VwGH 2012/09/0145

VwGH2012/09/014525.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des AS in K, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler, Mag. Klaus Mikosch und Mag. Dr. Peter Kasper, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 14. August 2012, Zl. 14/8-DOK/12, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979 (weitere Parteien: Bundesministerin für Inneres, Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §48 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §48 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. Februar 2011 seinen geplanten Dienst bei der Polizeiinspektion L ab 07:00 Uhr nicht verrichten können, weil er um 07:08 Uhr einen gemessenen Alkoholisierungsgrad vom 0,72 Promille aufgewiesen habe und daher nicht uneingeschränkt dienst- und einsatzfähig gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch seine Dienstpflichten gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 iVm Punkt 2.8 zweiter Satz der Allgemeinen Polizeidienstrichtlinie (APD-RL), BMI-OA1300/0245-II/1/b/2010, wonach der Genuss alkoholischer Getränke (auch) für den Zeitraum vor Antritt eines angeordneten und bekannten Dienstes verboten sei, wenn dadurch eine Beeinträchtigung zu Dienstbeginn zu erwarten sei, verletzt.

Es wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.800,-- verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe des Bescheides der Behörde erster Instanz und der Berufung aus, die Sachverhaltsfeststellung der Behörde erster Instanz, wonach dem Beschwerdeführer für den 21. Februar 2011 im Vorhinein eine bindende mündliche Urlaubszusage nicht erteilt worden sei, erscheine aus im Einzelnen dargelegten Gründen schlüssig und nachvollziehbar.

Da der Beschwerdeführer seinen Dienst am 21. Februar 2011 mit einem gemessenen Alkoholisierungsgrad von 0,72 Promille angetreten habe, habe er durch Genuss von Alkohol vor Dienstantritt den Dienst beeinträchtigt angetreten.

Der Tatbestand sei bereits "am Vorabend des 21. Februar 2011 objektiv verwirklicht und das disziplinarrechtlich relevante Fehlverhalten damit abgeschlossen" gewesen, "daher vermochte die nachträgliche Genehmigung eines Urlaubstages seitens des Chefinsp H - wie immer diese zu bewerten ist - die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesene Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers nicht mehr ungeschehen zu machen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. In der Gegenschrift teilte sie über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes mit, dass der Beschwerdeführer am 21. Februar 2011 für zwölf Dienststunden, Tagdienst, eingeteilt gewesen wäre. Für den betreffenden Tag seien von seinem Erholungsurlaubskontingent zwölf Stunden als Verbrauch abgebucht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Punkt 2.8 (Bewusstseinsbeeinträchtigende Genussmittel) der APD-RL, BMI-OA1300/0245-II/1/b/2010, in Kraft getreten am 1. Jänner 2011, ist der Genuss alkoholischer Getränke im Dienst - ausgenommen in den Fällen des Abs. 2 - verboten.

Dies gilt auch für den Zeitraum vor Antritt eines angeordneten und bekannten Dienstes, wenn dadurch eine Beeinträchtigung zu Dienstbeginn zu erwarten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 93/09/0440, zum Vorwurf der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst an einem Tag, für den dem vom Dienst abwesenden Beamten nachträglich für diesen Tag ein Urlaubsvorgriff gewährt worden ist, erkannt, dass damit der Vorwurf der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst rückwirkend weggefallen ist.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass dem Beschwerdeführer nachträglich von ChefInsp H ein Urlaub betreffend den für den 21. Februar 2011 angeordneten und dem Beschwerdeführer bekannten Dienst gewährt wurde, der in vollständiger Weise für den gesamten an diesem Tag vorgesehenen Dienst als Erholungsurlaub vom Erholungsurlaubskontingent des Beschwerdeführers abgebucht worden ist.

War aber - wenn auch nachträglich - für den gesamten Diensttag 21. Februar 2011 Urlaub gewährt, so fiel damit - rückwirkend - auch die Verpflichtung des Beschwerdeführers weg, an diesem Tag den Dienst anzutreten.

Punkt 2.8 APD-RL gilt ausschließlich dann, wenn ein angeordneter und bekannter Dienst anzutreten ist und eine Beeinträchtigung zu Dienstbeginn zu erwarten ist. Eine Tat ist erst dann vollendet, wenn alle Tatbestandselemente erfüllt sind. Das Tatbestandselement "Beeinträchtigung zu Dienstbeginn" ist erst zum Zeitpunkt des Dienstantritts erfüllt. Das disziplinarrechtlich relevante Fehlverhalten kann daher in seiner Gesamtheit entgegen der Ansicht der belangten Behörde objektiv erst zu Dienstbeginn abgeschlossen sein.

Da die Tatbestandsvoraussetzung "Beeinträchtigung zu Dienstbeginn" durch die nachträgliche Urlaubsgewährung weggefallen ist, weil es dadurch rückwirkend keinen Dienstbeginn am Tattag gab, konnte der Beschwerdeführer durch das Trinken von Alkohol vor dem 21. Februar 2011 den zweiten Fall des Punktes 2.8 APD-RL nicht verwirklicht haben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Jänner 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte