VwGH 2011/15/0111

VwGH2011/15/011130.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des GF in L, vertreten durch die Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in 4020 Linz, Landstraße 47, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 4. Mai 2011, Zl. RV/0785-L/09, miterledigt RV/0786-L/09, betreffend u.a. Einkommensteuer 2003 bis 2007, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114;
BAO §209 Abs1 idF 2004/I/180;
BAO §209 Abs1;
B-VG Art18;
EStG 1988;
VwRallg;
BAO §114;
BAO §209 Abs1 idF 2004/I/180;
BAO §209 Abs1;
B-VG Art18;
EStG 1988;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Einkommensteuer 2003 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen (betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2007) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsbürger, der 2002 von Deutschland nach Österreich zog, erhielt im November 2008 einen mit 17. November 2008 datierten Vorhalt des Finanzamtes wie folgt:

"Ersuchen um Ergänzung betreffend 2007 und Vorjahre

...

Frist zur Beantwortung bis zum 29.12.2008

...

Ergänzungspunkte:

Die entsprechenden Formulare (E1) finden sie im Internet unter:

https_//www.bmf.gv.at/service/formulare/steuern/

Der österreichischen Finanzverwaltung werden aufgrund der EU-Zinsrichtlinie (RL 2003/48/EG) von ausländischen Finanzverwaltungen Kapitalerträge von in Österreich ansässigen Personen mitgeteilt, die diesen in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten zugeflossen sind. Aufgrund dieser Mitteilung ist der österreichischen Finanzverwaltung bekannt geworden, dass Sie in dem im Betreff angeführten Zeitraum ausländische Kapitalerträge bezogen haben, die bisher nicht bzw. nicht in voller Höhe in Ihrer Steuererklärung angegeben wurden. Sie werden daher ersucht, Ihre ausländischen Kapitalerträge für diesen Zeitraum und die Vorjahre sowie allfällig davon im Ausland entrichtete Steuern bekannt zu geben und ihre Angaben mittels geeigneter Unterlagen (Kontoauszug, Sparbuch etc.) zu belegen. Sofern die von Ihnen vereinnahmten Kapitalerträge aus Wertpapieren stammen (zB Schuldverschreibungen, Zertifikate, Investmentfonds, usw.), werden Sie ersucht, auch die Wertpapierdepotauszüge zum jeweiligen Kalenderjahresende samt den Kontoauszügen des Wertpapierverrechnungskontos dem Finanzamt vorzulegen. Weiters werden Sie ersucht, die ausländische Bankkontenentwicklung und die Herkunft des Kapitals offen zulegen, sowie bekannt zu geben, wovon Sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sollten Sie dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommen, werden die Abgaben aufgrund der vorliegenden Unterlagen im Schätzungswege gemäß § 184 Bundesabgabenordnung festgesetzt."

Mit Schreiben vom 25. November 2008 teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, dass er 2002 seinen Wohnsitz in Österreich begründet habe und von den deutschen Steuerbehörden seit 2003 nicht mehr als Steuerinländer behandelt werde. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus einer Pension des Europäischen Patentamtes, die von der Einkommensteuer befreit sei. Es treffe zu, dass auf seinem Girokonto in Deutschland in den vergangenen Jahren Kapitalerträge angefallen seien, auf die keine Steuer einbehalten worden sei. Allerdings habe er im Jahr 2003 hinsichtlich seiner steuerlichen Situation am Finanzamt vorgesprochen. Ein Beamter habe ihm erklärt, er müsse in Anbetracht der steuerbefreiten Pension keine Steuererklärung abgeben. Zusätzliches Einkommen müsse nur erklärt werden, wenn die in Österreich geltende Mindestbesteuerungsgrenze von ca. 9.000 EUR überschritten werde. Einen schriftlichen Nachweis über das Gespräch gebe es nicht. Auch den Namen des Beamten habe er sich nicht eingeprägt. Dass die österreichische Finanzverwaltung auf Grund der EU-Zinsrichtlinie über seine Kapitalerträge unterrichtet werde, sei dem Beschwerdeführer bekannt. Daher sei er davon ausgegangen, dass die Finanzverwaltung an ihn herantreten werde, wenn sie die gemeldeten Einkünfte für steuerpflichtig halte. Wenn erst nach fünf Jahren die Steuerpflicht festgestellt werde, könne dies seines Erachtens nicht für zurückliegende Zeiträume gelten, weil wegen der erteilten Auskunft ein Vertrauensschutz gegeben sei. Dem Schreiben vom 25. November 2008 lag eine Aufstellung der ausländischen Kapitalerträge des Beschwerdeführers für die Jahre 2003 bis 2007 bei.

