Normen
ASVG §111;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §4 Abs2;
AVG §38;
VwRallg;
ASVG §111;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §4 Abs2;
AVG §38;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben.
Bei der am 16. Juni 2011 gegen 5.05 Uhr in 1230 Wien (Großgrünmarkt) von Organen der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle sei die österreichische Staatsangehörige N. D. beim Tragen und Einladen von Blumen in das auf die Beschwerdeführerin zugelassene Fahrzeug betreten worden. Sie sei für diese Tätigkeit nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Seitens der Organe der Finanzpolizei sei festgehalten worden, dass N. D. ein Personenblatt ausgefüllt habe, in dem sie angegeben habe, dass sie beim AMS Gänserndorf gemeldet sei. Sie gehe keiner Beschäftigung nach, habe keine Arbeitszeiten, keinen Lohn und keinen Chef. Bei der Kontrolle habe sie eine rosa Weste, braune Schuhe und eine blaue Arbeitshose mit der Aufschrift "I..." getragen. Wenn die Beschwerdeführerin im Einspruch vorgebracht habe, dass N. D. dort lediglich das Treiben verfolgt habe und aus Gefälligkeit eine Blumenkiste in das Auto eingeladen habe, sei dies für die belangte Behörde nicht überzeugend. Es sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung unglaubwürdig, dass sich N. D. angeblich als Freundin von DI (FH) A. N. (Anmerkung: persönlich haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin) interessehalber das Treiben am Großgrünmarkt habe anschauen wollen und deshalb in den frühen Morgenstunden zum Großgrünmarkt gefahren sei, um das Treiben dort aus reinem persönlichen Interesse zu beobachten. Es lägen auch keine Hinweise auf, dass N. D. sich aus beruflichem Interesse für eine zukünftige Tätigkeit am Großgrünmarkt über die dortigen Abläufe, etc. informieren habe wollen. Im Übrigen widersprächen diese Angaben den Ausführungen der Erhebungsorgane der Finanzpolizei, an deren Glaubwürdigkeit auf Grund der Schlüssigkeit kein Grund zum Zweifeln bestehe. Der Umstand, dass N. D. beim Tragen und Einladen einer Blumenkiste in Arbeitskleidung angetroffen worden sei, bekräftige die belangte Behörde in ihrer Ansicht, dass diese keineswegs nur als Begleitperson anwesend gewesen sei, um den Großgrünmarkt einmal zu erleben, sondern lasse auf den Beweggrund für ihr Mitkommen auf den Markt, die Beschwerdeführerin bei ihrer Arbeit zu unterstützen, schließen.
Die Tätigkeit, bei der N. D. angetroffen worden sei, stelle zweifelsfrei eine Dienstleistung dar. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen werde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf Dienstverhältnis hindeuten, sei die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt würden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstünden. Die belangte Behörde folge insgesamt der Beurteilung der mitbeteiligten Kasse und befinde, dass N. D. zur Beschwerdeführerin in einem Dauerschuldverhältnis gestanden sei und Dienstleistungen erbracht habe. Sie habe Dienstleistungen in einem Verhältnis der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Beschwerdeführerin erbracht und sei somit als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zu betrachten. Der Beitragszuschlag sei dem Grunde nach zu Recht vorgeschrieben worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde macht geltend, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin, DI (FH) A. N. eingestellt worden sei, zumal die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf zu dem Schluss gekommen sei, dass es sich beim Tragen der Blumenkiste durch N. D. um einen Freundschaftsdienst gehandelt habe, diese die Tätigkeit freiwillig ausgeübt habe, dafür kein Entgelt erhalten und durch ihre Mithilfe der persönlich haftenden Gesellschafterin lediglich eine Gefälligkeit erweisen habe wollen. Die Behörde habe das Vorliegen einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit verneint. Es liege nicht in der Intention des Gesetzgebers, verschuldensunabhängige Konsequenzen für den Dienstgeber zu ziehen, sondern es habe die Beschwerdeführerin gemäß idente Entscheidungskriterien einen Anspruch, gleich ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin behandelt zu werden. Die der Behörde eingeräumte Ermessensausübung könne nicht so weit führen, dass ein und derselbe Sachverhalt dermaßen unterschiedlich beurteilt werde.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst anzumerken, dass das Vorliegen einer gemäß § 33 ASVG meldepflichtigen Beschäftigung im Verfahren zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 2 ASVG - wie auch in einem Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG - eine Vorfrage darstellt. Für die Feststellung des Bestandes eines (meldepflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses ist jedoch die Bezirkshauptmannschaft im Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG in der Hauptfrage nicht zuständig, weshalb mit dem von der Beschwerdeführerin zitierten Bescheid der BH Gänserndorf vom 31. Jänner 2012 und der dortigen Beurteilung, wonach das Vorliegen einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit und somit der Dienstnehmereigenschaft verneint wurde, keine Bindungswirkung für das Beitragszuschlagverfahren gemäß § 113 Abs. 2 ASVG entfalten kann. Ob hinsichtlich N. D. eine meldepflichtige Beschäftigung vorlag, war daher von der belangten Behörde eigenständig als Vorfrage zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0124, sowie vom 14. März 2013, Zl. 2012/08/0059, mwN).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung dieser Vorfrage nicht im behördlichen Ermessen liegt.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde N. D. beim Tragen und Einladen einer Blumenkiste in Arbeitskleidung um 5.05 Uhr früh am Großgrünmarkt angetroffen und sie war zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht zur Sozialversicherung angemeldet.
