VwGH 2012/05/0072

VwGH2012/05/007230.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des GM in H, England, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 2, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 2012, Zl. BOB - 538/11, betreffend Bauauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62 Abs1 Z3;
BauO Wr §62 Abs6;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62 Abs1 Z3;
BauO Wr §62 Abs6;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 20. September 2011 (mündlich verkündet am 9. September 2011) wurde den Eigentümern des Gebäudes S.- Gasse 1, darunter der Beschwerdeführer, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides das Fenster im Ausmaß von 100 cm x190 cm im Zimmer der Wohnung Tür Nr. 1-2 im Erdgeschoß an der Front S.-Gasse beseitigen und den konsensgemäßen Zustand der Außenwand wieder herstellen zu lassen. Begründend wurde ausgeführt, dass ohne Baubewilligung eine Fensteröffnung ausgebrochen und ein neues Fenster eingebaut worden sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die gegenständliche Liegenschaft befinde sich in einer Schutzzone. Die Herstellung der Fensteröffnung und der Einbau eines Fensters seien vom bautechnischen Amtssachverständigen bei der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle festgestellt und vom Beschwerdeführer nicht bestritten, sondern ausdrücklich zugestanden worden. Durch den Fenstereinbau sei jedenfalls das äußere Ansehen des Gebäudes verändert worden, womit der Beschwerdeführer eine bewilligungspflichtige bauliche Änderung vorgenommen habe.

Des Weiteren führte die belangte Behörde aus, mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 17. November 1993 sei u. a. das Abmauern des verfahrensgegenständlichen Fensters bewilligt worden. Wie sich einem Foto aus dem Jahr 1998 entnehmen lasse, sei die Fensteröffnung tatsächlich abgemauert und dieser bewilligte Konsens somit konsumiert worden. Bei einer am 7. Juli 2011 eingereichten und von der Baubehörde ohne Erlassung eines Untersagungsbescheides zur Kenntnis genommenen Bauanzeige sei im Einreichplan statt der bewilligten Mauer ein Fenster eingetragen gewesen. Diese Maueröffnung zum Einbau eines Fensters sei aber nicht in gelber Farbe als Abbruch dargestellt worden, sondern nach der Planlegende als unveränderter Bestand. Das bedeute, dass keinerlei Änderung der zur S.-Gasse gerichteten Außenmauer den Gegenstand der Bauanzeige gebildet habe. Eine solche bauliche Änderung hätte auch nicht Gegenstand einer Bauanzeige sein können, weil dafür nur der Fensteraustausch in einer Schutzzone oder bauliche Änderungen im Gebäudeinneren in Frage kämen. Wenngleich die im Einreichplan des Jahres 2011 vorgenommene Darstellung der Außenfront eine Fensteröffnung aufweise, werde durch diese fehlerhafte Darstellung keine Änderung an dem die Außenmauer betreffenden Konsens bewirkt. Zusammenfassend sei der konsensgemäße Zustand der Außenmauer im Bewilligungsplan des Jahres 1993 festgelegt worden, und dieser Zustand habe durch eine Bauanzeige nicht rechtswirksam abgeändert werden können. Für das straßenseitige gegenständliche Zimmer, das laut Konsensplan des Jahres 1993 eine Bodenfläche von 19 m2 aufweise, müsse die Lichteintrittsfläche mindestens 1,90 m2 betragen. Das im Bewilligungsplan dargestellte Fenster halte genau dieses geforderte Mindestmaß ein. Mit der Argumentation, die tatsächlich gemessene Raumfläche betrage aber 19,67 m2, weshalb eine zweite Fensteröffnung notwendig sei, verkenne der Beschwerdeführer, dass der bewilligte, im Konsensplan dargestellte Zustand maßgebend sei und die tatsächliche bauliche Ausführung dem Konsensplan entsprechen müsse. Andernfalls sei ein Bauauftrag zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes zu erteilen. Selbst wenn nach der derzeit geltenden Rechtslage eine aktuelle technische Bauvorschrift nicht eingehalten wäre, dürfte trotzdem nicht eigenmächtig ein bestehendes Gebäude entgegen dem bewilligten Konsens verändert werden. Die Erfüllungsfrist von zwei Monaten sei ausreichend. Durch die Berufung habe der Beschwerdeführer eine Fristverlängerung im Ausmaß der Dauer des Berufungsverfahrens erreicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine sachliche Rechtfertigung für ein vorläufiges Unterbleiben eines Auftrages bestehe. Eine offenkundige Gefahr liege nicht vor. Mit der Erfüllung des Auftrages wären wesentliche Kosten verbunden. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden unmanipulierten Konsensplan. Die tatsächliche, im Konsensplan festgehaltene Nutzfläche des betroffenen Zimmers erfordere zwingend den Einbau eines zweiten Fensters. Dieser Einbau sei auch zulässig. Mit einem Rückbau des Fensters wären wesentliche Kosten für den Beschwerdeführer verbunden. Ein Zuwarten sei somit gerechtfertigt bzw. verlange der Sachverhalt ein solches sogar. Der sofortige Auftrag sei grob unbillig. Schließlich habe der Beschwerdeführer die Hausverwaltung beauftragt, eine nachträgliche Baubewilligung im Sinne des § 62 Abs. 6 BO (Anmerkung: dies ist die Bestimmung über Bauanzeigen) für das verfahrensgegenständliche Bauwerk zu erwirken. Die korrekte Bemaßung des Zimmers sei im Konsensplan mit 19,62 m2 festgehalten und von einem Architekten nochmals bestätigt worden. Aus dieser Raumgröße ergebe sich die Notwendigkeit eines zweiten Fensters gemäß Punkt 9.1.1. der Richtlinie 3 des Österreichischen Institutes für Bautechnik. Die offensichtlich nachträglich händisch hinzugefügte Änderung der Raumgröße von 19,62 m2 auf 19 m2 hätte der Behörde bei korrekter Prüfung des Akteninhaltes ins Auge springen müssen. Sie hätte daher ihrer Entscheidung nicht die Zimmergröße von 19 m2 zugrunde legen dürfen. Maßnahmen zur Erforschung der korrekten Größe des Zimmers seien unterblieben. Gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 BO genüge für den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen eine Bauanzeige. Die Genehmigung aus dem Jahre 1993 hätte für das gegenständliche Fenster nicht erfolgen dürfen, weil auf Grund der Raumgröße ein zweites Fenster für dieses Zimmer notwendig sei. Die Änderung sei daher als Austausch eines Fensters im Sinne des § 62 Abs. 1 Z. 3 BO zu bewerten. Dafür genüge die eingebrachte Bauanzeige.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO sind, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a BO zur Anwendung kommen, Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, bewilligungspflichtig.

