Normen
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §111 Abs2;
ASVG §33 Abs1;
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VStG §51f Abs2;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §111 Abs2;
ASVG §33 Abs1;
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VStG §51f Abs2;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Juli 2011 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der G. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin es unterlassen habe, die von ihr am 10. Februar 2011 um 14.45 Uhr auf dem Bauvorhaben in P. als Bauhilfsarbeiter beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten acht namentlich genannten Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG verletzt und werde deswegen gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG mit acht Geldstrafen von je EUR 910,--, insgesamt EUR 7.280,-- (acht Ersatzfreiheitsstrafen von je 2 Tagen und 11 Stunden) bestraft.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung sowie konkretisierend in der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2011 (per Fax am 20. Dezember 2011, dem Vortag der Verhandlung vom 21. Dezember 2011 übermittelt) brachte der Beschwerdeführer vor, die G. GmbH sei von der Liegenschaftseigentümerin, der T. GmbH, mit der Durchführung von Reibputzarbeiten beauftragt worden. Die G. GmbH habe den Auftrag an ihre Subunternehmerin, die L. GmbH in W., weiter gegeben. Von dieser seien die im Straferkenntnis genannten Bauarbeiter beschäftigt worden. Als Baustellenbetreuer für die L. GmbH sei KG. aufgetreten. Dieser sei im Auftrag der L. GmbH mit der Bereitstellung der jeweiligen Arbeitnehmer an den diversen Baustellen betraut gewesen. Der Umstand, dass die Arbeitnehmer über keine Arbeitsbewilligung verfügt haben, könne weder der G. GmbH noch dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden, weil zur G. GmbH kein Dienstverhältnis begründet worden sei. KG. habe zugegeben, dass er Arbeitnehmer ohne Arbeitsbewilligung bereitgestellt habe. Der Beschwerdeführer beantragte die Vernehmung des FN. (dessen vollständiger Name und Adresse noch bekannt gegeben werde) und - unter Beiziehung eines Dolmetschers für die kroatische Sprache - des KG. als Zeugen sowie die Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Verhandlung gemäß § 51f Abs. 2 VStG in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei. Eine nachträglich am Postweg eingebrachte, mit 21. Dezember 2011 datierte ärztliche Bestätigung habe zwar erbracht, dass er Beschwerdeführer am 21. Dezember 2011 erkrankt gewesen sei, nicht jedoch, dass er zum Verhandlungszeitpunkt verhandlungsunfähig gewesen sei. Ob die Krankenbestätigung "echt, d.h. tatsächlich mit 21. Dezember 2011 ausgestellt worden sei", sei unbekannt. Beigeschafft worden sei - wie am 20. Dezember 2011 beantragt - das Straferkenntnis vom 21. Juli 2011 und die diesbezügliche Niederschrift des KG. Diese Aktenteile seien verlesen worden. Da der Beschwerdeführer an der Verhandlung trotz ausgewiesener Ladung nicht teilgenommen habe, "hat diese keine Ergänzung des Aktenstandes erbracht". Durch die Nichtteilnahme an der Verhandlung sei der belangten Behörde die Möglichkeit genommen worden, ein persönliches Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu gewinnen. Keiner der beschäftigt gewesenen Ausländer sei im Inland gemeldet. Der Beschwerdeführer habe die Beschäftigung der acht Ausländer zu vertreten. Er hätte diese vor Arbeitsbeginn beim zuständigen Versicherungsträger anmelden müssen. Wie aus der Niederschrift (vom 18. Juli 2011) mit KG. zu entnehmen sei, habe dieser nicht bestritten, dass dieser die Arbeiter angeworben habe. Er habe durch Akquirierung von Schwarzarbeitern für die Beschäftigung durch die G. GmbH aktiv und wissentlich Beihilfe geleistet. Dies decke sich auch mit der Sachverhaltsdarstellung vom 10. Februar 2011 durch die anzeigende Polizeiinspektion. Zu keinem Zeitpunkt hätten die an der Sache beteiligten Personen im Zuge der Sachverhaltsaufnahme eine L. GmbH als Subunternehmer erwähnt. Es werde davon ausgegangen, dass es sich um eine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers handle. Im Nachhinein vorgelegte Verträge könnten nicht den Beweis dafür erbringen, dass die am Kontrolltag durchgeführten Tätigkeiten nicht von der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft beschäftigt worden seien. Mangels persönlichem Erscheinen des Beschwerdeführers hätten weitere Sachverhaltselemente nicht erhoben werden können.
Durch den Beschwerdeführer seien verschiedene Beweisanträge gestellt worden. Dies teilweise sehr unbestimmt und offensichtlich in Verschleppungsabsicht. Die Möglichkeit einer rechtzeitigen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer nicht in Anspruch genommen. Den Anträgen auf Durchführung einer Verhandlung und auf Beischaffung des Strafaktes zu KG. sei entsprochen worden. Der Vertagungsbitte sei nicht entsprochen worden, da diese offensichtlich in Verschleppungsabsicht gestellt worden sei. Auch die nachträglich vorgelegte ärztliche Bestätigung liefere keinen Beweis für die Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers. Auch nach Ablauf einer langen Frist zur Stellungnahme habe ein angeblicher Zeuge nicht namhaft gemacht werden können.
Es habe zumindest ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis zum Beschwerdeführer (zur G. GmbH) vorgelegen. Den anderslautenden Verantwortungen des Beschwerdeführers werde kein Glauben geschenkt. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift, der er zuwidergehandelt habe, kein Verschulden treffe, widrigenfalls die Behörde berechtigt sei, fahrlässige Begehung ohne weiteres anzunehmen.
