatbestände ist es unmaßgeblich, ob bei der Berechnung des in der Rechtsmittelschrift angegebenen Berufungsinteresses eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Einschränkung des Klagebegehrens außer Acht gelassen wurde (vgl. das soeben zitierte Erkenntnis vom 5. Juli 1999), oder die Angabe des Streitwertes im Berufungsschriftsatz auf einem Irrtum der Sekretärin eines Rechtsfreundes beruht (vgl. den Sachverhalt, der dem schon zitierten Erkenntnis vom 31. August 2000 zu Grunde lag). Daher war den Beschwerdeausführungen, welche sich auf eine "Bestrafung für Irrtümer" und Berechnungsfehler stützen sowie die nachträgliche Überprüfung des Streitwertes durch das Rechtsmittelgericht vortragen, nicht zu folgen.

Für die Rückzahlung von Gebühren nach § 30 Abs. 2 Z 1 GGG ist es erforderlich, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Eine erst nach dem für die Entstehung der Gebührenschuld maßgeblichen Zeitpunkt geschaffene Voraussetzung einer Gebührenbefreiung bringt die bereits entstandene Gebührenschuld nicht zum Erlöschen (vgl. die in Wais/Dokalik, MGA Gerichtsgebühren11 unter E 11 zu § 30 GGG wiedergegebene Rechtsprechung). Gleiches muss auch für die nach Entstehen der Gebührenpflicht gemäß § 2 Z 1 lit c GGG mit Überreichung der Rechtsmittelschrift erfolgte Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes, das seiner Kostenentscheidung ein niedrigeres Berufungsinteresse zu Grunde legte, gelten, wäre doch sonst die in § 18 Abs. 2 Z 1 GGG enthaltene Anordnung über die Rückzahlung bereits entrichteter Mehrbeträge im Fall einer Streitwertherabsetzung gemäß § 7 RATG überflüssig. Eine Anwendung dieser Bestimmung auf die hier vorliegende Konstellation des vom Berufungsgericht angenommenen geringeren Berufungsstreitwertes hatte nicht zu erfolgen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 5. Juli 1999).

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als frei von Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Mit Rücksicht auf die durch die angeführte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch maßgeblichen VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Oktober 2014

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