VwGH 2012/12/0060

VwGH2012/12/006021.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Hinterwirth, Dr. Thoma und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Mag. R in W, vertreten durch Mag. Thomas Breite, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17/16, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 28. Februar 2012, Zl. BMVIT-1.005/0002-I/PR1/2012, betreffend Versagung der Wiederaufnahme i.A. Feststellungen betreffend dienst- und besoldungsrechtliche Stellung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs2;
AVG §69 Abs4;
AVG §69;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §14 Abs2;
DVG 1984 §2 Abs2;
DVG 1984 §2 Abs5;
DVG 1984 §2 Abs6 idF 1994/665;
DVG 1984 §2 Abs7;
DVG 1984 §2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §69 Abs2;
AVG §69 Abs4;
AVG §69;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §14 Abs2;
DVG 1984 §2 Abs2;
DVG 1984 §2 Abs5;
DVG 1984 §2 Abs6 idF 1994/665;
DVG 1984 §2 Abs7;
DVG 1984 §2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und gehörte bis Ende März 2004 dem Planstellenbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (zuletzt in der Verwendungsgruppe PT2/2b) an. Mit Wirksamkeit vom 1. April 2004 wurde er vorerst für die Dauer von sechs Monaten dem Bundesministerium für Finanzen zur Dienstleistung zugeteilt, mit Wirkung vom 1. September 2004 auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 5 und mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 2, jeweils im Planstellenbereich des Bundesministeriums für Finanzen - Zentralleitung ernannt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/12/0044).

Seit 1. Februar 2007 gehört der Beschwerdeführer dem Personalstand des Rechnungshofes an.

In seiner Eingabe vom 6. Oktober 2003, betreffend "Antrag auf dienst- und besoldungsrechtliche Gleichstellung" hatte er

"1. ... die Bezahlung der Differenz zwischen

  1. a) seinem Gehalt und dem Gehalt seiner Kollegen,
  2. b) der ihm gebührenden Funktionszulage und der seinen Kollegen

    gebührenden Funktionszulage und

    c) der ihm gebührenden Sonderzahlung und der seinen Kollegen gebührenden

    Sonderzahlung

    ab Dezember 2003.

2. ... die Bezahlung jenes Differenzbetrages, der sich ergibt

aus der im Laufe

der letzten drei Jahre erfolgen Erhöhung seines Monatsbezuges

und der Erhöhung

des Bezuges seiner Kollegen.

3. ... die Gewährung von zusätzlich fünf Arbeitstage jährlichen

Erholungsurlaub"

beantragt.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 22. April 2004 ab, wogegen der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhob, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. September 2005, B 736/04, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete, über Auftrag ergänzte Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2005/12/0235, auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, als unbegründet ab.

In seiner an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gerichteten Eingabe vom 5. Dezember 2011 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 22. April 2004 abgeschlossenen Verfahrens. Dieser Bescheid sei von der Vereinbarkeit des Gehaltsrechts des Bundes mit "EU-Recht" abgehangen, insbesondere mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Während die belangte Behörde die Vereinbarkeit im Bescheid vom 22. April 2004 bejaht habe, habe der Gerichtshof der Europäischen Union diese Vorfrage in seinem Urteil vom 8. September 2011, RS C-297/10 und C-298/10 - Hennigs, in wesentlichen Punkten anders als im Bescheid entschieden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 5. Dezember 2011 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 22. April 2004 abgeschlossenen Verfahrens "mangels des Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 bis 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991" ab, weil - so der wesentliche Kern der Begründung - der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG ebenso wenig vorliege wie nach Z. 1 und 2 leg. cit. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der aus den zitierten, den Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnissen erschließbare Ressortwechsel veranlasste den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die - auch von Amts wegen wahrzunehmende - Zuständigkeit der belangten Behörde dazu, die Dienststellen- bzw. Ressortzugehörigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu relevieren.

In seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2013 bringt der Beschwerdeführer hiezu vor, mit Wirksamkeit vom 1. April 2004 für sechs Monate dem Bundesministerium für Finanzen zur Dienstleistung zugeteilt worden zu sein und anschließend dorthin gewechselt zu sein. Ab 1. Februar 2007 sei er für ein Jahr dem Rechnungshof dienstzugeteilt worden und sei anschließend dorthin gewechselt.

Damit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit Herbst 2004 nicht mehr der Zentralstelle Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie angehört; im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gehörte er vielmehr dem Personalstand des Rechnungshofes an.

Nach § 2 Abs. 1 DVG richtet sich die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Soweit in diesen Rechtsvorschriften keine Bestimmungen über die Zuständigkeit enthalten sind, gelten die folgenden Absätze. Nach dem ersten Satz des zweiten Absatzes leg. cit. sind die obersten Verwaltungsorgane des Bundes für die Dienstrechtsangelegenheiten der der Zentralstelle angehörenden Beamten als Dienstbehörde in erster Instanz zuständig.