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, das heißt arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0165). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.
Die Beschwerdeführerin verantwortet sich damit, dass es sich bei der Tätigkeit der N. D. um eine solche ohne wirtschaftliche Bedeutung, um eine selbstverständlich unentgeltliche Erbringung einer Leistung rein aus Gefälligkeit ohne irgendeine rechtliche Verpflichtung gehandelt habe. N. D. sei ursprünglich eine Kundin gewesen, und habe sich im Laufe der Zeit zwischen der unbeschränkt haftenden Gesellschafterin, N. D. und ihrem Mann ein freundschaftliches Verhältnis gebildet. Die Erzählungen des Ehemanns von N. D., der familiär bedingt als Kind öfter den Großgrünmarkt besucht habe, hätten offenbar bei N. D. eine gewisse Neugierde geweckt, die sie dann veranlasst hätten, die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin am 16. Juni 2011 auf den Großgrünmarkt zu begleiten, um dort das rege Treiben auch einmal selbst kennenzulernen.
Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten.
Für die Abgrenzung zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, maßgeblichen Umständen und Motiven um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0165, mwN).
Mit dem zur Darlegung eines Freundschaftsdienstes erstattenen Vorbringen stellt die Beschwerdeführerin jedoch keine Behauptungen auf, aus denen eine spezifische Bindung oder Nahebeziehung abgeleitet werden könne, die ein für die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden könnte. Das im Einspruch aufgestellte Vorbringen kann am ehesten noch die Tatsache der Anwesenheit von N. D. am Großgrünmarkt erklären, nicht jedoch, weshalb sie in Arbeitskleidung eine Tätigkeit für die Beschwerdeführerin entfaltet hat. Hinzu kommt, dass selbst im Falle des Vorliegens eines Freundschaftsverhältnisses zwischen N. D. und der unbeschränkt haftenden Gesellschafterin der Beschwerdeführerin letztere sich dort nicht privat aufgehalten hätte, sondern im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes, weshalb schon die von Nicole D. für dieses Unternehmen erbrachte Leistung nicht als im Rahmen eines Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienstes erbracht angesehen werden kann, zumal es sich bei der Tätigkeit eine solche für den Geschäftsbetrieb und nicht um eine solche für ein privates Umfeld gehandelt hat (vgl. das hg Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2011/08/0130, mwN).
Davon ausgehend erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde - ausgehend von der oben erwähnte Vermutung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses im üblichen Sinn - als nicht zu beanstanden.
Einen Begründungsmangel sieht die Beschwerdeführerin darin, dass zwar im Verwaltungsstrafverfahren gegen die persönlich haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin Zeugen einvernommen worden seien, alle im Verwaltungsstrafverfahren eingeholten Aussagen jedoch keinen Eingang im angefochtenen Bescheid gefunden hätten. Durch die Nichtberücksichtigung dieser Ergebnisse hätten die von der Rechtsprechung geforderten und tatsächlich auch gegebenen atypischen Umstände keinen Eingang in das gegenständliche Verfahren gefunden. Die belangte Behörde habe sich daher auch nicht gefordert gefühlt, sich näher mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen bzw. weitere Untersuchungen anzustellen.
Dieser Vorhalt ist insofern unrichtig, als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid sehr wohl Ausführungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin getroffen hat. Die Behörde kam zu dem Schluss, diese Behauptungen als unglaubwürdig zu qualifizieren und begründete ihre Erwägungen auch nachvollziehbar. Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung zeigt die Beschwerde nicht auf.
Abgesehen davon hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Beweisanträge gestellt, weder auf Einvenahme namentlich genannter Zeugen noch auf Beischaffung des Verwaltungsstrafaktes.
Mit der bloßen Rüge der Unterlassung von weiteren Untersuchungen durch die belangte Behörde - ohne diese zu konkretisieren - kann die Beschwerdeführerin keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Mangelhaftigkeit aufzeigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. September 2013, Zl. 2011/09/0001, mwN).
Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass die im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebene Darstellung der Situation durch die Finanzpolizei (anlässlich der Kontrolle) ihr in keinem Stadium des Verfahrens zur Kenntnis gebracht worden wäre. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil - wie sie bereits selbst ausführt - im angefochtenen Bescheid eine Darstellung der Beobachtungen durch die Finanzpolizei enthalten ist. Wenn sie in der Beschwerde nun allgemein ausführt, bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte sie gezielter zu den Ausführungen der Finanzpolizei Stellung nehmen können und die Einvernahme von Zeugen auch im Einspruchsverfahren verlangen können, bleibt offen, welches Tatsachenvorbringen sie bei Einräumung des Parteiengehörs erstattet hätte, sodass die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels auch hierin nicht dargetan wird.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aus folgenden Gründen nicht erforderlich:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl auch die hg Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl 2000/08/0072). Der Gerichtshof hat darüber hinaus bekräftigt, dass die systematische Durchführung mündlicher Verhandlungen die notwendige Sorgfalt bei der Erledigung dort beeinträchtigen kann, wo es - wie etwa in Sozialversicherungssachen - allgemein um eher technische Fragen geht, die in einem schriftlichen Verfahren besser gelöst werden können (vgl das Urteil vom 18. Juli 2013, Fall Schädler-Eberle, Zl 56.422/09).
Im gegenständlichen Fall ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und es hängt die Entscheidung einzig von der Lösung rein rechtlicher Fragestellungen ab. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Wien, am 24. April 2014
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