VwGH 2012/08/0137

VwGH2012/08/013711.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des DP in M, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4/DG, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Mai 2012, Zl. GS5-A- 1534/086-2012, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben, weil für den bei ihm zumindest am 16. August 2011 beschäftigten und pflichtversicherten VS. die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung betrage EUR 500,--, der für den Prüfeinsatz EUR 800,--.

Im Rahmen einer am 16. August 2011 erfolgten finanzamtlichen Kontrolle in S. sei VS. bei der Reinigung der Toiletten auf einer Autobahnraststation angetroffen worden. Er habe diese Arbeiten seit dem 2. August 2011 ausgeführt. Den Arbeiten sei eine Vereinbarung vom 18. Mai 2011 zwischen der Autobahnraststation in S. (der Auftraggeberin der Reinigungsarbeiten) und dem Beschwerdeführer zu Grunde gelegen. Der Beschwerdeführer habe Herrn VS. erklärt, welche Arbeiten er zu verrichten habe. VS. wohne in einer vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Wohnung in S. und fahre täglich mit dem Auto eines Bekannten zur Autobahnraststation und wieder zurück. Er arbeite sieben Tage in der Woche, meistens ab 06.00 Uhr ca. acht bis zehn Stunden täglich. Die täglichen Einnahmen würden EUR 30,-- bis 45,-- betragen, wovon der Beschwerdeführer 20 % erhalte. Es werde alle zwei Wochen abgerechnet. Die Arbeiten würden von M., dem Besitzer der Autobahnraststation, kontrolliert.

Bei der Reinigung von WC-Anlagen handle es sich nicht um ein selbständiges Werk. VS. habe lediglich seine eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Er habe datumsmäßig umschriebene Leistungen über einen längeren Zeitraum erbracht. Das Beschäftigungsverhältnis habe mit der Erbringung der Leistung (der Reinigung der WC-Anlagen) nicht sein Ende gefunden. Es sei als Dauerschuldverhältnis im Sinne eines dauernden Bemühens ausgestaltet gewesen. Bei der Reinigung der WC-Anlagen fehle es an einem gewährleistungstauglichen Erfolg. Der konkrete Umfang des Werkes stehe nicht fest. VS. habe über keine Betriebsmittel verfügt, wie sie für ein Reinigungsgewerbe typisch wären (wie ein eigenes Büro, eigene Angestellte, Werbemaßnahmen und - artikel, usw.). Verstärkt werde der Eindruck der Unselbständigkeit durch den fehlenden Unternehmenssitz und durch den Umstand, dass VS. ausschließlich für den Beschwerdeführer tätig gewesen sei. Es habe keine Möglichkeit bestanden, für einen anderen Auftraggeber tätig zu werden. VS. habe seine Tätigkeit persönlich durchgeführt und sich nicht vertreten lassen können. Es sei von einem Dienstverhältnis üblichen Sinn auszugehen. Es habe eine persönliche Arbeitspflicht bestanden. Eine generelle, d.h. nicht auf bestimmte Arbeiten oder Ereignisse beschränkte Vertretungsbefugnis sei weder vereinbart noch praktiziert worden. VS. sei vom Beschwerdeführer ganz auf die Entgeltleistung Dritter, der Benützer der WC-Anlagen, verwiesen worden. Im Übrigen werde auf das im Bereich der Sozialversicherung geltende Anspruchslohnprinzip verwiesen. Insgesamt überwögen die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit.

Außergewöhnliche oder besonders berücksichtigungswürdige Umstände, die eine Reduktion des Beitragszuschlages bzw. ein Absehen von der Vorschreibung rechtfertigen würden, könne die belangte Behörde insbesondere in Ansehung der Planmäßigkeit und der langen Dauer der Tätigkeit nicht erkennen. Es handle sich auch nicht um das erstmalige Meldevergehen des Beschwerdeführers. Es lägen insgesamt fünf Anzeigen der Finanzpolizei vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, Raststationen hätten ihm Aufträge zur Reinigung von WC-Anlagen erteilt. Bei VS. habe es sich um einen selbständigen "Subunternehmer" gehandelt, der die Reinigungstätigkeiten auf der Autobahnraststation für ihn verrichtet hätte. Es handle sich um ein selbständiges Werk, bei dem ein "gewährleistungstauglicher Erfolg im Sinne der Sauberkeit der WC-Anlagen feststellbar" sei. Der "abgeschlossene Vertrag" spreche jedenfalls für eine selbständige Tätigkeit des VS.

Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind (im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes) als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer - im Regelfall freilich auch vorliegender - Umstände (wie z. B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2005/08/0176, mwN).

Die Eingliederung eines Dienstnehmers in die vom Dienstgeber (bzw. vom Beschäftiger) bestimmte Ablauforganisation am Ort der Arbeitserbringung indiziert das Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit, weil sie in der Regel bedeutet, dass der Dienstnehmer nicht die Möglichkeit hat, den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit jederzeit selbst zu regeln und auch zu ändern, wie es für den freien Dienstvertrag typisch ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123, mwN).

Bei der von VS. ausgeübten Tätigkeit der Reinigung der Toiletten auf einer Autobahnraststation handelte es sich um manuelle Hilfstätigkeiten, die in organisatorischer Einbindung in den Betrieb des Dienstgebers bzw. des Beschäftigers (§ 3 Abs. 3 AÜG) erbracht worden sind.

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2007/08/0252, mwN). Atypische Umstände, die einer solchen Beurteilung entgegen stehen würden, sind hier nicht ersichtlich, zumal nicht festgestellt (und auch nicht behauptet) wurde, dass VS. über eine eigene betriebliche Organisation oder über nennenswerte Betriebsmittel verfügt hätte, eigene unternehmerische Entscheidungen hätte treffen können oder - außer für den Beschwerdeführer - auch noch für andere Auftraggeber Reinigungstätigkeiten in WC-Anlagen verrichtet bzw. in der Art selbständig am Markt auftretender Unternehmer seine Reinigungstätigkeiten erfolgreich angeboten hätten. Es handelt sich nach den festgestellten Umständen der Arbeitserbringung nicht um Tätigkeiten auf Grund eines Werkvertrages in dem Sinn, dass die persönliche Abhängigkeit der genannten Person in Frage gestellt werden könnte, abgesehen davon, dass nicht hinreicht, in einem "Werkvertrag" nur den Rahmen für im Einzelfall abgeschlossene Vertragsverhältnisse abzustecken, wenn es an der für eine Zuordnung zu einem bestimmten Vertragstyp erforderlichen Bestimmtheit der Leistungen fehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2011/08/0038, mwN).

Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht, dass die Anmeldung des VS. zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt am 16. August 2011 erstattet wurde. Die Meldungen waren zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die KIAB noch nicht nachgeholt worden. Es liegt das typische Bild eines Meldeverstoßes vor. Von unbedeutenden Folgen iSd 113 Abs. 2 ASVG kann nicht die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0151). Auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Umstands iSd angegebenen Gesetzesstelle ist nicht ersichtlich. Die belangte Behörde hat zu Recht davon Abstand genommen, die Teilbeträge iSd § 113 Abs. 2 ASVG herabzusetzen oder ganz entfallen zu lassen.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. Juli 2012

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