VwGH 2011/16/0190

VwGH2011/16/019029.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. Markus Singer und Dr. Edith Gagern, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. Juni 2011, GZ. ABK - 159/09, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid sowie dem hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/16/0205, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2007 wurde der Beschwerdeführer nach § 10 iVm §§ 2 und 5 WAO als persönlich haftender Gesellschafter der G KEG zur Haftung für die im Betrieb dieser Gesellschaft in der Zeit von August bis Dezember 1997 entstandene Vergnügungssteuerschuld in Höhe von EUR 71.527,44 herangezogen.

Mit dem genannten hg. Erkenntnis vom 25. März 2010 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Teilentlassung aus der Gesamtschuld betreffend die oben genannte Abgabenschuld.

Mit Bescheid vom 6. August 2009 wies der Magistrat der Stadt Wien diesen Antrag auf Teilentlassung aus der Gesamtschuld betreffend die Haftung für Rückstände an Vergnügungssteuer in der Höhe von EUR 71.527,44 gemäß § 183 Abs. 1 WAO als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 6. August 2009 dahingehend ab, dass der Hinweis auf § 183 Abs. 1 WAO durch jenen auf § 237 Abs. 1 BAO ersetzt wurde. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Sie führte begründend aus, der Beschwerdeführer verfüge nach eigenen Angaben über ein monatliches Einkommen von EUR 620,-- (netto). Er besitze mit seiner Gattin eine Eigentumswohnung. Mit Ausnahme eines Motorrades verfüge er über kein weiteres Vermögen. Der auf ihn entfallende Anteil der "monatlichen Rückzahlungen" (betreffend die Eigentumswohnung) betrage EUR 870,-- (davon EUR 155,-- Betriebskosten). Seine monatlichen Ausgaben überstiegen daher seine monatlichen Einnahmen, sodass der Differenzbetrag von seiner Gattin beigesteuert werden müsse. Diese habe einen monatlichen Nettoverdienst von EUR 900,--. Der Beschwerdeführer habe nicht angegeben, welche Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der gemeinsamen Eigentumswohnung seine Ehefrau treffe. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass ihre Verpflichtung zumindest betreffend die Kreditrückzahlung weitgehend jenen des Beschwerdeführers entspreche. Aus eigenem Einkommen sei die Ehefrau alleine jedenfalls nicht in der Lage, die Kreditverbindlichkeiten zu bezahlen. In Anbetracht der finanziellen Situation des Beschwerdeführers, der auf Grund der Höhe seines Einkommens - ungeachtet weiterer Lebenshaltungskosten -

nicht einmal den Verbindlichkeiten die Wohnung betreffend ("Tilgungsträger", Zinszahlungen, Betriebskosten) aus eigenen Mitteln vollständig nachkommen könne, und selbst unter Berücksichtigung des Einkommens seiner ihn unterstützenden Ehefrau, die jedoch auch Rückzahlungsverpflichtungen ihren gemeinsamen Kredit betreffend habe, zeige sich, dass ungeachtet der Einhebung des Abgabenrückstandes bereits eine Existenzgefährdung des Beschwerdeführers vorliege. Auch bei einer Gesamtbetrachtung des Einkommens des Beschwerdeführers und seiner Gattin (EUR 1.520,--) sei schon allein auf Grund der Rückzahlungsverpflichtungen und sonstigen Lebenshaltungskosten eine Existenzgefährdung gegeben.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die gänzliche Abstattung der Abgabenforderung die Verschleuderung des gemeinsamen Familienwohnsitzes - nämlich der genannten Eigentumswohnung - zur Folge hätte, sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach § 13 Abs. 2 WEG seinen Anteil nicht losgelöst vom Anteil der Ehefrau veräußern könne, sei dieser doch mit deren Anteil verbunden, und könne dieser Anteil, solange die Eigentümerpartnerschaft bestehe, auch nicht getrennt werden. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass niemand einen halben Anteil einer Eigentumswohnung kaufen würde (noch dazu, wenn er nicht darin wohnen könne), gehe daher schon aus rechtlichen Erwägungen ins Leere. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass bezüglich der Eigentumswohnung ein Pfandrecht im Höchstbetrag von EUR 270.000,-- eingetragen sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Kaufpreis 2006 EUR 212.000,-- betragen habe und laut Auskunft der Pfandgläubigerin auf Grund des für die Eigentumswohnung gewährten Kredites noch EUR 306.835,98 aushafteten. Dass der Verkehrswert der Wohnung mittlerweile derart gestiegen wäre und nunmehr die Höhe des Pfandrechts übersteige, sei nicht vorgebracht worden und widerspreche auch der Lebenserfahrung. Durch eine allfällige Veräußerung der Wohnung wäre auf Grund des bestehenden dinglichen Pfandrechtes und des damit verbundenen Prioritätsprinzips zugunsten der Pfandgläubigerin eine - auch nur teilweise - Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, sich bei der Abgabenbehörde erster Instanz erkundigt zu haben, ob das Bereitstellen von PCs zum Zwecke eines Internetzuganges (im Betrieb der G KEG) vergnügungssteuerpflichtig sei, was verneint worden sei. Dem sei bereits im erstinstanzlichen Bescheid zutreffend entgegen gehalten worden, dass die erteilte Auskunft korrekt gewesen sei. Das steuerpflichtige Halten (nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz) sei nämlich erst dann gegeben, wenn auf diesem Computer Spiele angeboten würden. Zum Vorbringen, es habe sich bei den PCs um keine Spielapparate gehandelt, sei u.a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 2010, Zl. 2010/17/0237, zu verweisen, wonach der G KEG diese Vergnügungssteuer zu Recht vorgeschrieben worden sei. Es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass mit der Vorschreibung der Vergnügungssteuer ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten wäre. Die Einwände des Beschwerdeführers seien daher nicht berechtigt gewesen. Die Abänderung des Spruches sei erfolgt, weil gemäß § 1 Abs. 1 BAO, welcher mit 1. Jänner 2010 in Kraft getreten sei, die BAO anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, aus der Gesamtschuld betreffend die Haftung für Rückstände an Vergnügungssteuer auf einem näher genannten Abgabenkonto in Höhe von EUR 71.527,44 entlassen zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 183 Abs. 1 WAO konnte auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig gewesen wäre. Durch diese Verfügung wurde der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.