Mit Einkommensteuerbescheiden vom 13. Jänner 2009, die aufgrund eines Ausfertigungsfehlers am 22. Jänner 2009 berichtigt wurden, erfasste das Finanzamt die ausländischen Kapitaleinkünfte des Beschwerdeführers in den Jahren 2003 bis 2007 mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 37 Abs. 8 EStG 1988 (25 %) und erließ entsprechende Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2003 bis 2006.

Der Beschwerdeführer berief gegen die angeführten Bescheide und brachte im Wesentlichen vor, dass er im Vertrauen auf die Auskünfte eines Finanzbeamten von der Steuerfreiheit der in Rede stehenden Kapitaleinkünfte ausgegangen sei und der erst spät erfolgte Datenaustausch nicht zu seinen Lasten gehen dürfe, weil die Verzögerungen im internen Behördenaustausch nicht von ihm zu verantworten seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte begründend dazu aus, dass sie gar nicht beurteilen könne, "ob sich der (Beschwerdeführer) auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann", weil seine Ausführungen zur Anfrage beim Finanzamt nur sehr allgemein gehalten seien. Für die belangte Behörde stehe nicht zweifelsfrei fest, dass sich die Anfrage und Auskunft auf die Besteuerung der ausländischen Kapitaleinkünfte des Beschwerdeführers bezogen habe. Unabhängig davon setze der Grundsatz von Treu und Glauben einen Vollzugsspielraum voraus, der bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht gegeben sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in Bezug auf den Grundsatz von Treu und Glauben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass dieser die Behörde nicht hindere, von einer als unrichtig erkannten Rechtsauffassung abzugehen. Die Abgabenbehörden seien vielmehr - ungeachtet erteilter Auskünfte oder rechtskräftiger Bescheide - verpflichtet, dem Recht im objektiven Sinn zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Vertrauen des Steuerpflichtigen auf rechtswidrigen Vollzug werde nicht geschützt.

Auch die Einwendungen hinsichtlich der "späten" Festsetzung der Abgabe führten den Beschwerdeführer nicht zum Erfolg, weil die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Einkommensteuer fünf Jahre betrage und durch jede nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches um ein Jahr verlängert werde. Mit Ersuchen um Ergänzung vom 17. November 2008 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, für "2007 und Vorjahre" seine ausländischen Kapitaleinkünfte bekannt zu geben. In seiner Beantwortung vom 25. November 2008 habe er seine ausländischen Zinsen für die Jahre 2003 bis 2007 offen gelegt. Das Recht, die Einkommensteuer für das Jahr 2003 festzusetzen, ende unter Beachtung der angeführten Bestimmungen mit dem 31. Dezember 2008. Durch die im November 2008 erfolgte Amtshandlung habe sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert. Der (berichtigte) Einkommensteuerbescheid 2003 sei am 22. Jänner 2009 und damit vor Ende der Verjährungsfrist erlassen worden.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde bezieht sich soweit erkennbar ausschließlich auf die Einkommensteuer 2003 bis 2007 und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht wie im Verwaltungsverfahren einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben geltend und wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass für 2003 keine Verjährung eingetreten sei.

Was den Grundsatz von Treu und Glauben betrifft, ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach auf Grund des Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) der Grundsatz von Treu und Glauben nur dort Auswirkungen zeitigen kann, wo das Gesetz der Verwaltung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. September 2011, 2011/15/0126, vom 23. September 2010, 2010/15/0135, und vom 26. Jänner 2006, 2002/15/0188, jeweils mit weiteren Hinweisen). Ein solcher Vollzugsspielraum bestand bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht. Schon deswegen vermag der angesprochene Grundsatz der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der belangten Behörde wendet, dass für 2003 noch keine Bemessungsverjährung eingetreten sei, ist er hingegen im Recht.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Nach dem ersten Satz des Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise etwas zur Feststellung des Steueranspruches unternimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2008, 2006/15/0077, VwSlg 8329/F). An den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen oder Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen verlängern die Verjährungsfrist, wobei derartige Schreiben der Abgabenbehörde nur hinsichtlich jener Abgaben Verlängerungswirkung zukommt, auf die das Schreiben Bezug nimmt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 17. April 2008, 2006/15/0077, VwSlg 8329/F).

Die Anfrage an den Beschwerdeführer vom 17. November 2008 entspricht den angeführten Anforderungen an eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO nicht, weil sie im Betreff lediglich den Vermerk "2007 und Vorjahre" enthält und auch in weiterer Folge nicht erkennen lässt, welche Jahre sie - abgesehen vom Jahr 2007 - konkret umfasst. Das Recht, die Einkommensteuer für das Jahr 2003 festzusetzen, hat demnach mit 31. Dezember 2008 geendet.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher, soweit er die mit Bescheid vom 13. Jänner 2009 bzw. 22. Jänner 2009 festgesetzte Einkommensteuer 2003 betrifft, als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen (betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2007) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 30. Jänner 2014

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