Eine Bauanzeige genügt gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 BO für den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen, ferner gemäß Z. 4 der genannten Bestimmung für alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde, dass eine rechtskräftige Baubewilligung aus dem Jahr 1993 für die Abmauerung des gegenständlichen Fensters besteht und auch konsumiert wurde. Dies bedeutet, dass für alle weiteren Baumaßnahmen von dem so vorhandenen Konsens (abgemauerte Fensteröffnung) auszugehen ist.

Eine Herstellung einer Fensteröffnung bewirkt eine Veränderung des äußeren Ansehens des Gebäudes, sodass dafür eine Bauanzeige nicht genügt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt damit schon deshalb auch kein "Austausch" eines Fensters vor, weil ein solches eben nach dem maßgeblichen Baukonsens gar nicht besteht.

In Bezug auf die Fensteröffnung liegt somit ein im Sinne des § 129 Abs. 10 BO vorschriftswidriger Bauzustand vor, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt wurde, obwohl eine solche notwendig gewesen wäre. Daran ändert es auch nichts, wenn auf Grund bautechnischer Vorschriften die Fensteröffnung notwendig sein sollte. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Es trifft zwar zu, dass auf Grund des nunmehrigen Textes des § 129 Abs. 10 BO im Einzelfall ein größerer Spielraum für die Behörde bei der Entscheidung, ob ein Bauauftrag zu erlassen ist, gegeben ist. Allerdings bedarf es für das Unterbleiben eines Auftrages eines sachlichen Grundes, der jedenfalls nicht schon dadurch gegeben ist, dass keine Gefahr in Verzug besteht (vgl. die bei Moritz, Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 324 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Außerdem kann das Unterlassen eines Auftrages kein Dauerzustand sein, sondern muss es sich um Gründe handeln, die ein bloß gewisses Abwarten sachlich rechtfertigen (vgl. auch dazu die bei Moritz, aaO, S. 324 zitierte hg. Rechtsprechung). Solche Gründe liegen hier aber nicht vor, vielmehr macht der Beschwerdeführer Argumente geltend, die ein endgültiges Absehen von einem Bauauftrag bedingen würden.

Zu bemerken ist, dass ein Beseitigungsauftrag auch zulässig ist, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist, allerdings darf während der Anhängigkeit eines solchen nachträglichen Baubewilligungsansuchens ein baupolizeilicher Auftrag nicht vollstreckt werden (vgl. die bei Moritz, aaO, S. 322 f zitierte hg. Rechtsprechung).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. April 2013

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