VwGH 2011/18/0012

VwGH2011/18/001222.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des R G in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. November 2010, Zl. E1/410376/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 16. Jänner 2003 illegal und schlepperunterstützt nach Österreich gekommen, wo er am 20. Jänner 2003 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei erstinstanzlich mit Bescheid vom 16. Juli 2003 abgewiesen worden. Bereits auf Grund dieser raschen Abweisung hätten dem Beschwerdeführer ungeachtet der dagegen erhobenen Berufung schwerwiegende Bedenken kommen müssen, ob er weiterhin im Land bleiben werden könne. Tatsächlich sei der Asylantrag am 21. März 2008 rechtskräftig abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei zunächst aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, ihre Behandlung sei Anfang 2010 abgelehnt worden.

Am 9. April 2010 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen (§ 44 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) eingebracht, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.

Der Beschwerdeführer halte sich unbestritten seit Jahresbeginn 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weshalb er gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden könne.

Im Rahmen der Beurteilung nach § 66 FPG sei der fast achtjährige inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers, der aber bis 21. März 2008 nur durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, danach bis Anfang 2010 durch eine Art Duldung auf Grund aufschiebender Wirkung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof "abgesichert" gewesen sei und seither überhaupt illegal sei, zu berücksichtigen gewesen. Darüber hinaus bestünden keine familiären Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer weise einen gewissen Grad der Integration auf, wie er nach einem fast acht Jahre lang dauernden Aufenthalt durchaus anzunehmen sei. Einige Deutschkurse habe der Beschwerdeführer mit Erfolg abgeschlossen und Kenntnisse des Niveaus A2 bescheinigt, welches recht niedrig sei. Der Beschwerdeführer habe Bindungen zum Heimatstaat, wo sich seine Mutter befinde. Ihm fehlten (legale) berufliche Bindungen in Österreich, zumal er seit 21. März 2008 keine selbständige oder unselbständige Beschäftigung ausüben dürfe. Der Beschwerdeführer sei unbescholten.

Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe und Umstände ergebe ein Übergewicht des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens. Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, weil er dem Gesetz (FPG und NAG), das diese Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens schützen wolle, widerspreche.

Angesichts der raschen erstinstanzlichen Abweisung des Asylantrages und der 2008 erfolgten rechtskräftigen - für den Beschwerdeführer negativen - Berufungsentscheidung hätte der Beschwerdeführer keinesfalls mit einem Weiterverbleib in Österreich rechnen dürfen. In diesem Licht seien auch die Integrationsschritte des Beschwerdeführers, die allerdings mit Ausnahme der Deutschkenntnisse kaum substantiiert worden seien, zu sehen.

Besondere Umstände, die über diese Erwägungen hinausgehend eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die Behörde zugelassen hätten, hätten weder erkannt werden können, noch seien sie vorgebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (30. November 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen und über seinen Antrag vom 9. April 2010 auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen (§ 44 Abs. 3 NAG) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig (positiv) entschieden wurde. Da auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung. Der Beschwerdeführer verweist vor allem auf die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich von acht Jahren, wovon der Großteil, nämlich sieben Jahre während des anhängigen Asylverfahrens rechtmäßig gewesen sei. In seinem Heimatstaat hielten sich keine Angehörigen seiner Kernfamilie auf, zu den dort lebenden "etwaigen" Verwandten habe er keinen Kontakt mehr. In Österreich hingegen habe er ein dichtes Netz enger Freundschaften und Bekanntschaften aufgebaut, mit großem Eifer zahlreiche Deutschkurse besucht sowie von seinen Lehrern Empfehlungsschreiben erhalten. Er sei jahrelang selbständig als Zeitungszusteller erwerbstätig, verfüge über eine Wohnung, sei Mitglied der Internationalen Evangelischen Kirchengemeinde und unbescholten. Angesichts der vom Beschwerdeführer in Anspruch genommenen Möglichkeit, seinen Aufenthalt durch Antragstellung nach § 44 Abs. 3 NAG vom Inland aus zu legalisieren, sei ihm eine Ausreise für die Dauer des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels unzumutbar.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus diesen Umständen aber nicht ableiten müssen, dass eine Ausweisung aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig sei. Diese Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung) von knapp acht Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen. Bei der Bewertung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG vor allem auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Davon ausgehend war das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert anzusehen. Auf das Bestehen einer Kernfamilie im Heimatland kommt es nicht an, sondern lediglich auf "Bindungen zum Heimatstaat des Fremden" (§ 66 Abs. 2 Z. 5 FPG). Die genaue Anzahl der in der Beschwerde hervorgehobenen Deutschkurse des Beschwerdeführers war nicht erforderlich festzustellen, weil im angefochtenen Bescheid ohnedies von einer Mehrzahl von Kursen ausgegangen wurde und insbesondere das damit erreichte Niveau "A2" festgestellt wurde. Eine Erwerbstätigkeit wurde dem Beschwerdeführer nicht abgesprochen, sondern im Wesentlichen auf die fehlende Berechtigung zur Berufsausübung seit rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens hingewiesen. Im gleichen Sinn ist allerdings der von der belangten Behörde nicht festgestellten Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in einer Kirchengemeinde nur ein gemindertes Gewicht zuzumessen.

Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2012, Zl 2012/18/0178, mwN). Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise einen letztlich unberechtigten Asylantrag und blieb nach Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich. Sein Verhalten widerspricht sohin auch dem geltenden Einwanderungsregime und stellt eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar.

Es ist zusammengefasst nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden. Die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland allenfalls verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Auch die Antragstellung des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 3 NAG steht der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0233, mwN).

Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

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