Im Übrigen führte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, nach Besprechung mit dem schlecht deutsch sprechenden Beschwerdeführer sei eine ergänzende Stellungnahme samt Beweisantrag erstattet worden, die am 20. Dezember 2011 bei der belangten Behörde eingelangt sei. Darin sei neuerlich vorgebracht worden, dass das von der G. GmbH beauftragte Subunternehmen, die L. GmbH, die bei den Arbeiten angetroffenen Dienstnehmer beschäftigt habe. Dafür sei die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt worden. Der Beschwerdeführer sei unvorhergesehen erkrankt. Er habe dies seinem Rechtsvertreter am 20. Dezember 2011 gegen Abend telefonisch mitgeteilt. Sodann sei der belangten Behörde vom Vertreter des Beschwerdeführers per Fax eine Vertagungsbitte übermittelt und zusätzlich der Verhandlungsleiter vor Verhandlungsbeginn telefonisch informiert worden. Der Verhandlungsleiter habe erklärt, der Vertagungsbitte stattzugeben. Da die Verhandlung am 21. Dezember 2011 um 09.30 Uhr anberaumt gewesen sei, sei die Konzipientin des Vertreters des Beschwerdeführers direkt von zu Hause auf dem Weg zur belangten Behörde gewesen. Sie habe nicht gewusst, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer verhindert war, an der Verhandlung teilzunehmen. Die Konzipientin sei darüber informiert worden, dass der Vertagungsbitte Rechnung getragen worden sei. Sie sei gebeten worden, eine ergänzende Akteneinsicht vorzunehmen, da sie sich bereits in der Nähe der belangten Behörde befunden habe. Der Verhandlungsleiter habe der Konzipientin, die Akteneinsicht habe nehmen wollen, entgegen der vorhergehenden telefonischen Absprache mit dem Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt werde. Die Verhandlung sei ohne Aufnahme der beantragten Beweise durchgeführt worden. Unabhängig vom mehr oder weniger völligen Fehlen eines Beweisverfahrens habe die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, der Niederschrift mit KG. wäre zu entnehmen, dass dieser nicht bestritten hätte, Schwarzarbeiter für die G. GmbH angeheuert zu haben. Vielmehr habe dieser angegeben, für einen "blonden" Arbeitgeber namens Hans die genannten Hilfsarbeiter angeworben zu haben. Informationsgemäß treffe die Beschreibung "Hans" und "blond" auf den Lebensgefährten der Geschäftsführerin der L. GmbH zu. KG. habe bereits anlässlich der Betretung durch die Polizei angegeben, Subunternehmer zu sein und die ganze Arbeitstruppe gebracht zu haben. Zusätzlich sei aus dem Bericht der Polizeiinspektion T. vom 10. Februar 2011 abzuleiten, dass KG. im Hinblick auf die illegalen Arbeitskräfte zugegeben habe, den Beschwerdeführer mehrfach belogen zu haben. Darin sei auch festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer nichts von Schwarzarbeitern gewusst habe. KG. habe sich gegenüber dem Beschwerdeführer immer als Baustellenbetreuer und befugter Vertreter der L. GmbH ausgegeben.
Der Beschwerdeführer habe durch seinen Vertreter auf Grund seiner Erkrankung telefonisch und schriftlich eine Vertagungsbitte gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dieser letztendlich nicht entsprochen worden sei. Da sowohl eine Vertagungsbitte als auch eine Krankenbestätigung der belangten Behörde übermittelt worden sei, sei der Rechtfertigungsgrund nach § 19 Abs. 3 AVG hinreichend dokumentiert, sodass die Verhandlung nicht in Abwesenheit des Beschwerdeführers hätte durchgeführt werden dürfen, jedenfalls nicht ohne amtswegige Prüfung des Hinderungsgrundes. Dies allein stelle einen relevanten Verfahrensmangel dar. Schon auf Grund des Grundsatzes der Verpflichtung der Behörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit hätte die belangte Behörde nicht von der Vernehmung des Beschwerdeführers und der von ihm genannten Zeugen Abstand nehmen dürfen. Die belangte Behörde hätte jedenfalls die Geschäftsführerin der L. GmbH, Lenska C., sowie den Zeugen KG. vernehmen müssen. Deren Vernehmung hätte ergeben, dass die gegenständlichen Arbeitnehmer durch die L. GmbH im Auftrag von KG. beschäftigt worden seien. Das Nichteingehen der belangten Behörde auf die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise stelle jedenfalls einen relevanten Verfahrensmangel dar.
Diese Ausführungen verhelfen der Beschwerde zum Erfolg:
In Anbetracht des Umstandes, dass sich aus dem Verwaltungsakt auch ohne diesbezüglichen Beweisantrag ein amtswegiger Erhebungs- und Ermittlungsbedarf insbesondere durch die Vernehmung des KG. als Zeugen im Hinblick darauf ergibt, dass sich dieser bei seiner Betretung auf der Baustelle für den Beschwerdeführer ausgegeben und später eingeräumt hat, selbst für die Aufnahme der unrechtmäßig Beschäftigten verantwortlich zu sein, kann der Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung dieses Zeugen nicht als in offenbarer Verschleppungsabsicht gestellt erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer ausführlich begründet hat, zu welchem Beweisthema dieser Zeuge genannt werde und weshalb diesem Beweisthema Relevanz für den Ausgang des Verfahrens zukommt. Bei der Unterlassung der Vernehmung dieses Zeugen hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob beim Beschwerdeführer ein Rechtfertigungsgrund iSd § 19 Abs. 3 AVG für sein Nichterscheinen bei der Verhandlung vorgelegen hat, in welchem Fall nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung" die Rede sein könnte, die iSd § 51f Abs. 2 VStG Voraussetzung für eine Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, Zl. 2011/08/0364).
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war.
Wien, am 11. Juli 2012
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