In § 237 Abs. 1 BAO, welcher nach § 323a Abs. 1 Z 1 BAO mit 1. Jänner 2010 (auch) für Landes- und Gemeindeabgaben in Kraft getreten ist, findet sich eine (im Hinblick auf § 183 Abs. 1 WAO) wortgleiche Bestimmung.

Die Voraussetzungen für die Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus dem Gesamtschuldverhältnis sind grundsätzlich die gleichen wie die für die Nachsicht, nämlich die Unbilligkeit der Einziehung der Abgabe, für welche ein Gesamtschuldner einzustehen hat. Während für die Nachsicht (§ 236 BAO) das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen bei allen Mitschuldnern gefordert wird, genügt es für eine Maßnahme nach § 237 BAO, wenn die Billigkeitsgründe lediglich in der Person des antragstellenden Gesamtschuldners gelegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, 2006/13/0139).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (einer Entlassung aus der Gesamtschuld) nicht unbedingt einer Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, 2009/17/0117).

Eine solche Unbilligkeit ist jedoch nicht anzunehmen, wenn sich an der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben würden oder nicht. Vielmehr muss die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, 92/16/0103, mwN).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Standpunkt vertreten, dass eine Entlassung aus der Gesamtschuld für den Beschwerdeführer nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte, weil der Beschwerdeführer ohnehin - auch unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau - nicht über genug Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts verfüge. Es könne aufgrund des Miteigentums der Ehefrau am gemeinsamen Wohnungseigentum und des darauf lastenden Pfandrechts auf diese Eigentumswohnung sowohl aus rechtlichen (§ 13 Abs. 2 WEG) wie auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht gegriffen werden, sodass eine Verschleuderung von Vermögenswerten im Wege von abgabenbehördlichen Exekutionsmaßnahmen ohnehin nicht zu erwarten sei.

Dem tritt der Beschwerdeführer nicht konkret entgegen. Mit der bloßen Wiederholung seines (von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zusammengefasst dargestellten) Berufungsvorbringens zeigt er nämlich nicht auf, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall zu Unrecht das Vorliegen einer Unbilligkeit verneint hat.

Auch die vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände, wonach das Aufstellen der PC durch die G KEG lediglich das "gastronomische Unterhaltungsprogramm" seines Lokals hätte erweitern und die Gäste zu einem höheren Getränkekonsum hätte animieren sollen, vermag keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aufzuzeigen. Unerheblich ist auch, ob dieses Vorgehen den von ihm erhofften Effekt gehabt oder ob die Stundenmiete für die Gerätebenützung "gerade einmal die Anschaffungs- und Wartungskosten" gedeckt hat.

Wenn der Beschwerdeführer im Übrigen ohne nähere Begründung behauptet, hinsichtlich der Abgabenschuld, für die er haftbar gemacht worden ist, sei bereits 2002 Einhebungsverjährung eingetreten, so genügt es - unabhängig von der Frage, inwieweit dieses Vorbringen in einem Verfahren betreffend die Entlassung aus der Gesamtschuld überhaupt von Bedeutung sein kann - auf das bereits eingangs genannte hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/16/0205, zu verweisen, in welchem ausführlich begründet wurde, warum von einer bereits 2002 eingetretenen Einhebungsverjährung nicht auszugehen ist.

Mit seinem - jede argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides vermeidenden - Beschwerdevorbringen zeigt der Beschwerdeführer insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Somit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich die Entscheidung der Berichterin über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 29. September 2011

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