VwGH 2012/03/0182

VwGH2012/03/018230.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Köller, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in den Beschwerdesachen der T-Mobile Austria GmbH in Wien, vertreten durch MMag. Ewald Lichtenberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17, gegen die Bescheide der Telekom-Control-Kommission vom 13. Dezember 2012, Zl F 6/12-9, betreffend Genehmigung der Überlassung von Frequenznutzungsrechten (protokolliert zur Zl 2012/03/0182), und Zl F 1/12-59, betreffend Genehmigung einer wesentlichen Änderung der Eigentümerstruktur (protokolliert zur Zl 2012/03/0183), den Beschluss gefasst:

Normen

32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
AVG §8;
TKG 2003 §56 Abs1;
TKG 2003 §56 Abs2;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
AVG §8;
TKG 2003 §56 Abs1;
TKG 2003 §56 Abs2;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

1. Die Beschwerdeverfahren stehen im Zusammenhang mit der - beabsichtigten - Übernahme des Mobilfunk-Netzbetreibers Orange Austria Telecommunication GmbH (im Folgenden: O) durch die Hutchison 3G Austria GmbH (im Folgenden: H3G) samt Einbindung der A1 Telekom Austria AG (im Folgenden: A1).

1.1. Mit dem erstangefochtenen Bescheid Zl F 6/12-9 hat die belangte Behörde, die Telecom-Control-Kommission, über Anträge der A1 und H3G (bzw deren Mutter- bzw Tochtergesellschaften) sowie der O auf Genehmigung der Überlassung von Frequenznutzungsrechten nach § 56 Abs 1 TKG 2003 entschieden.

Sie hat dabei jeweils den Anträgen auf Genehmigung der Überlassung einzelner Frequenznutzungsrechte in unterschiedlichen Frequenzbereichen, von der O an die A1, von der H3G an die A1 und der A1 an die H3G, stattgeben, unter näher bezeichneten Auflagen und der Bedingung, dass H3G rechtlich die Kontrolle über O erlangt.

1.2. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid Zl F 1/12-59 hat die belangte Behörde über die gemeinsamen Anträge der H3G und der O (bzw deren Muttergesellschaften) auf Genehmigung einer wesentlichen Änderung der Eigentümerstruktur nach § 56 Abs 2 TKG 2003 entschieden. Sie hat dabei den beabsichtigten Übergang von 100 % der Anteile der O an die H3G ebenso genehmigt wie die mit der Verschmelzung der O mit der H3G einhergehenden Veränderungen in den Eigentümerstrukturen der O und der H3G, wobei die Genehmigungen unter näher bezeichneten Auflagen erteilt wurden. Danach habe die H3G der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 12. Dezember 2012, Case Nr M 6497, nach Maßgabe näherer Modifikationen zu entsprechen und sei zudem verpflichtet, ein näher genanntes Frequenzspektrum auf Wunsch des im (für das Jahr 2013 geplanten) Verfahren über die "Multibandauktion" erfolgreichen Bieters diesem sowie ein weiteres Frequenzspektrum der A1 zu veräußern.

1.3. Mit einem weiteren Bescheid vom 13. Dezember 2012, Zl F 1/12-58, hat die belangte Behörde Anträge der Beschwerdeführerin auf Feststellung ihrer Parteistellung im Verfahren F 1/12 (also des Verfahrens betreffend die Änderung der Eigentümerstruktur der H3G und der O) ab- sowie weitere Beweisanträge der Beschwerdeführerin, dieses Verfahren betreffend, zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin die zur Zl 2012/03/0181 protokollierte Beschwerde erhoben.

1.4. In der Begründung des erstangefochtenen Bescheids (F 6/12-9) wird bei Darstellung des Verfahrensgangs auf die Sachanträge der Parteien des Verwaltungsverfahrens (A1, H3G, O) eingegangen, in der Folge werden Feststellungen zur Stellung dieser drei Unternehmen auf dem Markt für Kommunikationsdienste getroffen. Durch die Übernahme von O durch H3G und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen komme es zu keiner nennenswerten Konzentration von Spektren in den Händen eines einzelnen Betreibers. Die Frequenzausstattung pro Teilnehmer von A1 bleibe im Wesentlichen unberührt. Die Frequenzausstattung von O und H3G pro Teilnehmer liege nach der geplanten Änderung der Eigentümerstruktur auf Grund der Übernahme unter jener, die H3G derzeit aufweise.

In der rechtlichen Beurteilung verneinte die belangte Behörde negative technische Auswirkungen ebenso wie negative Auswirkungen auf den Wettbewerb.

Auf die Beschwerdeführerin wird in der Begründung dieses Bescheids nicht (explizit) eingegangen.

1.5. In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheids (F 1/12-59) wird schon bei der Wiedergabe des Verfahrensgangs auf Stellungnahmen der (nunmehrigen) Beschwerdeführerin verwiesen, die - nach Auffassung der belangten Behörde unbegründete - Bedenken gegen die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens beantragte Genehmigung der Eigentümerstruktur zum Ausdruck gebracht und auf damit verbundene negative Auswirkungen auf den Wettbewerb verwiesen habe. Die Beschwerdeführerin habe am 10. Dezember 2012 einen Antrag auf Feststellung ihrer Parteistellung eingebracht, der mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 2012 (F 1/12-58) abgewiesen worden sei.

2. Die Beschwerdeführerin bringt in den vorliegenden Beschwerden (gegen den erst- und zweitangefochtenen Bescheid) nicht vor, dass ihr die von ihr nunmehr angefochtenen Bescheide zugestellt worden seien. Sie stützt sich hinsichtlich der von ihr behaupteten Zulässigkeit der Beschwerden vielmehr jeweils auf Folgendes:

Die beiden Bescheide seien frühestens am 13. Dezember 2012 veröffentlicht und der Beschwerdeführerin frühestens an diesem Tag bekannt geworden. Die Beschwerdeführerin könne als "übergangene Partei" sogleich Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn sie Kenntnis vom Bescheid erlangt habe.

Die Beschwerdelegitimation bestehe aber auch insbesondere aus folgenden Gründen:

Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin komme keine Parteistellung in den Verfahren zu, verstoße "gegen die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art 4 der Rahmenrichtlinie und Art 5 Abs 6 Genehmigungsrichtlinie". Die belangte Behörde hätte "bei richtiger, unionsrechtskonformer Auslegung des § 56 Abs 2 in Verbindung mit Abs 1 Satz 3 bis 5 TKG 2003" die Parteistellung der Beschwerdeführerin bejahen und ihr die angefochtenen Bescheide auch zustellen müssen. "Kraft unionsrechtlicher Vorgaben - Art 4 der Rahmenrichtlinie, Art 47 Abs 1 Grundrechte-Charta -" müsse der Beschwerdeführerin wirksamer Rechtsschutz dagegen zukommen, dass die belangte Behörde ihre Parteistellung zu Unrecht verneint habe. Durch die Vorgangsweise der belangten Behörde, die am gleichen Tag über die Parteistellung der Beschwerdeführerin abgesprochen und die Sachentscheidungen getroffen habe, seien die Rechte der Beschwerdeführerin bewusst vereitelt worden. Selbst im Fall, dass der Beschwerde gegen den den Antrag auf Parteistellung abweisenden Bescheid stattgegeben werde, müssten in einem wiederaufzunehmenden Verfahren "allenfalls die von der belangten Behörde … genehmigten Eigentumsübertragungen und insbesondere die … genehmigten Frequenzüberlassungen zu einem gewissen Teil zumindest rückabgewickelt werden, wenn den Argumenten der Beschwerdeführerin im Verfahren nach § 56 TKG zu folgen ist." Es seien dann aber schon "Fakten vor allem hinsichtlich der Ausnutzung des Frequenzspektrums geschaffen, die möglicherweise nicht mehr umkehrbar" seien. Es sei daher geboten, Rechtsschutz in den Verfahren über die Beschwerden gegen die hier angefochtenen Bescheide zu gewähren, weil eine einheitliche Entscheidung vorliege und die Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Beschwerde gegen beide Bescheide legitimiert sei.