Welche Dienstbehörde im einzelnen Fall zuständig ist, richtet sich nach Abs. 5 leg. cit. bei Bediensteten des Dienststandes nach der Dienststelle, der der Bedienstete angehört. Sofern es sich um die Begründung eines Dienstverhältnisses handelt, ist für die Zuständigkeit jene Dienststelle maßgebend, bei der er die Anstellung anstrebt. Ist die Dienststelle nicht gleichzeitig Dienstbehörde, so ist jene Dienstbehörde zuständig, zu der die Dienststelle aufgrund der Organisationsvorschriften gehört.

Wird ein Bediensteter während eines laufenden Dienstrechtsverfahrens in den Personalstand eines anderen Ressorts übernommen, so hat die gemäß Abs. 2 zuständige Dienstbehörde jenes Ressorts das Verfahren fortzuführen, in deren Personalstand der Bedienstete übernommen wird.

Ein Beamter des Dienststandes gehört jener Dienststelle an, der er anlässlich der Ernennung (§§ 3 ff BDG 1979) oder durch eine spätere Versetzung (etwa nach §§ 38, 38a BDG 1979) zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird. Davon, dass die im Zeitpunkt der dienstbehördlichen Entscheidung über einen strittigen Anspruch "aktuelle" Angehörigkeit für die Zuständigkeit der Dienstbehörde und nicht die (frühere) Angehörigkeit zu der im Zeitpunkt des Anspruches gegebenen (anderen) Dienststelle maßgebend ist, ist auch die Vorjudikatur ausgegangen. Abgesehen davon kommt es bei der Zuständigkeit - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist - auf den Zeitpunkt der Erlassung der behördlichen Entscheidung an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2002, Zl. 2000/12/0298 = Slg. 15.818/A, sowie den hg. Beschluss vom 16. September 2010, Zl. 2010/12/0103, mwN).

Dafür spricht auch ein aus der später (durch die Novelle BGBl. Nr. 116/1978) eingefügten Bestimmung des § 2 Abs. 7 DVG gezogener Größenschluss: Wenn schon bei einem anhängigen Dienstrechtsverfahren, bei dem ein Anspruch aus der Zeit vor dem Ressortwechsel geltend gemacht wird, die Übernahme in den Personalstand des neuen Ressorts zur Zuständigkeit der neuen Dienstbehörde(n) führt, muss dies (bei weiterhin aufrechtem Aktivdienstverhältnis) umso eher für Ansprüche aus des Zeit vor dem Ressortwechsel gelten, die erst nach demselben geltend gemacht werden (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 13. September 2002). Eine Versetzung in ein anderes Ressort fällt nicht unter § 2 Abs. 6 DVG (vgl. das soeben zitierte Erkenntnis).

Wohl sieht der - zufolge § 1 Abs. 1 DVG grundsätzlich maßgebliche - § 69 AVG in seinem Abs. 2 vor, dass der Antrag auf Wiederaufnahme binnen Frist bei der Behörde einzubringen ist, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat; nach Abs. 4 leg. cit. steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem. Davon abweichend richtet sich die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten nach § 2 Abs. 1 erster Satz DVG jedoch "nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen", sohin nach den Materiengesetzen und den darauf erlassenen Verordnungen. Soweit in diesen Rechtsvorschriften - beschwerdefallbezogen etwa im Gehaltsgesetz 1956 und im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - keine Bestimmungen über Zuständigkeiten enthalten sind, gelten nach dem zweiten Satz leg. cit. die folgenden Absätze des § 2 DVG.

Aus § 2 Abs. 2, 5 und 7 DVG ist zu erschließen, dass für einen in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten auch im Falle eines Ressortwechsels nur eine Dienstbehörde zuständig sein soll: der Einheitlichkeit des über einen Ressortwechsel fortwährenden aktiven Dienstverhältnisses entspricht die ausschließliche Zuständigkeit einer Dienstbehörde. Dem widerspräche es, wenn die Verfügung der Wiederaufnahme der früheren (vor dem Ressortwechsel zuständigen) Dienstbehörde zukommen würde, zumal in einem Fall der bloßen Verfügung der Wiederaufnahme die Zuständigkeit zur Verfügung der Wiederaufnahme der "früheren" Dienstbehörde, jene zur Erlassung des neuen Bescheides (§ 14 Abs. 2 DVG) jedoch der nach § 2 Abs. 2, 5 und 7 DVG zuständigen "neuen" Dienstbehörde zukäme und solcherart die Zuständigkeit zur Erlassung des neuen Bescheides in das Belieben der die Wiederaufnahme verfügenden Behörde gestellt wäre.

Schließlich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Falle einer Änderung der sachlichen Zuständigkeit seit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides oder im Falle einer Änderung der Behördenorganisation jene Behörde zur Entscheidung über die beantragte Wiederaufnahme zuständig, die nach der bestehenden neuen Rechtslage zur Entscheidung berufen wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 4. Teilband, Rz. 69 zur § 69 AVG unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. November 2006, Zl. 2005/05/0260, mwN).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Februar 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte