VwGH 2012/05/0155

VwGH2012/05/015529.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, in der Beschwerdesache des Dipl. Ing. A G in W, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 11/52-54, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Juni 2012, Zl. BOB-171/12, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: H GmbH in W, vertreten durch Dr. Peter Pullez und Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Tuchlauben 8; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
BauO Wr §69;
BauRallg;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §69;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Mit Ansuchen vom 16. Juni 2011 beantragte die mitbeteiligte Partei (in der Folge: Bauwerberin) beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaus auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien.

In der am 20. Dezember 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung verwies der Beschwerdeführer - als Eigentümer der von der vorbeiführenden S. Gasse aus linksseitig an die Bauliegenschaft angrenzenden Liegenschaft - auf seine schriftlich erstatteten Einwendungen vom 19. Dezember 2011, in welchen er sich unter anderem gegen die geplante Gebäudehöhe ausgesprochen hatte.

Im Hinblick auf mehrere von der Bauwerberin durchgeführte Projektänderungen erstattete der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mehrere Stellungnahmen, in welchen er seine bisherigen Einwendungen vollinhaltlich aufrecht hielt.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 23. März 2012 wurde der Bauwerberin nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 54 BO und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen und Bedingungen die beantragte Baubewilligung erteilt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG statt und behob den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7677, für den verfahrensgegenständlichen Bauplatz die Widmung Bauland-Wohngebiet, Bauklasse I, sowie die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt sei, wobei die Gebäudehöhe auf 7,50 m beschränkt sei. Nach den weiteren Bebauungsvorschriften dürfe der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer nicht höher als 4,50 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen. Soweit die zulässige Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO zu ermitteln sei, werde für die Gliederung der Baumasse bestimmt, dass der obere Abschluss der Gebäudefronten an keiner Stelle höher als das um 1,50 m vermehrte Ausmaß der zulässigen Gebäudehöhe über dem anschließenden Gelände liegen dürfe.

Wie den Einreichplänen zu entnehmen sei, solle auf dem Bezug habenden Bauplatz ein Wohngebäude mit sieben Wohnungen, bestehend aus dem Kellergeschoß, dem Erdgeschoß, dem ersten Stock, sowie zwei Dachgeschoßen in gekuppelter Bauweise an die linke seitliche Grundgrenze und damit unmittelbar an das im Eigentum des Beschwerdeführers auf seiner Liegenschaft stehende Gebäude angebaut werden. In der im Kellergeschoß gelegenen Tiefgarage würden sieben Pflichtstellplätze sowie zwei durch Metallgitterwände vom Garagenbereich abgetrennte Fahrradabstellräume hergestellt.

Den Maßangaben in den Einreichplänen sei zu entnehmen, dass die Gebäudehöhe an der linken seitlichen Giebelfront - das sei die der Liegenschaft des Beschwerdeführers zugekehrte Front des Bauvorhabens - ausgehend vom anschließenden (geplanten) Gelände als unterem Gebäudeanschlusspunkt bis zum oberen Gebäudeabschlusspunkt, der aus dem Schnittpunkt der Fassade mit der Oberfläche des Daches gebildet werde, an beiden Ecken der Front 6,13 m betrage und in einer Höhe von +6,11 m ausgehend vom Bezugsniveau der Fußbodenoberkante im Erdgeschoß liege. Erst ungefähr in der Mitte des Baukörpers werde - wie den Ansichten der Straßen- und Gartenfront des Bauvorhabens entnommen werden könne - die Gebäudehöhe des Baukörpers auf 8,90 m erhöht, woraus sich eine Staffelung des Baukörpers ergebe.

Der flachdachförmige First des Daches liege in einer über die gesamte Gebäudelänge durchgehend gleichbleibenden Höhe von +11,95 m ausgehend vom Bezugsniveau der Fußbodenoberkante im Erdgeschoß und damit 11,97 m über dem allseits gleichbleibend an das Gebäude anschließenden Gelände (in einer Höhe von -0,02 m zum Bezugsniveau). Der im oberen Gebäudeabschluss der Straßen- sowie der Gartenfront gegebene Gebäudehöhensprung werde im Dachfirst nicht fortgeführt. Aus den Einreichplänen sei ersichtlich, dass der obere Abschluss des Daches in Bezug zur durchschnittlichen (verglichenen) Gebäudehöhe gesetzt worden sei und diese um das zulässige Ausmaß überrage, jedoch nicht überschreite.

Damit sei aber der zulässige, auf 4,50 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe beschränkte Dachfirst in dem unmittelbar an die linksseitige Grundgrenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers angebauten Gebäudeteil nicht auf Basis der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe bemessen worden. Werde nun der höchste Punkt des Daches in diesem Teil des Baukörpers vom tatsächlich ausgeführten oberen Abschluss der Gebäudefront bemessen, so komme dieser höchste Punkt mehr als 4,50 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe zu liegen.

Diese im gegenständlichen Bauvorhaben sohin vorliegende Überschreitung stelle eine Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes dar, weshalb zu prüfen sei, ob sie einer Bewilligung nach § 69 BO zugänglich wäre. Eine Überschreitung der zulässigen Höhe des Daches in einem Ausmaß, wie aus den vorliegenden Einreichplänen ersichtlich, könne nicht von vornherein als wesentlich angesehen werden, zumal insbesondere auch zu bedenken sei, dass andererseits die ausgeführte Dachhöhe auf dem höheren Baukörper unter der zulässigen Dachhöhe von 4,50 m zurückbleibe, sich die Überschreitung der zulässigen Dachhöhe nur auf einen Teilbereich des Daches erstrecke, während diese ausgehend von der durchschnittlichen Gebäudehöhe des Baukörpers eingehalten werde und damit auch erkennbar sei, dass mit der vorliegenden Überschreitung der zulässigen Dachhöhe die insgesamt zulässigerweise bebaubare Kubatur im Dachbereich nicht überschritten werde.

Dadurch, dass der Magistrat im vorliegenden Fall mit der zuvor dargelegten Überschreitung der Dachhöhe die im Spruch näher umschriebene Baubewilligung - ohne vorherige Erwirkung einer entsprechenden Ausnahmebewilligung - erteilt habe, habe er zugleich auch eine Bewilligung zur Abweichung von den Bebauungsvorschriften nach § 69 BO erteilt, für welche er gemäß § 133 BO nicht zuständig gewesen sei. Aus diesem Grund sei die Baubehörde für Wien veranlasst, auf Grund der vorliegenden Berufung den Bescheid vom 23. März 2012 aufzuheben, um so dem Magistrat die Möglichkeit zu geben, nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen mit dieser Angelegenheit den Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung zu befassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 11 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der Fassung BGBl. I. Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011 bestimmt in seinem § 66 Abs. 4, dass die Berufungsbehörde, außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung durch die belangte Behörde, nämlich auf Versagung der Baubewilligung für ein nicht bewilligungstaugliches Bauvorhaben, verletzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung behoben, dass der Magistrat der Stadt Wien damit im Hinblick auf die gegebene Überschreitung der Dachhöhe auch eine Bewilligung zur Abweichung von den Bebauungsvorschriften erteilt habe, für welche er nicht zuständig sei, wobei die belangte Behörde mit näherer Begründung zu dem Schluss gelangte, dass die gegenständliche Abweichung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 BO durch den Bauausschuss der zuständigen Bezirksvertretung zugänglich wäre (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 20. September 2005, Zlen. 2004/05/0131 und 2004/05/0231).

Im Unterschied zum Beschwerdefall kam in dem dem hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 93/05/0030, auf welches sich die Beschwerde beruft, zugrunde liegenden Fall, die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 BO wegen der bestehenden Widmungswidrigkeit des dort in Rede stehenden Projektes schon von vornherein nicht in Betracht. Im Hinblick auf die mangelnde Bewilligungsfähigkeit des betreffenden Bauvorhabens hätte die Berufungsbehörde somit nicht eine die Befassung des Bauausschusses ermöglichende Behebung des erstinstanzlichen Bescheides, sondern gleich eine Abweisung des Bauansuchens vorzunehmen gehabt. Dieser Fall ist somit mit dem Beschwerdefall, in welchem die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 BO durch den Bauausschuss der zuständigen Bezirksvertretung nach den nachvollziehbaren Ausführungen im angefochtenen Bescheid möglich erscheint, nicht vergleichbar. Auch der Beschwerdeführer legt nicht konkret dar, welche Umstände eine sofortige Abweisung des Bauansuchens erfordert hätten. Ob tatsächlich alle in § 69 BO genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung erfüllt sind, ist im Übrigen in dem nach dieser Bestimmung durchzuführenden Verfahren zu klären, in welchem dem Beschwerdeführer Parteistellung im Umfang der ihm nach der BO zustehenden und von ihm rechtzeitig geltend gemachten subjektivöffentlichen Rechte zukommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014, weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. September 2015

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