VwGH 2011/18/0253

VwGH2011/18/025319.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des I M in L, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. April 2010, Zl. E1/71.053/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2009/I/029;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 4. Dezember 2000 in Österreich eingereist. Am folgenden Tag habe er einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 23. Mai 2001 abgewiesen worden sei. Einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist sei im Instanzenzug nicht Folge gegeben worden; der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ihre Behandlung aber in der Folge abgelehnt worden. Zuletzt habe der Beschwerdeführer am 25. Oktober 2002 einen Asylantrag gestellt, welcher im Instanzenzug wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Vom Verwaltungsgerichtshof sei der dagegen eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluss vom

28. (richtig: 14.) November 2007 abgelehnt worden.

Der Beschwerdeführer, der unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei, habe nie über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei auch nach rechtskräftigem Abschluss seiner Asylverfahren im Bundesgebiet verblieben. Er halte sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seine Ausweisung aus dem Grund des § 53 Abs. 1 FPG sei zulässig, wenn § 66 FPG dem nicht entgegenstehe.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit mehr als neun Jahren im Bundesgebiet auf, verfüge aber im Inland über keine familiären Bindungen. Es sei davon auszugehen, dass mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dieser Eingriff sei jedoch dringend geboten, weil der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme. Eine Legalisierung seines Aufenthaltes könne der Beschwerdeführer jedoch gemäß § 21 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich nur im Ausland erwirken. Gegen diese Regelung habe der Beschwerdeführer, der seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz diesbezüglich rechtskräftiger Bestrafung am 1. August 2008 bzw. rechtskräftiger Abweisung seiner Asylanträge fortgesetzt habe, in gravierender Weise verstoßen. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in seiner Heimat keine Verwandten mehr, weil seine Mutter verstorben sei, ein Bruder in Italien lebe, ein weiterer Bruder zwar in Pakistan lebe, er zu diesem aber keinen Kontakt mehr habe bzw. dieser für ihn unauffindbar sei sowie auch sein Vater "verschollen" sei, sei zu entgegnen, dass dies nicht nur absolut unglaubwürdig sei, sondern auch, dass er nach eigenen Angaben auch über familiäre Bindungen zu drei Schwestern im Heimatland verfüge. Auch sei aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Pakistan davon auszugehen, dass er seine Muttersprache fließend beherrsche und aufgrund seines jungen Alters in der Lage sein werde, bestehende soziale Kontakte aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen. Der Beschwerdeführer habe keine besonderen Argumente vorgebracht, weshalb davon auszugehen wäre, seine Integration im Bundesgebiet sei soweit fortgeschritten, dass ihm eine "Ausreise (Ausweisung)" nicht mehr zuzumuten wäre.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 20. September 2011, B 1138/10-7, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die nach Aufforderung ergänzte Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, er halte sich seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und der die Erlassung einer Ausweisung ermöglichende Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 53 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung) sei erfüllt. Angesichts der Feststellungen der belangten Behörde bestehen gegen die Richtigkeit dieser Auffassung keine Bedenken, zumal nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über irgendeine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt hätte.

Die Beschwerde richtet sich allerdings gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 29/2009) und rügt, die belangte Behörde habe in dem zwei Jahre dauernden Berufungsverfahren weitere Erhebungen zum Fortschreiten der Integration des Beschwerdeführers unterlassen. Der Beschwerdeführer verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse, weiters über eine verbindliche Einstellzusage (in einer Pizzeria) und sei unbescholten.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid aber angesichts des langjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich (neun Jahre und viereinhalb Monate bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) ohnehin von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers - familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich wurden nie behauptet - ausgegangen, hat diesen aber in Ermangelung außergewöhnlicher Umstände nach Abwägung mit den öffentlichen Interessen am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens für notwendig und verhältnismäßig erachtet. Auch der Beschwerde gelingt es nicht, aufzuzeigen, worin die besonderen Umstände bestanden haben sollen, die zur Unzulässigkeit der Ausweisung geführt hätten. Es ist daher nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde das Interesses des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers.

An diesem Ergebnis vermögen auch die (zutreffenden) Beschwerdeausführungen, dass der Beschwerdeführer während seiner langjährigen Asylverfahren rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen sei, nichts zu ändern. Schließlich musste er sich auf Grund der ihm bekannten Gegebenheiten - erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages - bereits im Mai 2001 der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst gewesen sein. Es entspricht der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthalts erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet.

Gleiches gilt für die auf die Zukunft gerichtete Einstellzusage der Pizzeria für den nach der Aktenlage beruflich nicht integrierten Beschwerdeführer sowie dessen in der Beschwerde hervorgehobene strafrechtliche Unbescholtenheit (diese vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen, vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2011, 2009/22/0273, mwN).

Somit bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nach § 66 FPG dringend geboten und verhältnismäßig sei. Auch ist kein ausreichend gewichtiger Grund ersichtlich, den die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. April 2012

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