3. Die Beschwerden sind nicht zulässig.

3.1. Zwar trifft es zu, dass gemäß § 26 Abs 2 VwGG die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof auch erhoben werden kann, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Fall der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die Beschlüsse vom 9. Februar 1990, 89/17/0243, vom 26. April 1999, 98/10/0419, vom 17. Dezember 2007, 2007/03/0209, vom 28. Mai 2008, 2008/03/0059, und vom 22. März 2012, 2008/07/0009, jeweils mwN) hat § 26 Abs 2 VwGG im Mehrparteienverfahren Bedeutung. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten und auch nicht an die betreffende Person gerichteten Bescheid ist, dass dieser Bescheid an andere Verfahrensparteien ergangen ist und dass der Bescheid seinem Inhalt nach in die Rechtssphäre der übergangenen Partei eingreift.

Beschwerdelegitimiert ist ferner nur derjenige, dessen Parteistellung im Verwaltungsverfahren unstrittig war. Ist die Parteistellung strittig, scheidet die Anfechtung eines (letztinstanzlichen) Bescheides im Wege des § 26 Abs 2 VwGG aus, weil die Frage des Mitspracherechtes zunächst durch die in Betracht kommende Behörde entschieden werden muss, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Bescheidzustellung.

3.2. Die vorliegend angefochtenen Bescheide wurden der Beschwerdeführerin nicht zugestellt. Die belangte Behörde geht vielmehr explizit davon aus, dass die Bescheide lediglich an A1, H3G und O als Parteien des Verfahrens zu richten waren und Rechte der Beschwerdeführerin nicht berührt würden. Sie hat demgemäß den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung ihrer Parteistellung mit gesondertem Bescheid vom 13. Dezember 2012, Zl F 1/12-58, abgewiesen.

Da also im Beschwerdefall die Parteistellung der Beschwerdeführerin strittig ist, ihr die Bescheide aber nicht zugestellt wurden, erweisen sich die Beschwerden als unzulässig.

3.3. Daran ändert der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den "unionsrechtlich gebotenen" Rechtsschutz nichts.

Auch wenn die Beschwerdeführerin als von den hier angefochtenen Bescheiden "betroffen" im Sinne des Art 4 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG anzusehen sein sollte und ihr nach dem österreichischen Verfahrensrecht in diesem Fall jene Rechte einzuräumen wären, deren Verletzung sie im vorliegenden Fall geltend macht (vgl das hg Erkenntnis vom 26. März 2008, 2008/03/0020), so würde dies nicht zur Folge haben, dass sie zur Beschwerde gegen den ihr nicht zugestellten Bescheid berechtigt wäre (vgl den oben zitierten Beschluss 2007/03/0209). In der bloßen Einräumung der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung ohne vorhergehende Bescheidzustellung und ohne Einräumung der mit der Parteistellung verbunden Rechte im Verwaltungsverfahren läge zudem keine wirksame Einspruchsmöglichkeit im Sinne des Art 4 der Rahmenrichtlinie; würde nämlich einer "betroffenen" Partei zwar ein Rechtsmittelrecht eingeräumt, ihr aber nicht - zuvor - die Stellung einer Partei im Sinne des § 8 AVG gewährt, wäre die Effektivität des dieser "Partei" zustehenden Rechtsmittels wesentlich beeinträchtigt (vgl das bereits zitierte Erkenntnis 2008/03/0020).

Die - strittige - Frage, ob der Beschwerdeführerin Parteistellung in den genannten Verfahren vor der belangten Behörde zugekommen wäre, ist daher im Verfahren über die - ohnehin schon eingebrachte, zu Zl 2012/03/0181 protokollierte - Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 2012, Zl F 1/12-58, mit dem der Antrag auf Feststellung der Parteistellung abgewiesen wurde, zu beantworten.

3.4. Die Beschwerden erweisen sich daher als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs 1 VwGG - in dem gemäß § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen waren.

Wien, am 30. Jänner 2013

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